Dienstag, 30. April 2024

Anti-Doping
Wie KI die Doping-Fahndung unterstützen kann

Künstliche Intelligenz verändert unser tägliches Leben und hält auch im Sport Einzug. Die KI sagt Leistungen voraus und hilft, Talente zu entdecken. Erste Ideen sind auch im Anti-Dopingkampf angekommen.

Von Sabine Lerche | 07.04.2024
USA TODAY Lisette Fernandez, eine Laborassistentin, bereitet Proben vor, die 2006 in einen Zymark Rapid Trace Extraktor gegeben werden. Das Labor des UCLA Olympic Analytical Laboratory unter der Leitung von Dr. Don Catlin ist das einzige von der Welt-Anti-Doping-Agentur akkreditierte Labor in den USA. Das Labor bietet einer Reihe von nationalen und internationalen Sportorganisationen Schulungen und Urintests an und betreibt ständige Forschung und Entwicklung, um mit den Fortschritten im Bereich Doping/Betrug Schritt zu halten.
Anti-Dopink und KI: Der Gedanke, dass KI-Technologie dort unterstützen könnte, wo Menschen an ihre Grenzen stoßen, ist weiterhin verlockend. (IMAGO / USA TODAY Network / IMAGO / Robert Hanashiro)
In the past year have you personally used a prohibited doping substance? – Piep – Have you ever seen a bus? – Piep “. So oder so ähnlich könnte sich der Telefonfragebogen anhören, der dem kanadischen Juristen Richard McLaren und seinem Team vorschwebt, um damit die Dopingfahndung effizienter zu machen.
Die Idee: Athleten und Athletinnen erhalten einen Telefonanruf von einem KI-Tool. Der Anruf dauert wenige Minuten und währenddessen beantworten die Athleten eine Reihe an Fragen – Fragen mit Doping-Kontext und banale Fragen wie: Haben Sie schon mal einen Bus gesehen?
„In der Stimme, das ist aus der Humanwissenschaft bekannt, finden sich Risiko-Hinweise. Aus denen lässt sich dann ein Risikolevel ablesen, je nachdem, wie die Frage beantwortet wurde", erklärt McLarens Kollege Martin Dubbey bei der internationalen Sportkonferenz Play the Game im Februar. Zweifel an einer solchen Methode gibt es.

Verhalten beim Lügen ist nicht vorhersehbar

Die Rechtspsychologin Kristina Suchotzki von der Universität Marburg glaubt nicht an die Tauglichkeit solcher Methoden. „Weil wir aus der Lügenforschung generell wissen, dass es keine so simplen Anzeichen für Lügen gibt. Also es gibt keine Verhaltensweisen und auch keine verbalen und nonverbalen - und da sind wir ja so ein bisschen bei der Stimme - Anzeichen, die darauf hinweisen, mit großer Sicherheit, ob eine Person lügt oder nicht.“
Suchotzki kennt Ansätze wie diese Mischung aus banalen und relevanten Fragen aus der Lügendetektion. Man erhofft sich dort, dass die riskanten Fragen Emotionen, Angst oder Nervosität auslösen und, dass das dann in der Stimme zu hören ist. Allerdings funktioniert die Methode nicht:
„Da weiß man einfach schon sehr, sehr lange - und es ist bekannt als der sogenannte Othello-Effekt -, dass es keinen Grund gibt, davon auszugehen, dass in einer Situation, wo ich irgendwie für etwas verdächtigt werde, nicht auch jemand, der nicht lügt, bestimmte Emotionen zeigen könnte. Und andersherum: Jemand, der lügt, vielleicht keine zeigt.“
Es ist nicht vorhersehbar, wie sich die einzelne Person in der Fragesituation verhält: Ein sauberer Athlet ist dann vielleicht nervöser als ein gedopter.

KI soll Risikobewertung machen

Es gehe aber gar nicht ums Lügen selbst, erklärt Forscher Martin Dubbey: „Es ist kein Lügendetektor. Es ist vielmehr eine Risikobewertung: Wie wahrscheinlich ist es, dass dieser Athlet gedopt hat?"
Mithilfe der KI wolle man die Athleten in unterschiedliche Risiko-Gruppen einteilen: kein Risiko, mittleres oder hohes Risiko. Es geht nicht um das direkte Entlarven als Dopingsünder, so Dubbey: „Das ist eher wie beim Flughafen, wenn man dort durch die Sicherheitskontrollen geht. Wenn man durchgeht und der Scanner piept, heißt das, dass man ein Terrorist ist? Nein, es heißt, dass die Security da noch mal genauer draufschaut, was der Auslöser ist.“
Das KI-Tool wäre also wie eine Assistenz, eine Art Vorauswahlsystem. Man könne im nächsten Schritt gezielt Athleten und Athletinnen mit mittlerem oder hohem Risiko auf Doping testen. Das spare Kosten und limitierte Test-Ressourcen und könne die Effizienz der Dopingkontrollen insgesamt verbessern. Laut McLaren beträgt die Aufdeckungsrate durch Dopingkontrollen weniger als ein Prozent, zugleich werden aber Gelder im dreistelligen Millionenbereich investiert.

Profisport: freiwillige oder verpflichtenden Datenfreigabe?

McLaren glaubt, dass die Athleten auch bei Telefonanrufen freiwillig mitmachen würden. Als Topathlet*innen seien sie dazu aber auch in gewisser Weise verpflichtet: „Wenn man in Sportwettkämpfen antreten möchte, dann muss man auch bereit sein, Informationen bereitzustellen und bei Überprüfungen zu kooperieren. Und dazu kann eben auch gehören, das eigene Handy oder andere elektronische Geräte bereitzustellen, die potenziell aufdeckenden Informationen haben, welche mittels Downloads analysiert werden.“

Frage nach konkreter Umsetzung

„Das Problem, was ich sehe, ist: Es gibt viele Ideen, sehr viele Ideen. Ich glaube auch viele gute Ideen, auf die wir aufbauen können. Die Idee von Richard McLaren ist sicherlich auch eine davon, um sie einfach mal auf den Tisch zu bringen und zu überlegen, wo kann die Reise eigentlich hingehen?"
Ordnet Eva Bunthoff, Vorstandsmitglied bei der NADA, der deutschen Anti-Doping-Agentur, ein. „Aber uns fehlen, glaube ich, zum einen diejenigen, die es hinterher umsetzen, und die, die das Ganze dann auch mathematisch umsetzen.“
KI könnte voreingenommen sein
Offene Fragen sind zum Beispiel: Was gibt es für Datenschutzauflagen, wie arbeitet die KI, wer hat ihren Algorithmus programmiert? McLaren und sein Team verweisen auf Tools aus Großbritannien. Dort nutzen Beamte den Einsatz von KI bei Entscheidungen im Bereich Sozialhilfe und Einwanderung, zum Teil mit heftiger Kritik und mit Diskriminierungsvorwürfen verbunden. Gerade ein mögliches Bias bei der KI sieht auch Forscherin Kristina Suchotzki problematisch. Und die Technologie könne auch nicht, was die Forschung bisher nie geschafft hat: eine eindeutige Lügenantwort identifizieren.