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"Keinerlei Spielraum - egal in welchem Ressort"

Im Streit über die Aufstellung des Bundeshaushalts 2009 hat der haushaltspolitische Sprecher der Union, Steffen Kampeter, Verständnis für das Vorgehen von Finanzminister Steinbrück geäußert. Der SPD-Politiker sagte, Steinbrück versuche den vom Kabinett beschlossenen Konsolidierungskurs umzusetzen. In der Frage habe er auch die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Dass ein Bundesfinanzminister in seinem Bestreben um einen finanzierbaren Haushalt in Konflikt mit ausgabefreudigen Ministern gerät, ist normal und Teil des Regierungsgeschäfts. Doch dass ein Finanzminister so weit geht, Kollegen anzudrohen, ihnen feste Budgets vorschreiben zu wollen, wenn sie ihre Ausgabenwünsche nicht zurückschrauben, kam bislang nicht vor. Doch nun scheint Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) genau zu diesem Mittel greifen zu wollen.
    Am Telefon ist nun Steffen Kampeter. Er ist haushaltspolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Tag Herr Kampeter!

    Steffen Kampeter: Guten Tag aus Berlin!

    Engels: Liegen Sie auf der Linie von Finanzminister Steinbrück, oder haben Sie doch Solidarität für die womöglich gemaßregelten Partei- beziehungsweise Fraktionsfreunde Annette Schavan und Michael Glos?

    Kampeter: Es handelt sich hier nicht um eine parteipolitische Auseinandersetzung, sondern Peer Steinbrück macht das, was die Große Koalition aus Union und SPD gemeinsam beschlossen hat. Er setzt den Konsolidierungskurs fort. Wir haben uns vereinbart, 2011 ohne neue Schulden auszukommen, und dagegen steht plötzlich sehr viel mehr auszugeben als man geplant hat. Deswegen glaube ich, dass Herr Steinbrück die Unterstützung am Ende auch des gesamten Kabinetts hat, denn wir haben diese Entscheidung gemeinsam getroffen und jetzt muss man sie gemeinsam durchführen.

    Engels: Wenn man aber darauf schaut, was die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, dann liegen die gesammelten Forderungen 7,5 Milliarden Euro über der Finanzplanung für das kommende Jahr, bis 2012 sogar bei 41 Milliarden. Das klingt nicht mehr so als ob die Kabinettsmitglieder dem Ziel Haushaltskonsolidierung verpflichtet sind.

    Kampeter: Das ist ein in jedem Jahr vorgenommenes Spiel, dass viele Kabinettsmitglieder mehr Geld anmelden in der Erwartung, dass ihnen was rausgestrichen wird. Die Zahl ist allerdings sehr hoch und ich will sagen, dass ich schon einigermaßen erstaunt bin, weil man ja den Eindruck gewinnen kann, dass in den Ressorts noch von Wachstumsannahmen des letzten und vorletzten Jahres ausgegangen wird. Tatsache ist: Die Steuereinnahmen sprudeln nicht mehr so. Die Wachstumsannahmen sind konservativer. Und je näher die Wahl rückt, umso mehr wird ausgegeben. Tatsache ist: Man muss die guten Entscheidungen gemeinsam treffen und die schwierigen auch. Und jetzt sind wir bei den schwierigen!

    Engels: Schwierig ist das Stichwort. Michael Glos, der Wirtschaftsminister von der CSU, möchte die Extragelder dem Vernehmen nach ja offenbar vor allem für Wirtschaftsförderprogramme ausgeben, also für Subventionen. Ist das richtig ausgegeben, oder sollte man dort stärker streichen?

    Kampeter: Die Regierung hat noch gar keinen Beschluss über den Haushalt getroffen. Im Sommer wird sich das Parlament damit auseinandersetzen. Wir wollen dreierlei: Erstens Reformen vorantreiben, zweitens Investitionen in Zukunftsbereiche und drittens die Konsolidierungslinie bis 2011 fortsetzen. Für ein Mehr an Subventionen sehe ich da keinerlei Spielraum - egal in welchem Ressort.

    Engels: Nun ist ja das Ziel das eine; der Weg ist das andere. Ist diese konfrontative Strategie von Peer Steinbrück das richtige Mittel?

    Kampeter: Man muss das gemeinsam jetzt entscheiden. Ich kann Peer Steinbrück menschlich nachvollziehen: Die Lage ist rauer und offensichtlich jetzt auch der Umgangston im Kabinett rauer. Aber es beißt keine Maus den Faden ab. Ende Juni muss ein gemeinsamer, von allen Kabinettsmitgliedern und der Bundeskanzlerin getragener Entwurf vorgelegt werden. Ich bin zuversichtlich, dass auch einzelne Pressemeldungen da nicht irgendwie schädlich sind. Gemeinsam handeln, das ist das, was die Leute von uns erwarten.

    Engels: Für einen solch harten Kurs braucht Peer Steinbrück die Unterstützung der Kanzlerin. Hat er diese?

