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Kinder im Syrien-Krieg
Zahlenwerk des Grauens

Im ersten Halbjahr 2018 sind im Syrien-Krieg schon mehr Kinder ums Leben gekommen als im Gesamtjahr 2017. Die UN-Sonderbeaufragte für Kinder in Konflikten, Virginia Gamba, legte jetzt Zahlen zu dem nicht enden wollenden Krieg vor.

Von Kai Clement | 28.07.2018
    Verletzte Kinder in einer Klinik in der Stadt Douma bei Ost-Ghuta.
    Allein im vergangenen Jahr sind 1.271 Kinder im Syrien-Krieg ums Leben gekommen (AFP / HAMZA AL-AJWEH)
    Das vergangene Jahr war das tödlichste für die Kinder Syriens. Das sagt Schwedens UN-Botschafter Olof Skoog. 1.271 Kinder starben 2017 in diesem nicht enden wollenden Krieg. Doch auch diese Zahl sei allein vom ersten Halbjahr 2018 schon wieder übertroffen.
    Es ist ein Zahlenwerk des Grauens, das Virginia Gamba, die UN-Sonderbeaufragte für Kinder in Konflikten, dem mächtigsten UN-Gremium vorlegt. Zahlen, die bis jetzt in jedem der sieben Kriegsjahre angestiegen seien. Und lediglich solche Zahlen, so ergänzt sie, die die Vereinten Nationen bestätigten könnten. Die Dunkelziffer dürfe weit höher liegen.
    Gamba: "Im ersten Quartal 2018 ist die Zahl der Kindersoldaten um ein Viertel gestiegen. Das Töten und Verstümmeln von Kindern hat um 348 Prozent zugenommen - beides verglichen mit dem letzten Quartal 2017. Alle schweren Kinderrechtsverletzungen für das erste Quartal zusammengenommen erleben wir eine Steigerung um 109 Prozent."
    Ermordungen, Vergewaltigungen, Verschleppungen
    Also insgesamt gesehen eine Verdopplung aller schlimmen Verbrechen gegen Kinder. Dazu gehören neben Rekrutierung und Ermordung auch Vergewaltigungen, Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen, Verschleppungen und die Weigerung, Kindern Hilfe zukommen zu lassen.
    Virginia Gamba benennt die Schuldigen: "Alle Rekrutierungen haben nicht-staatliche Akteure durchgeführt. Die meisten Tötungen und Verstümmlungen gehen dagegen auf die syrische Armee und pro-Regierungs-Truppen zurück."
    Der Krieg aber geht weiter - derzeit vor allem im Südwesten des Landes. Doch Mark Lowcock, Chef der UN-Nothilfe, zählt eine lange Liste von Orten auf, in denen Menschen Hilfe brauchen oder gar um ihr Leben kämpfen. Von Aleppo und Idlib im Norden Syriens bis hinunter nach Daraa im Süden. Dort kämen die Helfer an ihre Grenzen.
    Todesfälle auch wegen Wassermangels
    "Vorab bereit gestellte Materialien für Notunterkünfte und einfachste Haushaltsgegenstände sind nun aufgebraucht. Damit sind die Vertriebenen hohen Temperaturen und Wüstenwinden schutzlos ausgesetzt. Es gibt bereits Berichte von Todesfällen wegen Wassermangels oder verschmutztem Wasser", sagt Lowcock.
    Hilfsorganisationen wie das Kinderhilfswerk UNICEF oder "Save the Children" warnen schon länger vor den Folgen dieses Krieges - auch - gegen Kinder. Die wichtigste Entwicklungsphase, die Kindheit also, sie sei verloren im Getöse der Kämpfe. Mädchen und Jungen seien so traumatisiert, dass sie psychologische Hilfe bräuchten, um ihr Leben trotz der verheerenden Bilder im Kopf in den Griff zu bekommen. Eigentlich. Doch wo noch nicht einmal Wasser und Lebensmittel reichen, scheint dieses Ziel weit entfernt.
    Kurz: Es sind Kinder, die keinen Frieden kennen, sagt die UN-Sonderbeauftragte Virginia Gamba: "Es ist an der Zeit, dass die Kinder Syriens an ihre eigene Zukunft glauben können und lernen, was Frieden bedeutet. Es ist an der Zeit, dass sie ihre Kindheit zurückbekommen. Es ist an der Zeit, dass sie nicht länger Opfer sind. Man hat sie benutzt und missbraucht durch, während und für diesen bewaffneten Konflikt - und das viel zu lange schon."