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Kemmer: Athen ist wichtig für die Euro-Zone

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Banken, Michael Kemmer, zeigt sich zuversichtlich im Hinblick auf die Beteiligung privater Gläubiger am nächsten Milliarden-Paket für Griechenland: "Ich gehe davon aus, dass alle mit von der Partie sind."

Michael Kemmer im Gespräch mit Dirk Müller | 21.06.2011
    Dirk Müller: Angela Merkel ist wieder einmal eingeknickt. Die Kanzlerin lässt sich von Nikolas Sarkozy über den Tisch ziehen. Wir Deutschen verlieren in der EU immer mehr an Einfluss. Die Kritik der Opposition und vieler Kommentatoren an der Griechenland-Politik der schwarz-gelben Koalition ist eindeutig, vor allem mit Blick auf den Plan von Wolfgang Schäuble, die privaten Gläubiger am nächsten Milliarden-Paket substanziell zu beteiligen. Das soll jetzt zwar geschehen, nach der Entscheidung der Euro-Finanzminister, aber eben auf freiwilliger Basis. Die Banken dürfen jetzt selbst entscheiden, ob sie mitmachen oder nicht. – Darüber sprechen wollen wir nun mit Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Banken. Guten Morgen!

    Michael Kemmer: Guten Morgen!

    Müller: Herr Kemmer, sind die Banken mit von der Partie?

    Kemmer: Davon gehe ich aus! Es ist jeder sich der Verantwortung bewusst. Es ist sich jeder darüber bewusst, dass der Euro sehr, sehr wichtig ist, dass Griechenland sehr, sehr wichtig ist für die Euro-Zone, dass es unbedingt notwendig ist, hier Stabilisierungsmaßnahmen einzuleiten, und da wird sich keiner drücken. Ich gehe davon aus, dass alle mit von der Partie sind.

    Müller: Um das noch mal festzuhalten: Die Banken werden sich also freiwillig beteiligen?

    Kemmer: Ich gehe davon aus, wenn das Gesamtpaket stimmt, das hier geschnürt wird – und das muss ja sehr viele Fassetten enthalten -, dass es dann eine Beteiligung aller Gläubiger geben wird, denn wie gesagt: Es ist sich jeder bewusst, dass er hier eine große Verantwortung für die große und ganze Lösung hat.

    Müller: Wie viele Milliarden kommen auf die Geldinstitute zu?

    Kemmer: Das ist schwer einzuschätzen. Es gibt ja auch unterschiedliche Zahlen über das Gesamt-Exposure. Ich glaube, die deutschen Banken sind in Griechenland in einem überschaubaren Maß investiert. Ich glaube auch, dass jeder sich schon bewusst ist, dass die Situation in Griechenland schwierig ist und dass es da durchaus auch zu Abschreibungen kommen kann. Das wird keinen sehr überraschen. Und deshalb wie gesagt gehe ich davon aus, dass es eine grundsätzliche Bereitschaft gibt, an einem vernünftigen Paket, das aber eben auch die richtigen politischen Schritte enthalten muss, mitzuwirken.

    Müller: Sagen Sie uns, welche politischen Schritte notwendig sind aus Ihrer Sicht?

    Kemmer: Na gut, das ist ja schon vielfach diskutiert worden. Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt zunächst mal in Athen. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass Athen die Schritte, die jetzt von der Troika vorgegeben worden sind – Troika heißt Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank und EU-Kommission -, dass diese Schritte, die hier analysiert und vorgegeben worden sind, auch von den Griechen tatsächlich umgesetzt werden, und da ist es wichtig, dass es auch eine politische Einigkeit gibt in Athen. Das schaut im Moment nicht danach aus, aber ich glaube, das ist der erste Schritt, der getan werden muss, dass sich die Griechen bewusst sind, dass sie hier keine Alternative haben und letztendlich auch weiterhin ihre Wirtschaft stabilisieren müssen, ihre Wirtschaft konsolidieren müssen und auch strikte Haushaltsdisziplin wahren müssen. Das ist das Wichtigste und das erste.

    Müller: Herr Kemmer, wenn man vielen Kritikern folgt, könnte man jetzt auch sagen, auch die Banken haben nichts dagegen, wenn die Griechen sich kaputtsparen.

