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Coronafälle im Sport
Joshua Kimmich: Wie Corona und Long Covid Spitzensportler treffen

Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich vom FC Bayern München ist nach seiner Corona-Infektion erstmal nicht einsatzfähig. Auch andere Spitzensportler beeinträchtigt das Virus - oft monatelang. Wie wirkt sich eine Infektion auf ihre Leistung aus? Ein Überblick.

Von Olivia Gerstenberger | 10.12.2021
    Joshua Kimmich fällt nach seiner Corona-Erkrankung bis mindestens Ende des Jahres aus
    Joshua Kimmich vom FC Bayern München: Will sich nun doch impfen lassen (imago images/ULMER Pressebildagentur)
    Die Mitteilung des FC Bayern München, dass der nicht geimpfte und an Corona erkrankte Mittelfeldspieler Joshua Kimmich trotz seines Quarantäne-Endes bis zum Jahresende nicht spielen kann, hat für große Diskussionen gesorgt. Wie schlimm kann eine Corona-Infektion einen gesunden Spitzensportler ohne Vorerkrankungen treffen? Könnte die Leistung sogar auch langfristig beeinträchtigt sein?

    Der Fall Joshua Kimmich

    Seit Wochen steht Joshua Kimmich im Mittelpunkt der Impfdebatte rund um das Coronavirus. In einem Interview Mitte Oktober hatte der Spieler des FC Bayern München bestätigt, nicht gegen das Coronavirus geimpft zu sein und Bedenken wegen "fehlender Langzeitstudien" geäußert. Nun hat er seine Meinung geändert: Laut einem Interview mit der "Sportstudio Reportage" im ZDF will sich Kimmich gegen COVID-19 impfen lassen. (Meldung vom 12.10.2021)
    Immunologen wie Carsten Watzl von der Universität Dortmund und STIKO-Chef Thomas Mertens erklärten daraufhin, dass Nebenwirkungen einer Impfung immer innerhalb von wenigen Wochen auftreten, bis die Immunreaktion abgeschlossen und der Impfstoff aus dem Körper verschwunden ist.
    In der Länderspielpause nach dem 11. Spieltag musste Kimmich dann wegen positiver Coronatests seines Teamkollegen Niklas Süle in Quarantäne (8. November). Kurz nach Ablauf dieser Quarantäne folgte die nächste - als ungeimpfte Kontaktperson im privaten Umfeld. Am 24. November wurde Kimmich dann positiv auf das Coronavirus getestet. Diese Quarantäne endete offiziell am 9. Dezember.
    Kimmich verpasste in diesen rund vier Quarantäne-Wochen sowohl die Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft als auch zahlreiche Champions-League- und Bundesligapartien seines Vereins FC Bayern München. Nun kommen bis zum Jahresende nochmal mindestens drei Spiele hinzu - frühester Termin für sein Comeback ist der Rückrundenstart am 7. Januar. Wegen "leichten Infiltrationen in der Lunge" könne er aktuell nicht voll trainieren, hieß es in der Mitteilung des Vereins.

    Was bedeutet "leichte Infiltrationen in der Lunge" genau?

    Lungenärzte meinen damit, dass sich im Lungengewebe Entzündungsprozesse abspielen und sich Flüssigkeiten in den zellulären Bestandteilen der Lunge ansammeln. Das erschwere den Austausch von Sauerstoff und Kohlenmonoxid, erklärte Uta Liebers, Fachärztin für Lungenheilkunde, der WELT.
    "Der Atemprozess wird massiv behindert. Das führt bei den Patienten auch zur Kurzatmigkeit. Das ist ein typisches Symptom dieser Erkrankung und wir sehen das auch noch wochenlang nach der Ansteckung und den ersten Symptomen". Allerdings würden sich bei der Mehrheit der Patienten diese Entzündungsprozesse innerhalb von einigen Wochen zurückbilden.

    Welche Auswirkungen kann eine Corona-Infektion auf Sportler haben?

    Die meisten Sportler würden gut durch die Infektion kommen und sich nach mehreren Wochen wieder auf Leistungsniveau befinden, sagte der Sportmediziner Wilhelm Bloch im Dlf. Dennoch hätten einige Genesene Probleme, wieder zurück in die Belastung zu kommen.

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    Bloch beobachtete besonders bei Ausdauersportlerinnen auch nach Monaten noch Einschränkungen. Eine typische Veränderung sei die Sauerstoffschuld bei Belastung. "Die fangen im Prinzip an, schneller zu atmen". Das deute darauf hin, dass die Sauerstoffversorgung im Gewebe nicht so funktioniere, wie sie sollte. Auch die Regeneration nach der Belastung sei eingeschränkt.
    "Das ist für einen Sportler natürlich noch sehr viel einschneidender als für den Ottonormalverbraucher", sagte Bloch dem sid. Untersuchungen hätten außerdem ergeben, dass manchmal auch Monate nach einer Infektion noch Veränderungen der roten Blutkörperchen zu erkennen sind. Die roten Blutkörperchen sorgen für den Sauerstofftransport in die Zellen und somit in die Muskeln und sind mitentscheidend für die Leistung auf dem Platz oder in der Halle. 
    Sport nach Corona-Infektion - Interview mit Sportmediziner Wilhelm Bloch (16.11.2021)
    Es habe sich außerdem gezeigt, dass „das Virus noch ein paar mehr Baustellen im Körper aufmacht und wir es nicht mit einer Lungenerkrankung allein zu tun haben. Sondern wir haben es hier mit einer systemischen Erkrankung zu tun, die vor allem die Gefäße mitangreift." 

