Jörg-Uwe Hahn: Guten Morgen, Herr Barenberg!
Jasper Barenberg: Herr Hahn, wir haben es gerade gehört: Die Länder sind von Anfang an intensiv in die europäische Gesetzgebung eingebunden heute schon, jedes Bundesland hat eine Vertretung in Brüssel, Beobachter der Länder sitzen in jedem EU-Ministerrat, die Bundesregierung ist verpflichtet, die Interessen der Länder zu berücksichtigen. Warum reicht das Ihnen jetzt nicht mehr aus?
Hahn: Nun, es geht ja nicht um die persönliche Auffassung von Jörg-Uwe Hahn und auch nicht die der hessischen Landesregierung, sondern unser höchstes Verfassungsgericht hat in Karlsruhe entschieden und hat gesagt ja zu Lissabon, das finde ich sehr, sehr gut, aber nein zu dem Begleitgesetz. Und das Begleitgesetz - das ist eine Formel, die unsere Zuhörer bestimmt nur ganz, ganz schwer verstehen, ich will es einmal zusammenfassen - stellt bisher klar, dass eigentlich Bundestag und der Bundesrat wenig Rechte hat, sondern dass die Bundesregierung als die Repräsentanz unseres Landes außerhalb der Staatsgrenzen letztlich entscheiden kann, was es für richtig hält. Das hält das Verfassungsgericht für verfassungswidrig und ich halte es für politisch auch klug, jetzt diese Entscheidung aufzunehmen.
Schauen Sie, Deutschland gibt Souveränitätsrechte ab. Souveränitätsrechte sind bei uns aufgebaut: Teilweise ist die Gesetzgebungskompetenz beim Bund, teilweise bei den Ländern, und dort, wo es um hoheitliche, souveräne Aufgaben der Länder geht, muss der Bundesrat auch mit bestimmen und letztlich sogar letztentscheiden dürfen.
Barenberg: Ich habe Sie also richtig verstanden: Nicht Sie haben Mängel gesehen in der derzeitigen Praxis, sondern erst Nachhilfestunden nehmen müssen vom Bundesverfassungsgericht?
Hahn: Nein, nein, das ist jetzt sehr, sehr verkürzt. Wir haben natürlich als Länder im Rahmen der Diskussion der Föderalismuskommission I, also vor fünf, sechs Jahren schon heftige Debatten mit dem Bundestag und mit der Bundesregierung geführt. Wir haben eine Änderung des entsprechenden Artikels des Grundgesetzes aber leider nicht so erreicht, dass unsere Rechte dort festgeschrieben worden sind. Jetzt hat uns das Bundesverfassungsgericht geholfen, und das hat nichts mit der Lobbyarbeit zu tun, die Landesvertretungen, natürlich auch die hessische, in Brüssel machen, wovon Frau Simon eben zu Recht gesprochen hat.
Barenberg: In welchen Fällen hat die Bundesregierung in der Vergangenheit denn gegen die Belange oder Interessen der Länder entschieden?
Hahn: Das ist eine Vielzahl, Sie haben einige eben schon aufgezählt im Bereich des Umwelt- und des Naturschutzes, ich kann Ihnen als Justizminister, der auch mit der Innenpolitik in seinem politischen Leben schon lange beschäftigt war, ebenfalls eine Vielzahl von Dingen nennen. Wir haben bisher die Vorstellung, dass ein Bundesminister in Brüssel mehr zu sagen hat als ein Landesminister. Und das wird sich jetzt ändern. Wir müssen uns einigen vorher zu Hause und das können wir auch, das zeigt Österreich, die ja auch eine föderale Struktur haben, dass es geht.
Also, eigentlich ist diese Entscheidung von Karlsruhe ein sehr dezenter, um nicht zu sagen ein sehr kräftiger Hinweis an die Bundespolitik: Arrangiert euch zum einen mit den Bundesländern und arrangiert euch zum Zweiten auch mit eurem Parlament, dem Bundestag.
Barenberg: Über neue Verordnungen oder Richtlinien aus Brüssel wird ja über mehrere Jahre gewöhnlich verhandelt und diskutiert. Die Bundesländer haben jede Gelegenheit, daran teilzunehmen und darauf Einfluss zu nehmen, auch das haben wir ja gerade von unserer Korrespondentin gehört. Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, was sich konkret in der Praxis jetzt ändern soll.
Hahn: Es ist richtig, dass viele Brüsseler Entscheidungen lange vorbereitet sind. Es ist aber - sorry, wenn ich das sage - falsch, dass diese auch lange dann in der Entscheidung schon auf der Spur sind. Brüssel lebt davon, dass sehr häufig sehr kurzfristig Entscheidungen getroffen werden, in diesen berühmten Nachtsitzungen, und da kann es nicht sein, dass zum Beispiel bei der Hoheit über Kultur oder Hoheit über Innenpolitik, die nun einmal bei den Ländern liegt, dann letztlich der zuständige Bundesminister entscheidet und nicht in ein enges Konsultations- und Abstimmungsverfahren mit den Ländern kommt. Wir müssen einfach lernen - und das hat Karlsruhe uns allen im Stammbuch geschrieben: Arbeitet zusammen. Wir haben eine komplizierte Verfassungskonstruktion in Deutschland, das kann man aber lösen.
Barenberg: Und jetzt wird sie noch komplizierter, wenn Sie weitere Mitspracherechte wollen?
Hahn: Ich glaube nicht, dass sie komplizierter wird. Sie wird nur anders, sicherlich für einen Bundesminister etwas, ich sage das jetzt in Gänsefüßchen, ärgerlich, dass er noch die Länder mit einbeziehen muss, aber so ist es nun einmal. Wir als Länder haben Kernkompetenzen der Gesetzgebung im Bereich von Bildung, von Medien, von Kultur, von Innenpolitik, und diese Kernkompetenz kann nicht einfach nach Brüssel über Berlin abgegeben werden, das müssen wir dann schon selbst machen.
Barenberg: Die CSU hat ja an diesem Wochenende versucht, ihren internen Streit beizulegen und es ist ja auch augenscheinlich gelungen mit der Formel, dass die Bundesländer das Recht erhalten sollen, zu jeder europäischen Entscheidung eine Stellungnahme abzugeben und so sie das denn tun, soll sie für die Bundesregierung bindend sein. Ist das auch Ihre Position?
Hahn: Die hessische Landesregierung hat am vergangenen Freitag ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt, in dem wir auf der einen Seite unsere Europafreundlichkeit noch einmal festschreiben -das heißt, wir können nicht mit unseren Verfahrensproblemen in Deutschland, wenn es denn Probleme sind, alles hemmen -, auf der anderen Seite aber eine Verpflichtung, dass bei Souveränitätsrechten der Länder die Länder auch mitbestimmen. Das heißt im praktischen Leben: Wir schlagen vor, dass eine entsprechende Europakammer, bestehend aus Bundestag und Bundesrat, eingerichtet wird, die ad hoc auch entscheiden kann, sodass derjenige, der in Brüssel endverhandelt, dann trotzdem immer wieder die Legitimation auch der Länder und - ich wiederhole, weil wir reden darüber nicht - des Bundestages hat. Das war ja eines der noch wichtigeren Dinge, die Karlsruhe geschrieben hat, indem sie gesagt hat: Es kann nicht sein, dass nur die Exekutive in Europa vorhanden ist, die Legislative, die vom Volk gewählte, muss auch mit entscheiden können.
Barenberg: Es wird also in Zukunft ein imperatives Mandat, nach Ihrem Willen, geben für die Bundesregierung?
Hahn: Es wird dann ein imperatives Mandat geben, da unterscheiden wir uns von der CSU - ich darf ja auch nicht Bayern sagen, weil ich bisher noch nicht gehört habe, dass meine politischen Freunde in Bayern, die ja eine Koalition mit der CSU haben, das alles decken - wir unterscheiden uns darin, dass nicht überall ein imperatives Mandat gemacht wird, sondern in Dingen, die lange entschieden sind, die in einem wichtigen Entscheidungsprozess sind, wo aber nicht hoppla hopp gehandelt wird. Stellen Sie sich vor, da sitzt man nachts in Brüssel und verhandelt, und dann auf einmal muss man sich noch ein imperatives Mandat einholen. Das kann dann praktisch nicht funktionieren, also, eine Kombination aus Vorentscheidungen, aber dann letztlich eine Lösung, dass man in Brüssel nicht sagt: Deutschland schweigt, weil der Föderalismus ist dagegen.
Barenberg: Und Sie sagen: Das wird die Lage in Brüssel einfacher machen? Für mich klingt es danach, als würde alles noch viel komplizierter.