    Kemmer: Nein, nein! Kaputtsparen ist hier sicherlich falsch. Es hat keinen Sinn, eine Spirale in Gang zu setzen, die das Ganze nach unten dreht. Aber Griechenland hat noch sehr, sehr viele Möglichkeiten, die eben nicht kaputtsparen bedeuten. Griechenland hat viele Möglichkeiten, seinen Staatsapparat effizienter zu gestalten. Da geht es zum Beispiel darum, dass man Investitionsvorhaben beschleunigt, dass man die Genehmigungszeiten verkürzt, dass man die Steuererhebung verbessert. Es geht noch gar nicht mal darum, unbedingt Steuern zu erhöhen, aber die müssen einfach die Steuergesetze, die sie schon haben, konsequent umsetzen. Und es gibt eine ganze Reihe von Dingen, Privatisierung ist auch zu nennen, Griechenland hat einen sehr, sehr starken staatlichen Sektor, die Hälfte der griechischen Wirtschaft ist angeblich in staatlicher Hand. Da kann man sehr, sehr viel tun, ohne dass man hier kaputt spart, und ohne, dass man hier eine weitere Abwärtsspirale in Gang setzt, und ich glaube, da sind die Griechen in der Pflicht, und ich bin auch fest davon überzeugt, dass sie das wissen und dass sie das auch tun werden.

    Müller: Gehen wir, Herr Kemmer, noch einmal auf die Situation der deutschen Banken ein. Wenn die sich beteiligen, da geht es ja, wenn wir das richtig verstanden haben, darum, unter anderem die Staatsanleihen, in die man ja investiert hat, möglicherweise zu verlängern. Ich frage da noch mal nach: Über welches Finanzvolumen reden wir da?

    Kemmer: Also nach dem neuesten Bericht der Bundesbank sind 18 Milliarden von den deutschen Banken ausgeliehen worden an Griechenland. Die Zahlen sind nicht ganz stabil, da mischen sich ein paar Elemente, in den 18 Milliarden sind auch drin acht Milliarden, die von der staatseigenen KfW, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, ausgelegt worden sind, im Rahmen des ersten Rettungspakets. Die können sie da eigentlich nicht zählen. Daneben gibt es aber auch Gelder, die in der sogenannten Bad Bank, der Hypo Real Estate, liegen, die werden in der Statistik wieder nicht erfasst, weil das keine Bank mehr ist. Also sagen wir mal, es ist eine Größenordnung, die sich irgendwo zwischen 10 und 20 Milliarden bewegen wird.

    Müller: Zwischen 10 und 20 Milliarden. Das können Sie schultern? Ich meine, es hat ja im Vorfeld in den letzten Wochen viele, viele Warnungen gegeben, auch von führenden Bankvertretern, die da sagen, dann ist die nächste Finanzkrise da.

    Kemmer: Das ist völlig richtig, aber das bezog sich eben auf einen zwangsweisen Haircut, einen zwangsweisen Abschlag, weil der eben große Ansteckungseffekte haben könnte. Deswegen ist es ja auch sehr richtig, dass die Politik im Moment sagt, es muss eine Beteiligung der Gläubiger geben, es muss eine Beteiligung aller Gläubiger geben, aber eben auf privater Basis, um zu vermeiden, dass diese Ansteckungseffekte kommen und dass eine weitere deutliche Verunsicherung der Finanzmärkte erfolgt. Das will ja keiner. Und für eine solche private Maßnahme, wenn die Bedingungen stimmen, stehen die Gläubiger mit Sicherheit zur Verfügung.

    Müller: Sie müssen uns noch einmal helfen, wie das in der Praxis dann läuft. Das heißt, die Anleihen, die gezeichnet worden sind, in die die Banken investiert haben, die werden einfach verlängert. Das heißt, die griechische Regierung bekommt einen Aufschub, zahlt das Ganze ein Jahr, zwei Jahre später zurück.

    Kemmer: Da gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, und da ist es ganz wichtig, dass sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen. Da muss die Politik am Tisch sein, da müssen die Banken am Tisch sein, die Fonds, die Versicherungen, das sind ja sehr viele Beteiligte, und die müssen alle Möglichkeiten im Detail durchsprechen, und wie gesagt, da gibt es viele denkbare intelligente Möglichkeiten. Sie haben jetzt eine angesprochen, die Laufzeitverlängerung. Es gibt da sicherlich auch noch andere, und da will ich den Fachleuten auch gar nicht vorgreifen. Wichtig ist, dass sie sich zusammensetzen, dass sie ein gemeinsames Ziel haben, und das gemeinsame Ziel heißt, wir retten Griechenland, wir retten den Euro, und dieses Ziel haben alle. Das ist ja der große Vorteil. Da wird sich keiner drücken, da wird jeder mitmachen, wenn es hier um ein vernünftiges Gespräch geht. Und wie gesagt, es gibt ganz, ganz viele Möglichkeiten, die man hier tun kann, wenn die Schrittfolge stimmt, wenn die Griechen mit dabei sind. Da ist mir nicht bange.

    Müller: Jetzt hat es auch aus den Reihen der Banken immer wieder die Forderung gegeben, wenn wir da mitmachen, dann brauchen wir definitiv bestimmte Anreize. Wie sollen die aussehen?

    Kemmer: Dass Anreize gegeben werden müssen, ist verständlich, denn letztlich geht es ja darum, wenn ihnen fremdes Geld anvertraut worden ist – und das gilt ja für die Banken genauso wie die Versicherungen, genauso wie für die Pensionsfonds -, dann haben sie natürlich eine Verantwortung für dieses anvertraute Kapital. Das heißt also, sie müssen sicherstellen, dass sie mit einer Lösung, die sie erarbeiten, wirtschaftlich nicht schlechter stehen als vor dieser Lösung.

    Müller: Also staatliche Garantien zum Beispiel?

    Kemmer: Das wäre eine denkbare Möglichkeit. Nur es ist so: jeder ist, wie ich vorhin schon sagte, sich bewusst, dass Griechenland in Schwierigkeiten ist und dass die Anlagen in griechischen Papieren, die er in den Büchern hat, im Moment hoch risikobehaftet sind, und von diesem Ausgangspunkt aus ist es sicherlich eine sehr gute Diskussionsbasis, auch an der einen oder anderen Stelle zu verzichten, zu verlängern, was auch immer, wenn es eben ein Gesamtpaket gibt, das passt, und da gibt es Möglichkeiten.

    Müller: Haben Sie Erkenntnisse, Zahlen darüber, Herr Kemmer, wie viel die Banken an der Griechenland-Krise in den vergangenen Monaten verdient haben?

    Kemmer: Da gibt es keine Erkenntnisse dafür. Ich gehe aber davon aus, dass das mit Sicherheit kein Überschussgeschäft war, denn die Kurse der griechischen Anleihen sind ja in den letzten Monaten in den Keller gegangen. Das heißt, das hat zu Abschreibungen geführt, zumindest bei den Beständen, die im Handelsbestand sind, und diese Abschreibungen laufen natürlich sofort gegen die Gewinn- und Verlustrechnung. Das heißt also, da ist im Moment mit seinen Griechenland-Anlagen sicherlich niemand glücklich. Hinzu kommt, dass die griechischen Staatsanleihen ja auch nur eine sehr, sehr geringe Rendite gebracht haben vor der Finanzkrise, als sie gekauft worden sind. Das ist ein Teil des Problems, dass der Risikoaufschlag, Spread, wie man Neudeutsch sagt, kaum höher war als der Risikoaufschlag für die Bundesanleihen, weil jeder davon ausgegangen ist, dass innerhalb des Euro-Raums die Staatsanleihen fast ein gleiches Sicherheits-Level aufweisen, und das war ein Trugschluss, wie wir jetzt sehen. Das heißt also, für keinen, der sich in diesen Anleihen engagiert hat, ist das ein Geschäft, das ihm wirklich Freude gemacht hat.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Banken. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben!

    Kemmer: Gerne!

    Müller: Auf Wiederhören!

    Links bei dradio.de:
    Schäuble: Griechenland muss die Bedingungen erfüllen
    Der Bundesfinanzminister nennt Bedingungen für die Auszahlung des nächsten Hilfspakets (DLF)

    Merkel und Sarkozy: Private Gläubiger sollen bei Griechenland-Rettung helfen -
    Beteiligung soll aber freiwillig bleiben