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Kindergeld-Debatte in der EU
Kindsein in Polen ist nicht billiger

Noch zahlt der deutsche Staat Kindergeld für EU-Ausländer in voller Höhe, obwohl deren Kinder nicht in Deutschland leben. Die Pläne, die Höhe der Zahlungen an die Lebenshaltungskosten des jeweiligen Landes zu koppeln, sind zunächst gestoppt. Für die 87.000 betroffenen Kinder in Polen wäre eine Kürzung ein harter Einschnitt.

Von Florian Kellermann | 15.03.2017
    Das Bild zeigt Miniaturfiguren (Mutter, Vater mit Kind im Arm, ein weiteres Kind im Buggy) auf einem Stapel von Euro-Geldmünzen. Im Hintergrund sieht man unscharf einen 50-Euro-Schein.
    Die Höhe des Kindergelds in der EU ist in der Debatte. (Jens Büttner / dpa)
    Agnieszka Maciejczyk kommt mit ihrer vierjährigen Tochter nach Hause. Die beiden waren beim Ballett, die kleine Hania ist noch ganz aufgedreht. Aus einem kleinen Zelt im Wohnzimmer schaut ihre Schwester hervor, die zweijährige Zosia. Eine vierköpfige Familie in Warschau, das haben Agnieszka und ihr Mann Piotr so geplant: "Wir haben das vorher nicht durchgerechnet. Ein Kind war noch kein Problem, beim zweiten merkt man schon, dass sich alles summiert. Wenn wir noch ein drittes wollten, müssten wir uns das schon sehr genau überlegen."

    Agnieszka ist Anwältin, ihr Mann Vertreter. Polen mit schlechter bezahlten Berufen zögern schon beim ersten Kind. So erklären Soziologen, dass die Geburtenrate im Land zu den niedrigsten in der EU gehört. Denn, obwohl die Menschen deutlich weniger verdienen als etwa in Deutschland, ist es nicht unbedingt billiger, ein Kind zu erziehen.
    Als Beispiel nennt Agnieszka den Kindergarten: "Wir zahlen rund 300 Zloty im Monat für Hania, das sind umgerechnet 70 Euro. Aber wir haben Glück, dass wir einen Platz in einem öffentlichen Kindergarten bekommen haben. Die privaten Kindergärten sind viel teurer. Da gibt es zwar auch glutenfreies Essen, aber ein Platz dort kostet 2000 Zloty im Monat." Das sind dann schon 460 Euro.
    Babyartikel in Polen kaum günstiger
    Auch andere Kosten sind in Polen kaum niedriger. Agnieszka hat ihr Laptop aufgemacht. Sie vergleicht die Preise für Windeln bei einer deutschen Drogerie-Kette, die auch Filialen in Warschau hat. "Wir nehmen immer die hier. Das sind keine Marken-Windeln, aber ich bin ganz zufrieden. 34 Stück kosten bei uns so 25 Zloty, also 5,80 Euro. In Deutschland scheint es nur die Jumbo-Packung zu geben mit der doppelten Menge, für 10,50 Euro - also sogar ein bisschen weniger pro Windel." Umgekehrt ist es bei der Folgemilch. Hier kostet das gleiche Produkt in Polen etwa ein Fünftel weniger.
    Eine heruntergelassene Kinderwindel hängt an Kinderbeinen
    Babywindeln sind in Deutschland günstiger als in Polen (picture-alliance/ dpa - Lehtikuva Marja Airio)
    Wenn ihnen ihre Drei-Zimmer-Wohnung nicht gehören würde, müssten Agnieszka und Piotr im Monat rund 650 Euro warm bezahlen. Niedriger als in Deutschland sind allerdings die Nebenkosten. In bestimmten Fällen geben Eltern in Polen sogar deutlich mehr aus, etwa für behinderte Kinder. Sie würden vom staatlichen polnischen Gesundheitssystem nicht optimal versorgt, sagt Anna Brengos von der Stiftung "Hilfe für Kinder":
    "Theoretisch ist die Behandlung kostenlos. Aber schon die Wartezeiten sind einfach zu lang. Auf eine kostenlose Magnetresonanztomographie zum Beispiel warten Eltern einige Monate. Wertvolle Zeit, das Kind entwickelt sich ja weiter. Wer schneller drankommen will, muss bezahlen." Ihre Kinder seien glücklicherweise gesund, sagt Agnieszka. Hania hat gerade einen Termin beim Augenarzt bekommen, zur Kontrolluntersuchung. Sie ist für September bestellt. Gut, dass es nicht akut ist, sonst müsste sie den Termin wohl privat bezahlen, sagt die Mutter.