KI in der Schule
Mach du mal, ChatGPT!

ChatGPT, DeepL & Co. gehören für viele Schüler längst zum Schulalltag. Lehrkräfte fühlen sich dagegen oft überfordert und verunsichert. Während die einen das Potenzial von KI betonen, warnen andere vor Denkfaulheit und wachsender Ungleichheit.

    Ein Schüler sitzt vor einem Laptop und benutzt Chat-GPT. Vor ihm liegt ein gelbes Buch: "Woyzeck" von Büchner.
    Viele Schüler nutzen Chatbots wie ChatGPT oder Gemini längst regelmäßig, doch klare Regeln fehlen oft. Wie mit KI gearbeitet wird, hängt meist vom Engagement einzelner Lehrkräfte ab. (picture alliance / dpa / Philipp von Ditfurth)
    Künstliche Intelligenz (KI) ist im Klassenzimmer längst angekommen. Besonders textbasierte Chatbots wie ChatGPT oder Gemini sind beliebt. Schülerinnen und Schüler geben einen sogenannten Prompt, also eine Anweisung oder Frage, ein und erhalten in Sekundenschnelle ganze Texte, Erklärungen oder Lösungsvorschläge. Mithilfe der KI erledigen sie Hausaufgaben, bereiten Referate vor oder schreiben Essays. Viele Lehrkräfte sind durch diese Entwicklung verunsichert: Laut Schulbarometer 2025 sehen sie Risiken für das Denken, die Kommunikation und das soziale Lernen. Andere betonen hingegen die Chancen, etwa für die individuelle Förderung. Und manche Lehrkräfte setzen KI sogar selbst ein, zum Beispiel zur Vorbereitung von Klausuren.

    Inhalt

    Wie nutzen Schüler KI?

    Viele Schülerinnen und Schüler nutzen regelmäßig KI. Eine aktuelle Studie zeigt, dass inzwischen rund 75 Prozent der Schüler ihre Hausaufgaben mit KI-Unterstützung erledigen. „Sie nutzen es sehr unterschiedlich, haben aber auch zum Teil schon festgestellt, dass man ChatGPT auch nicht blind vertrauen kann“, sagt Dagmar Wolf, Bildungsexpertin der Robert Bosch Stiftung.
    Die Jugendstudie der Vodafone-Stiftung zeigt: 74 Prozent der Befragten nutzen KI-Anwendungen, meist aus eigener Initiative. Nur etwa ein Drittel setzt sie regelmäßig für schulische Zwecke ein, etwa beim Schreiben von Essays, bei Hausaufgaben oder sogar in Prüfungen. Besonders beliebt sind neben textbasierten Chatbots wie ChatGPT auch Google Lens – eine App, die Texte oder Objekte auf Fotos erkennt – und DeepL, ein KI-gestützter Übersetzer.
    38 Prozent der Jugendlichen geben an, dass KI im Unterricht bislang keine Rolle spielt. Ebenso viele berichten von fehlenden Regeln und davon, dass der Einsatz stark vom Engagement einzelner Lehrkräfte abhängt. Drei Viertel der Jugendlichen sehen in KI eher eine Chance.

    Was denken Lehrkräfte über KI-Tools?

    Lehrkräfte sehen den Einsatz von KI hingegen eher mit Skepsis und Unsicherheit. Das zeigt besonders deutlich das Schulbarometer 2025 der Robert Bosch Stiftung. Mehr als 1500 Lehrkräfte wurden befragt. Die Mehrheit äußert sich demnach kritisch gegenüber KI. 60 Prozent befürchten beim Einsatz von KI im Unterricht negative Folgen für die kommunikativen und sozialen Fähigkeiten ihrer Schüler.
    Auch in der praktischen Anwendung herrscht große Unsicherheit: 62 Prozent wissen nicht genau, wie KI im Unterricht funktioniert oder wie sie damit umgehen sollen. „Die geäußerten Befürchtungen, was den sozialen Umgang, was aber auch Einfluss auf das Wissen hat, hat sicher auch was zu tun mit dem Kontext der Erfahrungen und der großen Unsicherheiten von Lehrkräften", sagt Bildungsexpertin Dagmar Wolf. Das Thema KI sei daher bei Lehrkräften eher angstbesetzt. Nur 6 Prozent fühlen sich laut Wolf im Thema wirklich sicher. 54 Prozent fordern mehr Fortbildung, um KI im Schulalltag besser einsetzen zu können
    Einige Lehrkräfte nutzen KI bereits selbst, etwa zur Vorbereitung von Klausuren oder als Hilfe bei Korrekturen. Zwar spart das Zeit: Eine Arbeit wird hochgeladen, die Rückmeldung folgt in Sekunden. Doch die Bewertung ist oft unzuverlässig. Studien zeigen, dass KIs denselben Text je nach Prompt unterschiedlich benoten. Außerdem dürfen Schülertexte aus Datenschutzgründen nicht einfach in KI-Tools geladen werden. Wer das dennoch tut, verstößt gegen Vorschriften. Das ist besonders heikel, da bestimmte KI-Anwendungen im Bildungsbereich laut EU-AI-Act als Hochrisikobereich gelten und besonderen Regulierungen unterliegen.

    Welche Risiken birgt der KI-Einsatz im Klassenzimmer?

