Archiv


Kemfert: Kosten der Ökostromförderung sollten fair verteilt werden

Die EEG-Umlage müsse von den Stromkonzernen nicht unbedingt an den Kunden weitergeben werden, sagt Claudia Kemfert. Die Energieexpertin des DIW plädiert dafür, dass sowohl Privathaushalte wie auch Unternehmen ihren Beitrag leisten und der Staat sich einbringt. Eine gesetzliche Strompreisbremse wie die CSU sie vorschlägt, hält sie aber für fragwürdig.

Mario Dobovisek im Gespräch mit Claudia Kemfert |
    Mario Dobovisek: Ein Bericht von Altmaier will mit Energiekonzernen sprechen(MP3-Audio) Matthias Zahn aus Berlin. Eben dort begrüße ich Claudia Kemfert, die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Guten Tag, Frau Kemfert!

    Claudia Kemfert: Guten Tag, ich grüße Sie!

    Dobovisek: Ein Appell an die Energiekonzerne, die Belastung der erhöhten EEG-Umlage vorerst nicht an die Kunden weitergeben zu wollen - was haben Stromkonzerne wie RWE davon?

    Kemfert: Na ja, im Grunde genommen können sie sehr genau überlegen, ob sie wirklich diese Umlage weiterleiten, aber meistens sind natürlich gerade die gewinnnotierten Unternehmen auch verpflichtet, den Aktionären, auch den Wirtschaftsinteressen des Unternehmens, dass sie entsprechend alles ausloten, was auszuloten gilt. Also ich kann es mir schwer vorstellen, dass alle da mitmachen werden, aber ich finde die Idee erst mal auch nicht schlecht, dass man versucht, auf die Konzerne einzuwirken, um die Belastung im Zaum zu halten.

    Dobovisek: Warum, glauben Sie, macht RWE schon dieses konkrete Angebot, zumindest darüber nachdenken zu wollen?

    Kemfert: Na ja, RWE hat die Möglichkeiten dazu, denn jeder Konzern muss ja immer schauen, wo sind auch wirklich Möglichkeiten, im Zuge aller Restriktionen, die da natürlich sind, im Konzern auch Möglichkeiten auszuloten. Das, glaube ich, kann RWE schon. Es ist ja so, dass gerade die großen vier Energiekonzerne auch hohe Gewinne gemacht haben in der Vergangenheit und jetzt auch die Möglichkeit haben, dass sie diese hohen Preissteigerungen nicht unbedingt weitergeben müssen. Und das macht RWE derzeit.

    Dobovisek: Bedeutet das aber auch gleichzeitig, Frau Kemfert, dass die Strompreise insgesamt schon so hoch sind, dass genügend übrig bleibt für die Stromkonzerne?

    Kemfert: Also die Konzerne hatten ja auch in der Vergangenheit immer auch die Möglichkeit, dass sie entsprechend hohe Gewinne abschöpfen können, die Produktionskosten waren niedrig, die Strompreise an der Börse entsprechend hoch, und da wurden ja auch in der Vergangenheit hohe Gewinne gemacht. Das ändert sich jetzt ein wenig, gerade weil die Energiewirtschaft ja umgestellt wird, neue Kraftwerke gebaut werden, erneuerbare Energien ausgebaut werden, die Netze ausgebaut werden. Aber die großen Konzerne haben immer noch genügend Möglichkeiten, das auch entsprechend zu begleiten.

    Dobovisek: Bayerns CSU-Finanzminister Markus Söder kommt da jetzt um die Ecke mit einer gesetzlich verankerten Strompreisbremse. Wäre eine solche Deckelung auf einem liberalisierten Strommarkt rechtlich überhaupt möglich?

    Kemfert: Ja, ob es rechtlich möglich ist, das müssen die Juristen entscheiden, ich halte es aber auch insgesamt für fragwürdig, ob man so was machen sollte, denn die Preise sollen sich ja noch immer am Markt bewegen. Jetzt haben wir den Ausbau oder den Umbau des Energiesystems, das muss man überlegen, wie weit man die Kosten verteilt und auch fair verteilt, das heißt einerseits die Privathaushalte, die dazu ihren Beitrag leisten, aber eben halt auch Unternehmen oder auch andere, man kann ja auch andere Denkmodelle haben, wie man das entsprechend unterstützt.

    Dobovisek: Wie könnten diese Denkmodelle aussehen?

    Kemfert: Ja, in der Vergangenheit zum Beispiel bei der Energieversorgung haben wir ja schon immer auch entsprechend den Staat mit einbezogen über Steuern oder Abgaben, das fiel nur nicht so besonders auf. Bei der Kohle haben wir das getan, bei der Atomwirtschaft haben wir das getan, jetzt machen wir es über den Strompreis, und da kann man natürlich auch drüber nachdenken, wie weit der Staat dann auch stärker sich einbringt. Also hier geht es letztendlich auch um eine faire Kostenverteilung.

    Dobovisek: Wie hoch sind denn, wenn wir das mal grob zusammenfassen wollen, die Kosten überhaupt, die verteilt werden müssen? Weil das, was uns als Verbraucher zu Hause mit den Strompreisen erreicht, ist ja tatsächlich nur ein kleiner Teil dessen.

    Kemfert: Ja, aber es ist im Prinzip das, was jetzt ausgegeben wird für die erneuerbaren Energien, das sind ungefähr 20 Milliarden Euro im Jahr, was jetzt finanziert wird. Nur ein Vergleich: Eine Erhöhung des Ölpreises von 100 auf 120 Dollar pro Barrel hat ungefähr diese Größenordnung von 20 Milliarden in einem Halbjahr an zusätzlichen Kosten für uns - also das in der Relation. Aber natürlich muss man sehen, dass sich jetzt noch weitere Kosten ergeben werden pro Jahr, jetzt für den Umbau in den nächsten 20 Jahren, und da werden auch entsprechend hohe Beträge entstehen, die wir dann auch entsprechend verteilen müssen.

    Dobovisek: Sind das Beträge, die überhaupt, ja, grob abschätzbar sind?

    Kemfert: Ja, sie sind schon abschätzbar, sie sind vor allen Dingen auch transparent, weil man ja weiß, wie viel die erneuerbaren Energien kosten. Man weiß auch, wie hoch die Netzentgelte sein werden, ungefähr in einem Rahmen, also das sind keine unbekannten Größen. Nur ist es ein Trugschluss, anzunehmen, dass wir auch ohne Energiewende keine Kosten hätten, denn der Umbau des Energiesystems müsste sowieso stattfinden. Die Kohlekraftwerke sind alt, die müssen erneuert werden. Auch Atomkraftwerke können nicht ewig am Netz bleiben. Also da würden auch Kosten entstehen, wahrscheinlich in einer ähnlichen Größenordnung, nur darüber spricht keiner.

    Dobovisek: Sie sagen, Frau Kemfert, die Kosten müssten fair verteilt werden, die FDP fordert nun, die Steuern auf Strom zu senken. Welche Auswirkungen hätte das?

    Kemfert: Ja, im Prinzip könnte man darüber nachdenken, ob man den Grundfreibetrag der Stromsteuer erhöht, das heißt, es würden alle davon profitieren, auch reichere Haushalte. Wenn man wirklich arme Haushalte entlasten will, müsste man andere Wege finden. Außerdem habe ich auch Sorge, ob diese gesunkene Steuer wirklich bei den Haushalten ankommt, denn der Endkundenpreis wird ja von ganz vielen Komponenten bestimmt, und das könnten die Konzerne auch ausnutzen, dass sie entsprechend die Preise trotzdem erhöhen und der Verbraucher hätte da keine Vorteile. Und man muss sehen, dass diese Stromsteuer auch genutzt wird zur Finanzierung der Rentenbeiträge, dann würde man an anderer Stelle wieder was erhöhen. Also da wäre dem Verbraucher nicht wirklich genützt.

    Dobovisek: Dann kommen wir noch einmal zurück zu einem Punkt, den Sie vorhin bereits angeschnitten haben: die Wirtschaft, die Unternehmen, die erhalten, zumindest energieintensive Betriebe, eine Ermäßigung bis eine Befreiung auf die EEG-Umlage. Bayern fordert weitere Ausnahmen, vor allem für das Handwerk und den Mittelstand. Sind solche Ausnahmen Röslers Geschenke an die Wirtschaft, wie die Grünen sagen, oder notwendiges Übel der Energiewende?

    Kemfert: Ja, auf der einen Seite machen sie schon Sinn, gerade für solche Unternehmen, die wirklich im internationalen Wettbewerb stehen und sehr, sehr hohe Stromkosten haben, das heißt, in einer Größenordnung von zehn bis 15 Prozent des Umsatzes. Diese Unternehmen gibt es in Deutschland, die will man ja auch halten, und das macht auch Sinn, die auszunehmen. Die Ausnahme jetzt zu erweitern auf alle möglichen Unternehmen, muss man sich gut überlegen, weil am Ende bleiben ja immer weniger dann übrig, die das alles alleine zahlen müssen, nämlich die Privathaushalte, und das kann natürlich auch nicht richtig sein. Dann müsste man wirklich, wenn man diese Konzerne so stark subventionieren will, dann überlegen, dass man wirklich ihnen eine Subvention gibt, die dann aus dem Staatshaushalt fließen müsste.

    Dobovisek: Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Vielen Dank für das Gespräch!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.