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Kindergelderhöhung - Zankapfel zwischen Bund und Ländern

    Heinlein: Am Telefon begrüße ich jetzt den SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck. Guten Morgen!

    Struck: Guten Morgen Herr Heinlein.

    Heinlein: Herr Struck, wie passt das denn zusammen, die Klage der SPD-Länder über die Kosten der Kindergelderhöhung und gleichzeitig die Forderung der SPD-Experten nach weiteren Steuerentlastungen für Familien?

    Struck: Wir müssen berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1998, kurz nachdem wir die Bundestagswahl gewonnen hatten, die bisherigen geltenden steuerlichen Regelungen, was "Kinderbelastungen" angeht, für verfassungswidrig erklärt hatte. Wir hatten die Aufgabe, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Das haben wir mit dem ersten Familienförderungsgesetz getan, mit Kindergelderhöhungen für das erste und zweite Kind von insgesamt 50 Mark. Wir sind aufgefordert, dieses Urteil auch weiter umzusetzen. Das heißt es müssen auch noch weitere Kindergelderhöhungen kommen und auch weitere steuerliche Erleichterungen.

    Heinlein: Kann sich denn der Bund alles auf einmal leisten, Erhöhung des Kindergeldes, Ausbau der Kinderbetreuung und eine größere steuerliche Absetzbarkeit der dafür anfallenden Kosten?

    Struck: Es ist nicht allein eine Sache des Bundes, dies alles zu finanzieren. Hier geht es um Einkommensteuerregelungen, und da ist völlig klar, dass die Länder entsprechend ihrem Anteil am Einkommensteueraufkommen solche Steuerausfälle auch mitfinanzieren müssen. Richtig ist auch, dass die Länder eine Kindergelderhöhung mitfinanzieren müssen. Ich weiß, dass es unterschiedliche Auffassungen über den%anteil gibt. Manche Länder sagen, das müssen wir nur zu 26 Prozent mitfinanzieren, während wir der Auffassung sind, dass es auch entsprechend der Einkommensteuerverteilung bei 42,5%anteil bleiben muss. Wir werden das am kommenden Wochenende mit den Ministerpräsidenten in einer Sitzung unter der Leitung des Bundeskanzlers, an der ich auch teilnehme, beraten. Ich verstehe im Augenblick die Äußerungen aus den Ländern schlicht als Hinweis darauf, dass sie versuchen wollen, vom Bund mehr Geld herauszuholen. Das halte ich für normal und legitim. Aber die Entscheidungen werden erst in den kommenden Wochen getroffen.

    Heinlein: Muss denn, Herr Struck, die SPD, um in der Familienpolitik glaubwürdig bleiben zu können, in Bund und Ländern nicht mit einer Stimme sprechen?

    Struck: Ja allerdings. Ich bin schon der Auffassung, dass die Geschlossenheit was die Familienförderung angeht ein sehr hohes Gut ist. Mir gefällt es nicht, dass Länder, einzelne Ministerpräsidenten sich jetzt schon ablehnend äußern zu dem, was in der Planung ist. Natürlich ist klar, dass immer wenn es um Finanzen geht jeder an sich selbst denkt, der Bundesfinanzminister genauso wie die Länderfinanzminister an ihre eigenen angespannten Kassen. Hier muss man einen vernünftigen Ausgleich finden. Aber jeder sozialdemokratische Ministerpräsident und jeder sozialdemokratische Landesfinanzminister sollte auch daran denken, dass es hier darum geht, ein Versprechen, das wir gegeben haben, nachdem wir das Urteil aus Karlsruhe bekommen haben, einzuhalten.

    Heinlein: Erwarten Sie denn an diesem Wochenende ein "Basta" des Kanzlers, 30 Mark Kindergelderhöhung und damit fertig?

    Struck: Mit solchen Machtworten wird man in diesem Fall wenig weiter kommen. Hier geht es darum, Überzeugungsarbeit zu leisten. Wir hatten schon in der letzten Woche eine entsprechende Sitzung, bei der es dann auch um die weiteren Fragen des Länderfinanzausgleichs, des Solidarpaktes und der Rentenreform geht. Wir sind also dabei, mit den Ländern die jetzt anstehenden Fragen bis Ende der Legislaturperiode zu erörtern. Ich hoffe, dass wir zu einem vernünftigen Ergebnis kommen werden.

    Heinlein: Wie groß ist denn, Herr Struck, die Gefahr, dass die Familien tatsächlich dann zum Spielball der unterschiedlichen finanzpolitischen Interessen von Bund, Ländern und letztendlich auch der Kommunen werden?