    „Wer seine Essays von Chat-GPT schreiben lässt, muss das sprachliche Abwägen von Argumenten nicht mehr so üben. Das kann potenziell negative Effekte haben, die von Lehrkräften befürchtet werden“, sagt Bildungsexpertin Dagmar Wolf. „Es kann aber auch positive Effekte haben, kognitive Kapazitäten für komplexere Denkprozesse könnten auch wieder frei werden.“
    Nicht nur Lehrkräfte sehen den KI-Einsatz in der Schule kritisch. Auch Studien belegten, dass generative KI dem Lernen schaden könne, warnt Medienpädagoge Ralf Lankau von der Hochschule Offenburg. Sie berge die Gefahr, dass viele Lernende die Relevanz oder Korrektheit der generierten Inhalte nicht mehr beurteilen könnten. „Die Fehlerquote ist hoch, und die Möglichkeiten der Manipulation sind hoch“, so Lankau. Selbstbestimmtes Lernen sei mit solchen Systemen schwer, weil man nicht verstehen könne, wie die Ergebnisse entstehen.
    Erste Studien zeigten laut Lankau, dass nur wenige leistungsstarke Schüler ChatGPT als Lernwerkzeug oder Coach nutzten. Für rund 80 Prozent sei es vor allem ein schneller Weg zum Ergebnis, ohne echte Lernprozesse. Viele Schülerinnen und Schüler sowie Studierende könnten die Herkunft oder Qualität der KI-Antworten nicht prüfen.
    Er warnt auch davor, dass KI soziale Ungleichheiten verstärken kann: Wer bereits viel weiß, kann KI gezielt nutzen, wer wenig weiß, übernimmt oft unkritisch, was sie ausgibt. Die Folge: Der sogenannte „Digital Divide“, also die Kluft zwischen digital Kompetenten und Abgehängten, wird größer.

    Welche Chancen bietet KI für Schüler und Lehrkräfte?

    Das Schulbarometer 2025 zeigt: 57 Prozent der Lehrkräfte sehen in KI eine Chance für individuellere Lernunterstützung. Viele Lehrkräfte sehen Potenzial darin, mithilfe von KI passgenauere Inhalte und Aufgaben anzubieten, die dem Wissensstand einzelner Schüler entsprechen.
    Auch Digitalexperte Ralph Müller-Eiselt vom Forum Bildung Digitalisierung sieht in KI die Chance, Schüler gezielter zu fördern, gerade auch in unterschiedlich starken Lerngruppen: „Wer sich dank digitaler Lerndiagnostik und mittels KI personalisierter Aufgaben weder langweilt noch überfordert fühlt, der wird bald auch besser lesen, schreiben oder rechnen können.“ Einige Schüler nutzen KI bereits als Lernhilfe, etwa, um sich Vokabeln abfragen zu lassen.
    Schule müsse Kinder und Jugendliche außerdem auf ein digital geprägtes Leben vorbereiten, sagt Müller-Eiselt: „Neue Technologien nicht nur zu bedienen, sondern auch zu beherrschen, ist [...] essenziell für gelingende gesellschaftliche Teilhabe.“ Gerade in Zeiten von Desinformation und Deepfakes sei das zentral. Digitale Kompetenzen und kritisches Denken gehörten daher zu den wichtigsten Bildungszielen.
    Auch Lehrkräfte können von KI profitieren, zum Beispiel, um Texte auf verschiedenen Niveaus zu erstellen oder um Korrekturen vorzubereiten. KI sollte bei der Bewertung aber nur als ergänzende Einschätzung der eigenen Bewertung herangezogen werden. Dafür sollten drei Bedingungen erfüllt sein: Die KI liefert höchstens Feedback-Vorschläge. Die Klasse weiß, dass KI im Spiel ist. Die Texte werden anonymisiert oder lokal verarbeitet.

    Braucht es Regeln oder ein Verbot für KI in der Schule?

    Der Medienpädagoge Ralf Lankau plädiert nicht für ein generelles Verbot, fordert aber klare Grenzen: In der Grundschule habe Digitalisierung seiner Einschätzung nach nichts verloren, da Kindern das nötige Reflexionsvermögen fehle. Er verweist auf Länder wie Frankreich, Italien und Skandinavien, die die Frühdigitalisierung bewusst zurückfahren. Digitale Endgeräte sollten frühestens ab der sechsten Klasse zum Einsatz kommen und auch dann nur unter pädagogischer Anleitung, etwa um Bilder zu bearbeiten, Webseiten zu erstellen oder Texte zu überarbeiten.
    „Schule darf nicht der letzte analoge Kosmos in dieser Gesellschaft bleiben“, sagt Digitalexperte Ralph Müller-Eiselt. KI müsse als „Teil der Lösung für zentrale pädagogische Herausforderungen“ begriffen werden, nicht als Bedrohung. „Wenn man diese digitalen Medien und KI richtig einsetzt, dann kann das das Lernen wirklich wirksam unterstützen und auch die Motivation der Schülerinnen und Schüler steigern.“
    Dagmar Wolf von der Robert Bosch Stiftung lehnt ein Verbot ebenfalls ab. „Also ich glaube, wir können das Thema nicht mehr wegdiskutieren“, sagt sie. „Wir müssen wirklich Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, mit der künstlichen Intelligenz umzugehen. Wir müssen Wege finden, sie in den Unterricht zu integrieren und zugleich auch das kritische Denken und die kritische Analyse der Ergebnisse, die uns die KI produziert, mit den Schülerinnen und Schülern fördern.“
    Gerade im Bereich der Leistungsbewertung sei ein Umdenken notwendig, da klassische Formen wie Hausarbeiten langfristig keinen Bestand mehr hätten, insbesondere in der Oberstufe und an Universitäten. Künftig müsse man stärker auf mündliche Leistungen setzen, um echtes Verstehen und argumentatives Denken prüfen zu können. „Ich glaube, wir müssen darüber reden, was an Leistung wir bewerten und wie wir bewerten“, so Wolf. „Und da geht es sicher darum, auch sehr viel stärker den individuellen Wissenszuwachs von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt zu stellen und sie an sich selbst zu messen und nicht an der ganzen Klasse als Bezugsnorm.“

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