Hahn: Ich habe das Gefühl, wir sollten es mal austesten, und wir wissen von den Österreichern, dass es klappt. Sie haben ja gerade heute Morgen in den Medien auch einiges von dem österreichischen Außenminister Herrn Spindelegger gehört und gelesen, der das beschreibt. Und ich finde es schon eine Ungezogenheit, wie sich unser Bundesaußenminister am Wochenende geäußert hat, indem er die hessischen und die CSU-Bedenken zur Seite gewischt hat und Frau Merkel aufgefordert hat, in ihrem Stall für Ordnung zu sorgen. Das ist nicht die Art und Weise, wie ein Außenminister handelt, das ist die Art und Weise, wie ein, tja, fast schon gescheiterter Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf agiert.
Barenberg: Sie haben Österreich erwähnt. Dort wurde bisher nur ein einziges Mal ein Veto eingelegt. Wird das auch in Deutschland der Fall sein? Mit anderen Worten: Wird sich in der Praxis gar nichts ändern, so wie die Bundesregierung das bisher auch annimmt?
Hahn: Sie fragen immer wieder mit einem Hintergrund, den ich nicht nachvollziehen kann. Wenn sich die Regeln ändern, dann ändern sich auch die Menschen, und dann wird sozusagen freundlicher, länder- und bundestagsfreundlicher von den zuständigen Europaministerialen in der Bundesverwaltung agiert. Dann werden die vorher fragen. Die machen es heute zu einem Großteil nicht, und bitte verwechseln Sie nicht die - ich habe es vorhin als Lobbyarbeit umschrieben -, die Arbeit der Landesvertretungen. Das ist unser Ohr in Brüssel, da hören wir, aber da können wir nichts beeinflussen, sondern beeinflussen können wir es nur über die nationale Politik, und da war bisher in aller Regel eine "Nö, wir sind daran nicht interessiert, was die Länder sagen, wir wollen auch nicht den Bundestag hören, wir entscheiden das schon selber"-Mentalität. Die wird sich ändern, und dann wird es wie in Österreich ganz wenig Konfliktpunkte geben. Nur: Heute haben die Länder und der Bundestag dieses Werkzeug des "Hallo, aufpassen, wir sind mit zu beteiligen" nicht in der Hand.
Barenberg: Heute morgen in den Informationen am Morgen, der hessische Europaminister Jörg-Uwe Hahn, FDP-Politiker, ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
Jasper Barenberg: Herr Hahn, wir haben es gerade gehört: Die Länder sind von Anfang an intensiv in die europäische Gesetzgebung eingebunden heute schon, jedes Bundesland hat eine Vertretung in Brüssel, Beobachter der Länder sitzen in jedem EU-Ministerrat, die Bundesregierung ist verpflichtet, die Interessen der Länder zu berücksichtigen. Warum reicht das Ihnen jetzt nicht mehr aus?
Hahn: Nun, es geht ja nicht um die persönliche Auffassung von Jörg-Uwe Hahn und auch nicht die der hessischen Landesregierung, sondern unser höchstes Verfassungsgericht hat in Karlsruhe entschieden und hat gesagt ja zu Lissabon, das finde ich sehr, sehr gut, aber nein zu dem Begleitgesetz. Und das Begleitgesetz - das ist eine Formel, die unsere Zuhörer bestimmt nur ganz, ganz schwer verstehen, ich will es einmal zusammenfassen - stellt bisher klar, dass eigentlich Bundestag und der Bundesrat wenig Rechte hat, sondern dass die Bundesregierung als die Repräsentanz unseres Landes außerhalb der Staatsgrenzen letztlich entscheiden kann, was es für richtig hält. Das hält das Verfassungsgericht für verfassungswidrig und ich halte es für politisch auch klug, jetzt diese Entscheidung aufzunehmen.
Schauen Sie, Deutschland gibt Souveränitätsrechte ab. Souveränitätsrechte sind bei uns aufgebaut: Teilweise ist die Gesetzgebungskompetenz beim Bund, teilweise bei den Ländern, und dort, wo es um hoheitliche, souveräne Aufgaben der Länder geht, muss der Bundesrat auch mit bestimmen und letztlich sogar letztentscheiden dürfen.
Barenberg: Ich habe Sie also richtig verstanden: Nicht Sie haben Mängel gesehen in der derzeitigen Praxis, sondern erst Nachhilfestunden nehmen müssen vom Bundesverfassungsgericht?