    Long Covid bei mehr als einem Zehntel der Infizierten

    Zudem gebe es noch die Gefahr von Long Covid, das zwischen zehn und 15 Prozent der Corona-Infizierten entwickeln. "Es tritt ein Blumenstrauß von Symptomen auf, etwa 200. Die häufigsten sind chronische Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen, Störungen beim Herzschlag und Beeinträchtigungen bei der Konzentration.  Long Covid wird Karrieren beenden - wann und wie oft, wird man sehen", erklärte Bloch.
    Bloch sagte zu der Untersuchung von Ökonomen, wie sich eine Infektion auf die Leistung von Fußballprofis in Deutschland und Italien auswirkt, dass eine Infektion durchaus auch Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit bei einem gut trainierten Fußballer haben kann.
    Die Hauptergebnisse:

    - 18 Prozent aller Spieler der Bundesliga waren infiziert - trotz Hygienekonzept
    - alle hatten eine signifikante Reduktion der Fußball-Leistungsfähigkeit (zum Beispiel Absinken der Passquote und der Laufstrecke)
    - häufig in der 2. Hälfte des Spieles
    - über 30-jährige Spieler waren stärker betroffen.
    Der Fußball als Beispiel habe sich für die Analyse angeboten, weil die Coronatests dort sehr streng waren und weil man die fußballspezifische Leistungsfähigkeit anhand bekannter Richtlinien gut nachvollziehen könne.

    Sportmediziner warnen vor zu frühem Training

    Mediziner müssten Sportlerinnen und Sportler häufig bremsen, sagte Bloch im Dlf. „Es ist eine dosierte Belastung und ganz langsamer Belastungsaufbau. Da habe ich schon meine Bedenken, dass manche Sportler, auch mit Blick auf große Wettkämpfe, relativ schnell wieder ins Training reingehen und dann kommen die Rückschläge. Denn die Krankheit kommt nicht in einem einzigen Schub, sondern sie hat Wellen und kommt nach Monaten mit anderen Symptomen wieder. Das ist eine Erkrankung, die alle Organe des Körpers betrifft.“ 
    In jedem Fall empfehlen Sportmediziner auch nach milden Krankheitsverläufen Belastungstests durchführen zu lassen. In komplizierteren Fällen sollten Sportler und Sportlerinnen überprüfen lassen, ob Organsysteme betroffen oder neurologische Probleme aufgetreten sind. 
    Intensivmediziner Christian Karagiannidis sagte der dpa: "Wir kennen bei Corona Fälle, die sich schnell zurückbilden und wir kennen Fälle, die wirklich lange brauchen, bis sie sich zurückbilden, selbst bei initial leichten Verläufen." Ihm seien Patienten bekannt, die bis zu ein Jahr mit den Folgen der Erkrankung in der Lunge zu kämpfen hatten.

    Krankheitsverläufe anderer Spitzensportler

    Auch Kimmichs Vereinskollege Eric Maxim Choupo-Moting klagt weiterhin über Corona-Probleme. Einige hat es aber schlimmer getroffen als andere. Einen schweren Verlauf hatte etwa der zu diesem Zeitpunkt ungeimpfte Jonathan Schmid vom SC Freiburg, der mehrere Monate ausfiel. Auch Hertha-Torwart Rune Jarstein warf das Virus komplett aus der Bahn: Er musste ins Krankenhaus, erlitt eine Herzmuskelentzündung und konnte erst ein halbes Jahr später wieder trainieren. Der ehemalige Leipzig-Profi Hee-Chan Hwang erklärte, die ersten sieben Tage seiner Infektion "fast tot" gewesen zu sein.
    Nicht nur aus der Bundesliga gibt es prominente Beispiele von Spitzensportlern, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben. Ähnlich schwer betroffen waren Kanutin Steffi Kriegerstein oder Ringer Frank Stäbler. Der dreimalige Weltmeister quälte sich nach langer Leidenzeit mühsam zurück und holte tatsächlich Olympia-Bronze. Seine Warnung an Kimmich: "Es wird ein steiniger Weg zum Comeback." Der italienische Mittelstreckenläufer Edoardo Melloni warnte schon im April 2020 im Dlf eindringlich davor, Covid-19 zu unterschätzen. "Ich habe Blut aus meinen Lungen gehustet".
    Extremsportlerin Katharina Blach berichtete im Dlf, dass sie noch Monate nach ihrer Erkrankung an den Folgen leide. Zwischenzeitlich sei sie sogar auf einen Rollator angewiesen gewesen, damit sie überhaupt laufen konnte.

    Welchen Unterschied hätte eine Impfung gemacht?

    Einen großen, denn: "Die Impfung ist nicht ohne Nebenwirkungen, aber im Verhältnis zur Erkrankung viel, viel unproblematischer", erklärt Sportmediziner Bloch - und: "Das Risiko als Geimpfter an Long Covid zu erkranken, ist signifikant reduziert. Es gibt ja auch unter Sportlern immer noch Impfskeptiker, und denen sage ich, dass Covid eine schwere Erkrankung ist, dass keiner davor geschützt ist." 
    Auch Intensivmediziner Karagiannidis hält die Impfung besonders für Profisportler für elementar. "Selbst wenn sich nur so ein bisschen ein längerer Verlauf einstellt, ist die Höchstleistung nicht möglich und das ist halt das, was Profisportler brauchen. Deswegen ist es eigentlich gerade die Gruppe unter Jüngeren, für die die Impfung mit am wichtigsten ist, um ihre Leistungsfähigkeit auf dem hohen Niveau auch wirklich gut zu erhalten."