    Kampeter: Zweifelsohne! Die Bundeskanzlerin hat ja Peer Steinbrück aufgefordert, den Kabinettsmitgliedern noch mal die Leviten zu lesen - bis jetzt offensichtlich noch ohne Erfolg. An der Unterstützung der Bundeskanzlerin scheitert es keinesfalls. Gerade für die Union sind solide Staatsfinanzen unverzichtbar, um auch vor den Wählerinnen und Wählern bestehen zu können.

    Engels: Nun scheint ja das Ziel der Haushaltskonsolidierung ohnehin etwas in den Hintergrund gerückt zu sein, wenn man darauf schaut, dass ja gerade morgen die außerplanmäßige Rentenerhöhung beschlossen werden soll, die Verlängerung des ALG I, andere Zuschläge, die man gewährt hat. Ist dieses Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht längst schon obsolet?

    Kampeter: Nein! Wichtig ist jetzt, dass man nicht diese Entscheidungen isoliert betrachtet, sondern auf der anderen Seite auch die Einsparziele in anderen Bereichen realisiert. Das ist ja jetzt eigentlich die Aufgabe von Steinbrück. Er sieht sich Mehrbedarfen, politischen Wünschen und Festlegungen gegenüber und das Unangenehme ist, dass die nicht zu haben sind, ohne dass man an anderer Ecke einspart. Das wird jetzt Aufgabe sein und ich bin sicher, dass nicht nur der Haushalt von 2009, den wir jetzt diskutieren, sondern auch der Haushalt von 2010 und 2011 zu starken Konflikten führen wird. Haushaltspolitik ist aber keine Schönwetter-Politik; sie muss sich gerade dann bewähren, wenn die Zeiten schwieriger sind.

    Engels: Sie haben es angesprochen, Herr Kampeter. Der Haushalt 2011, das soll der erste ausgeglichene Haushalt werden. Ist das noch realistisch?

    Kampeter: Es ist insoweit realistisch, dass der politische Wille entscheidend ist, ob man ein Ziel erreicht. Wenn das nur Lippenbekenntnisse wären, hätten wir uns in den vergangenen zwei Jahren ja nicht anstrengen müssen und unangenehme Entscheidungen wie die Mehrwertsteuererhöhung oder die Begrenzung der öffentlichen Personalausgaben durchführen müssen. Es macht doch jetzt wenig Sinn, die Brocken hinzuschmeißen nachdem man zweieinhalb Jahre einen nicht nur für alle auf Zustimmung stoßenden Konsolidierungskurs gefahren hat. Von daher glaube ich, dass allen die dort handeln bewusst ist, dass Konsolidierung kein Selbstzweck ist, sondern die Handlungsspielräume staatlichen Handelns im Finanziellen wieder gewinnen lässt. Und ohne einen ausgeglichenen Haushalt wird die Politik in Deutschland noch sehr viel schwieriger, denn dann fressen uns Zinsen und Zinseszinsen auf und wir werden politisch handlungsunfähig.

    Engels: Nehmen wir einmal an, dass Peer Steinbrück sich durchsetzt, und nehmen wir einmal an, es bleibt nur bei den bisherigen Extraausgaben, die auf dem Weg sind. Wie viel Wirtschaftswachstum brauchen sie dann, um 2011 diesen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen?

    Kampeter: Das finde ich einen wichtigen Hinweis. Er macht nämlich deutlich, dass Haushaltskonsolidierung nicht nur im engeren Sinne auf die Haushaltspolitik beschränkt ist. Ich fordere die Bundesregierung auf, dass sie in der Reformgeschwindigkeit nicht nachlassen soll - beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt. Wir dürfen nichts tun, was die Beschäftigungsmöglichkeiten in Deutschland nachlassen lässt. Wir dürfen nichts tun, was die Bürokratiekosten weiter nach oben treibt. Wir dürfen auch Reformen nicht zurückdrehen. Da sind einige missverständliche Signale in den letzten Wochen gesetzt worden. Ohne eine Fortsetzung des Reformkurses allein mit Sparmaßnahmen im eigentlichen Haushalt wird das Konsolidierungsziel natürlich schwieriger zu erreichen sein. Wir brauchen eine Flankierung mit einer klugen Wirtschaftspolitik. Da hat Michael Glos im Übrigen ja sehr kritische und konstruktive Anmerkungen gemacht, indem er Vorschläge gemacht hat, auf welchen Bereichen die Reformpolitik in dieser und auch in der nächsten Legislaturperiode voranschreiten muss.

    Engels: Aber wie viel Wachstum brauchen Sie?

    Kampeter: Ich gehe davon aus, dass wir mit dem derzeitigen Wachstum von unter zwei Prozent auf Dauer nicht zufrieden sein können. Wir müssen alles tun, um das Wachstumspotenzial nach oben zu schieben. Richtig ist aber auch, dass Deutschland als Schlusslicht der Europäischen Union stand und jetzt ins Mittelfeld aufgerückt ist. Wir dürfen uns aber mit einer Mittelfeldposition nicht zufrieden geben. Eine solche Industrienation wie die Bundesrepublik braucht dauerhafte Wachstumsraten größer als zwei Prozent.

    Engels: Steffen Kampeter, haushaltspolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Ich bedanke mich für das Gespräch!

    Kampeter: Herzlich und gerne.