Hahn: Nein, nein, das ist jetzt sehr, sehr verkürzt. Wir haben natürlich als Länder im Rahmen der Diskussion der Föderalismuskommission I, also vor fünf, sechs Jahren schon heftige Debatten mit dem Bundestag und mit der Bundesregierung geführt. Wir haben eine Änderung des entsprechenden Artikels des Grundgesetzes aber leider nicht so erreicht, dass unsere Rechte dort festgeschrieben worden sind. Jetzt hat uns das Bundesverfassungsgericht geholfen, und das hat nichts mit der Lobbyarbeit zu tun, die Landesvertretungen, natürlich auch die hessische, in Brüssel machen, wovon Frau Simon eben zu Recht gesprochen hat.
Barenberg: In welchen Fällen hat die Bundesregierung in der Vergangenheit denn gegen die Belange oder Interessen der Länder entschieden?
Hahn: Das ist eine Vielzahl, Sie haben einige eben schon aufgezählt im Bereich des Umwelt- und des Naturschutzes, ich kann Ihnen als Justizminister, der auch mit der Innenpolitik in seinem politischen Leben schon lange beschäftigt war, ebenfalls eine Vielzahl von Dingen nennen. Wir haben bisher die Vorstellung, dass ein Bundesminister in Brüssel mehr zu sagen hat als ein Landesminister. Und das wird sich jetzt ändern. Wir müssen uns einigen vorher zu Hause und das können wir auch, das zeigt Österreich, die ja auch eine föderale Struktur haben, dass es geht.
Also, eigentlich ist diese Entscheidung von Karlsruhe ein sehr dezenter, um nicht zu sagen ein sehr kräftiger Hinweis an die Bundespolitik: Arrangiert euch zum einen mit den Bundesländern und arrangiert euch zum Zweiten auch mit eurem Parlament, dem Bundestag.
Barenberg: Über neue Verordnungen oder Richtlinien aus Brüssel wird ja über mehrere Jahre gewöhnlich verhandelt und diskutiert. Die Bundesländer haben jede Gelegenheit, daran teilzunehmen und darauf Einfluss zu nehmen, auch das haben wir ja gerade von unserer Korrespondentin gehört. Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, was sich konkret in der Praxis jetzt ändern soll.
Hahn: Es ist richtig, dass viele Brüsseler Entscheidungen lange vorbereitet sind. Es ist aber - sorry, wenn ich das sage - falsch, dass diese auch lange dann in der Entscheidung schon auf der Spur sind. Brüssel lebt davon, dass sehr häufig sehr kurzfristig Entscheidungen getroffen werden, in diesen berühmten Nachtsitzungen, und da kann es nicht sein, dass zum Beispiel bei der Hoheit über Kultur oder Hoheit über Innenpolitik, die nun einmal bei den Ländern liegt, dann letztlich der zuständige Bundesminister entscheidet und nicht in ein enges Konsultations- und Abstimmungsverfahren mit den Ländern kommt. Wir müssen einfach lernen - und das hat Karlsruhe uns allen im Stammbuch geschrieben: Arbeitet zusammen. Wir haben eine komplizierte Verfassungskonstruktion in Deutschland, das kann man aber lösen.
Barenberg: Und jetzt wird sie noch komplizierter, wenn Sie weitere Mitspracherechte wollen?
Hahn: Ich glaube nicht, dass sie komplizierter wird. Sie wird nur anders, sicherlich für einen Bundesminister etwas, ich sage das jetzt in Gänsefüßchen, ärgerlich, dass er noch die Länder mit einbeziehen muss, aber so ist es nun einmal. Wir als Länder haben Kernkompetenzen der Gesetzgebung im Bereich von Bildung, von Medien, von Kultur, von Innenpolitik, und diese Kernkompetenz kann nicht einfach nach Brüssel über Berlin abgegeben werden, das müssen wir dann schon selbst machen.
Barenberg: Die CSU hat ja an diesem Wochenende versucht, ihren internen Streit beizulegen und es ist ja auch augenscheinlich gelungen mit der Formel, dass die Bundesländer das Recht erhalten sollen, zu jeder europäischen Entscheidung eine Stellungnahme abzugeben und so sie das denn tun, soll sie für die Bundesregierung bindend sein. Ist das auch Ihre Position?
Hahn: Die hessische Landesregierung hat am vergangenen Freitag ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt, in dem wir auf der einen Seite unsere Europafreundlichkeit noch einmal festschreiben -das heißt, wir können nicht mit unseren Verfahrensproblemen in Deutschland, wenn es denn Probleme sind, alles hemmen -, auf der anderen Seite aber eine Verpflichtung, dass bei Souveränitätsrechten der Länder die Länder auch mitbestimmen. Das heißt im praktischen Leben: Wir schlagen vor, dass eine entsprechende Europakammer, bestehend aus Bundestag und Bundesrat, eingerichtet wird, die ad hoc auch entscheiden kann, sodass derjenige, der in Brüssel endverhandelt, dann trotzdem immer wieder die Legitimation auch der Länder und - ich wiederhole, weil wir reden darüber nicht - des Bundestages hat. Das war ja eines der noch wichtigeren Dinge, die Karlsruhe geschrieben hat, indem sie gesagt hat: Es kann nicht sein, dass nur die Exekutive in Europa vorhanden ist, die Legislative, die vom Volk gewählte, muss auch mit entscheiden können.
Barenberg: Es wird also in Zukunft ein imperatives Mandat, nach Ihrem Willen, geben für die Bundesregierung?
Hahn: Es wird dann ein imperatives Mandat geben, da unterscheiden wir uns von der CSU - ich darf ja auch nicht Bayern sagen, weil ich bisher noch nicht gehört habe, dass meine politischen Freunde in Bayern, die ja eine Koalition mit der CSU haben, das alles decken - wir unterscheiden uns darin, dass nicht überall ein imperatives Mandat gemacht wird, sondern in Dingen, die lange entschieden sind, die in einem wichtigen Entscheidungsprozess sind, wo aber nicht hoppla hopp gehandelt wird. Stellen Sie sich vor, da sitzt man nachts in Brüssel und verhandelt, und dann auf einmal muss man sich noch ein imperatives Mandat einholen. Das kann dann praktisch nicht funktionieren, also, eine Kombination aus Vorentscheidungen, aber dann letztlich eine Lösung, dass man in Brüssel nicht sagt: Deutschland schweigt, weil der Föderalismus ist dagegen.
Barenberg: Und Sie sagen: Das wird die Lage in Brüssel einfacher machen? Für mich klingt es danach, als würde alles noch viel komplizierter.
Hahn: Ich habe das Gefühl, wir sollten es mal austesten, und wir wissen von den Österreichern, dass es klappt. Sie haben ja gerade heute Morgen in den Medien auch einiges von dem österreichischen Außenminister Herrn Spindelegger gehört und gelesen, der das beschreibt. Und ich finde es schon eine Ungezogenheit, wie sich unser Bundesaußenminister am Wochenende geäußert hat, indem er die hessischen und die CSU-Bedenken zur Seite gewischt hat und Frau Merkel aufgefordert hat, in ihrem Stall für Ordnung zu sorgen. Das ist nicht die Art und Weise, wie ein Außenminister handelt, das ist die Art und Weise, wie ein, tja, fast schon gescheiterter Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf agiert.
Barenberg: Sie haben Österreich erwähnt. Dort wurde bisher nur ein einziges Mal ein Veto eingelegt. Wird das auch in Deutschland der Fall sein? Mit anderen Worten: Wird sich in der Praxis gar nichts ändern, so wie die Bundesregierung das bisher auch annimmt?
Hahn: Sie fragen immer wieder mit einem Hintergrund, den ich nicht nachvollziehen kann. Wenn sich die Regeln ändern, dann ändern sich auch die Menschen, und dann wird sozusagen freundlicher, länder- und bundestagsfreundlicher von den zuständigen Europaministerialen in der Bundesverwaltung agiert. Dann werden die vorher fragen. Die machen es heute zu einem Großteil nicht, und bitte verwechseln Sie nicht die - ich habe es vorhin als Lobbyarbeit umschrieben -, die Arbeit der Landesvertretungen. Das ist unser Ohr in Brüssel, da hören wir, aber da können wir nichts beeinflussen, sondern beeinflussen können wir es nur über die nationale Politik, und da war bisher in aller Regel eine "Nö, wir sind daran nicht interessiert, was die Länder sagen, wir wollen auch nicht den Bundestag hören, wir entscheiden das schon selber"-Mentalität. Die wird sich ändern, und dann wird es wie in Österreich ganz wenig Konfliktpunkte geben. Nur: Heute haben die Länder und der Bundestag dieses Werkzeug des "Hallo, aufpassen, wir sind mit zu beteiligen" nicht in der Hand.
Barenberg: Heute morgen in den Informationen am Morgen, der hessische Europaminister Jörg-Uwe Hahn, FDP-Politiker, ganz herzlichen Dank für das Gespräch!