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KI im Kindergarten
Humanoide Roboter als Sprachlehrer

Noch vor dem Schulstart eine Fremdsprache lernen oder Kinder mit Migrationshintergrund sprachlich fördern: Eine Forschergruppe aus Pädagogen, Linguisten und Informatikern entwickelte eine KI als Sprachlehrer - und musste selbst sehr viel dabei lernen.

Von Nina Rink | 05.02.2019
    Eine Gruppe von Robotern blickt auf einen Bildschirm mit einem Roboter
    Die Sprachlern-Roboter können eine große Hilfe sein, wenn sie sich individuell an ihr Gegenüber anpassen können. (imago stock&people)
    Dieser Sprachlehrer weiß genau, was jedes einzelne Kind kann und was noch nicht. Er erkennt, wenn es überfordert oder abgelenkt ist und motiviert es, bei der Sache zu bleiben. Er ist nie genervt und wiederholt schwierige Vokabeln bei Bedarf auch ein zehntes oder elftes Mal.
    "The Monkey is behind the tree." – "The monkey is behind the tree."
    Dieser Sprachlehrer ist – ein Roboter. Etwa 80 Zentimeter groß, ausgestattet mit Mikrofonen, Kameras und Sensoren. Robin, der humanoide Roboter, soll Kinder im Vorschulalter beim Lernen einer Zweitsprache unterstützen. Das war zumindest das Ziel des EU-geförderten Projektes "L2Tor", an dem Forscherinnen aus Großbritannien, der Türkei, den Niederlanden und Deutschland mitwirkten. Darunter auch Stefan Kopp, Experte für künstliche Intelligenz an der Uni Bielefeld. Seine Aufgabe war es, den kommerziell verfügbaren NAO-Robotern der Firma Softbanks Robotics, soziales Verhalten beizubringen und an Kinder zu adaptieren. Denn:
    "Wenn es um Sprachlernen geht, ist es natürlich so, dass wir eigentlich ja nicht nur Wörter lernen oder Grammatik. Sondern wir lernen eigentlich eine soziale Technik, um mit anderen zu interagieren."
    Der Roboter soll sich durch maschinelles Lernen individuell auf das jeweilige Kind einstellen. Doch dafür braucht er Daten. Das heißt, er muss beispielsweise das non-verbale Verhalten der Kinder interpretieren können und daraus die passende Reaktion ableiten. Hier mussten die Wissenschaftler bei Null anfangen. Denn das Verhalten von Kindern lässt sich nicht so einfach vermessen.
    "Die größte Schwierigkeit ist es, dass Kinder extrem unterschiedlich sind. In der Art und Weise wie sie dem Roboter begegnen, in der Art und Weise wie sie sich ausdrücken, in der Art und Weise wie sie aufmerksam sind. Und auf diese ganzen unterschiedlichen Art und Weisen technisch zu reagieren, ist sehr, sehr schwierig. Weil aktuell wir natürlich Modelle bauen, die sozusagen für das Durchschnittskind eigentlich gedacht sind."
    Prototypentest im Feld
    Auch bei der Spracherkennung gab es zunächst Probleme: vorhandene Systeme, die primär mit Daten von Erwachsenen gefüttert worden sind, verstanden nicht, was die Kinder sagten.
    "Es zeigt sich, dass zum Beispiel die Spracherkenner, die auf riesengroßen Korpora von Erwachsensprachen zum Beispiel trainiert sind und da sehr gut funktionieren, wie wir wissen, bei Kindern zusammenbrechen."
    Zudem stellten die Forscher fest, dass die Sprachförderung in Kindergärten kaum standardisiert ist – und dementsprechend in jeder Gruppe und mit jeder Erzieherin anders gelernt wird. Drei Jahre lang versuchten die Projektpartner, diese Herausforderungen zu meistern. Sie analysierten Kinder und Erzieherinnen, erarbeiteten Lernspiele, entwickelten Modelle und testeten die Prototypen schließlich im Feld. Die Kinder arbeiten dabei an einem Tablet, der Roboter spricht und macht gleichzeitig begleitende Gesten. In zahlreichen Teilstudien wurden unterschiedliche Sprach- und Verhaltensweisen des Roboters ausprobiert und immer wieder optimiert.
    "Wir haben auch eine Studie gemacht, wie Kinder zum Beispiel die ja doch sehr maschinenhafte Aussprache eines Roboters aufnehmen, oder nicht. Man kann sich ja vorstellen, dass wenn man eine Sprache lernt, und ein Roboter oder ein Tablet mit einer synthetischen Stimme präsentieren einem diese Sprache, dass die Kinder diese Aussprache aufnehmen. Das hat sich übrigens nicht so bestätigt diese Sorge."
    Kein Roboter-Akzent
    Die Kleinen sprechen also nicht mit Roboter-Akzent. Die weiteren Ergebnisse waren durchwachsen, berichtet Kopp. Die Kinder lernen mit dem Roboter nicht schneller als mit dem Tablet allein. Sie können sich aber Vokabeln besser merken, wenn der humanoide Roboter dazu passende Gesten macht, beispielsweise einen Vogel nachahmt. Lernschwächere Kinder haben mehr Erfolg, wenn der Roboter ihnen erklärt, was er macht und warum. Und bei zweisprachigen Kindern kommen bilinguale Roboter besser an – auch wenn die Kinder mit einsprachigen Robotern mehr lernen. All diese Erkenntnisse halfen, das System nach und nach zu verbessern und die Kinder schnitten in anschließenden Sprachtests gut ab. Und je besser der Roboter sich anpasste, desto größer die Lernerfolge. Entsprechend groß war auch das Interesse in den Kindergärten. Weil für eine individuelle Sprachförderung oft die Zeit fehlt, waren die Pädagoginnen und Pädagogen offen für technische Unterstützung – auch wenn die Einführung des Roboters zunächst einmal Mehrarbeit erfordert.
    "Aber wir sehen, dass Technologien, wenn sie behutsam eingeführt und gut begleitet und immer auch in Betreuung und in Gegenwart eines Menschen, eingesetzt werden, mit diesen Kindern ein potenziell auch sehr hilfreiches neues Element in so einem Unterricht sein können."
    Der Roboter soll langfristig Lernpartner und Vokabeltrainer werden. Ein genauer Termin steht noch nicht fest, aber die Firma QMBT Solutions möchte in den kommenden ein bis zwei Jahren ein erstes Modell des Sprachroboters auf den Markt bringen. Voraussichtliche Kosten: Zwischen 8.000 und 10.000 Euro. Geld ließe sich damit sicherlich verdienen, meint Stefan Kopp. Doch er will lieber weiter forschen und die künstliche Intelligenz hinter Robin verbessern. Denn noch gebe es viel zu tun.
    "Das alles entwickelt zu haben, was wir brauchen, um wirklich einen richtig guten Roboter sozusagen in eine Lernsituation hineingeben zu können, so dass er gut und sinnvoll auf die Kinder auch reagieren kann, das dauert meiner Meinung nach mindestens noch zehn Jahre."