    Struck: Ich glaube, dass wir eine Kindergelderhöhung in der genannten Größenordnung bekommen werden allein aus verfassungsrechtlichen Gründen. Ich glaube auch, dass wir eine Entscheidung bekommen werden, wie wir in Zukunft Betreuung weiter regeln können. Hier muss man berücksichtigen, dass es nicht Aufgabe des Bundes ist, Ganztagsschulen zu finanzieren oder Lehrer in Ganztagsschulen zu finanzieren. Das ist nun eine originäre Aufgabe der Länder, genauso wie es eine Aufgabe der Kommunen wäre, dafür auch entsprechende Räume oder Häuser zur Verfügung zu stellen. Wir haben als Bund die Aufgabe, die Frage des Kindergeldes und die steuerliche Absetzbarkeit von Betreuungskosten zu regeln. Hier sind allerdings nun schon verschiedene Ebenen gefragt. Das ist immer schwierig, das war auch zu Zeiten der vorhergehenden Regierung äußerst schwierig, das Finanzverhältnis zwischen Bund und Ländern einvernehmlich zu regeln, aber ich bin sehr optimistisch. Wenn uns das jetzt am Wochenende nicht gelingt, dann ist das nicht so dramatisch. Es ist klar, dass wir noch vor der Sommerpause ein Gesetz über die Kindergelderhöhung einbringen werden, so wie unsere Finanz- und Familienpolitiker das jetzt ausgearbeitet haben. Wir hätten dann auch später noch Zeit, das zu regeln.

    Heinlein: Herr Struck, wenn ich Sie richtig versteht, dann ist die SPD-Fraktion im Klartest für die Erhöhung des Kindergeldes um 30 Mark zum Jahreswechsel, egal wer am Ende die Kosten zu tragen hat?

    Struck: Ich werde mich dafür einsetzen, dass eine solche Regelung kommt, weil ich glaube, dass die verfassungsrechtlich geboten ist, genauso wie die Änderung bei den steuerlichen Regelungen. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir eine vernünftige Finanzverteilung bekommen werden. Ich stehe auf der Seite des Finanzministers Hans Eichel, der auch auf seine eigene Finanzlage verweisen muss. Diese Finanzlage ist nun auch aufgrund der zu erwartenden Steuerschätzung, die Mitte Mai kommt, nicht so rosig, wie das vielleicht mancher Länderfinanzminister vom Bundeshaushalt glaubt.

    Heinlein: Warum kein klares Ja zu einer Kindergelderhöhung um 30 Mark aus Ihrem Mund?

    Struck: Ich habe ja mein Votum dazu gegeben. Ich bin dafür und ich denke, das Gesetz, wenn wir dann im Bundestag beschlossen haben, wird auch eine Zustimmung im Bundesrat bekommen.

    Heinlein: Inwieweit, Herr Struck, ist denn der gestrige Vorstoß der SPD-Finanz- und -Familienexperten zur Erhöhung der steuerlichen Absetzbarkeit von Betreuungskosten abgestimmt mit Hans Eichel? Wissen Sie etwas darüber?

    Struck: Ja, natürlich ist das abgestimmt. Ich habe meine Fachfrauen und Fachmänner ausdrücklich dazu aufgefordert, das nur in Abstimmung mit dem Bundesfinanzminister zu tun. Das ist geschehen. Der Bundesfinanzminister, der natürlich auch lieber weniger Geld ausgeben würde oder lieber mehr Steuereinnahmen hätte, was die steuerlichen Regelungen angeht, weiß auch, dass wir das Bundesverfassungsgerichtsurteil umsetzen müssen, was den Freibetrag oder die Freibeträge angeht, die wir jetzt zusammenfassen wollen. Insofern wird es keinen Konflikt mit dem Finanzministerium geben.

    Heinlein: Kurz zum Schluss die Frage. Sie haben es mehrfach angesprochen, Herr Struck. Morgen steht das Treffen des Kanzlers mit den SPD-Ministerpräsidenten an. Sie sind dabei. Es soll um das Kindergeld gehen, aber auch um den Länderfinanzausgleich. In welcher Form können denn diese beiden Themen miteinander verknüpft werden?

    Struck: Generell geht es ja darum, dass wir auch hier ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen müssen, das gekommen ist, nachdem einige Länder die bisherigen Regelungen in Karlsruhe beklagt haben und teilweise Recht bekommen haben. Hier müssen wir für die Zeit ab 2004 neue Regelungen haben einschließlich der Fortsetzung des Solidarpaktes ab 2005 für die neuen Länder. Also es hängt wie immer alles mit dem Geld zusammen. Alles hängt mit allem zusammen. Ich glaube, dass wir hier eine Regelung finden werden, die dem entspricht, was insgesamt elf Bundesländer bisher ausgearbeitet haben. Nicht bei diesen Bundesländern sind die sogenannten Geberländer, insbesondere die CDU/CSU-regierten Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, aber auch Nordrhein-Westfalen und vielleicht noch Thüringen, die überzeugt werden müssen. Dort haben gute Vorarbeiten die Länderfinanzminister geleistet. Der Bund hat sich intensiv daran beteiligt. Ich könnte mir vorstellen, dass wir in dieser Besprechung am Wochenende dazu auch eine vernünftige Regelung vereinbaren können.

    Heinlein: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck heute Morgen hier im Deutschlandfunk. - Herr Struck, herzlichen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio