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Kinderkrankheit
Masernausbruch in Berlin

Eigentlich sollten die Masern in diesem Jahr ausgerottet sein - das zumindest hatte Deutschland der Weltgesundheitsorganisation WHO zugesagt. Doch aus Berlin melden Mediziner gerade den größten Ausbruch seit 15 Jahren. Alleine im Januar gab es in der Hauptstadt über 250 neue Masern-Fälle.

Von Verena Kemna | 12.02.2015
    Ein Impfbuch mit den nichtangekreuzten Feldern Masern, Mumps und Röteln
    Ein Impfbuch mit den nichtangekreuzten Feldern Masern, Mumps und Röteln (dpa / picture alliance / Patrick Seeger)
    "Wie alt ist denn ihr Sohn? Der ist zwei. Dann ist der bestimmt geimpft! Soll ich mal nachgucken, ich kann einmal nachgucken, dann wissen wir es."
    Der Kinderarzt sucht in der Krankenakte des zweijährigen Paul- Jakob nach den Impfdaten. In seiner Praxis in Berlin-Kreuzberg sind fast alle Kinder geimpft. Christoph Berns ist überzeugt davon, dass Impfschutz wichtig ist. Auch Paul-Jakob ist, wie die meisten Kleinkinder, schon mit 11 Monaten zum ersten Mal geimpft worden.
    "Es gibt sehr viele schlimme Krankheiten, deswegen gibt es auch sehr viele Impfungen. Wir versuchen immer möglichst viele Impfungen miteinander zu kombinieren, es gibt auch so Kombinationsimpfstoffe. Heute ist unser Standardimpfstoff ein sechsfach Impfstoff, der von der Verträglichkeit sehr gut ist, sogar besser verträglich als die Impfstoffe es früher waren und einen breiteren Schutz anbietet. Wir haben insgesamt sechs Impftermine und impfen gegen zehn bis zwölf Erkrankungen."
    Etwa vierhundert Menschen sind in Berlin seit Beginn des Masernausbruchs an der sogenannten "Kinderkrankheit" erkrankt. Christoph Berns spricht lieber nicht von einer harmlosen Kinderkrankheit. Masernviren sind hochansteckend und werden durch die Luft übertragen. Nur, wer geimpft ist, oder schon einmal die Masern hatte, ist vor Ansteckung geschützt.
    "Wir, bei uns in der Praxis haben die Philosophie, dass wir die Impfung sehr stark vertreten und den Eltern sagen, dass es sehr sinnvoll und wichtig ist, gerade gegen Masern zu impfen. Bei jeder tausendsten Masernerkrankung kommt es ja zu einer schwerwiegenden Komplikation."
    Verantwortung für die Gemeinschaft
    Hirnhautentzündungen, Lungenentzündungen oder Durchfälle können bei einer Masernerkrankung auftreten, es kann sogar zu Todesfällen kommen. Schon aus Verantwortung für die Gemeinschaft sollten Eltern ihre Kinder impfen lassen, meint Kinderarzt Berns.
    "Wenn man sich nicht gegen Masern impfen lässt, stellt man eben, so sehen wir das zumindest, auch eine Gefahr für die Allgemeinheit dar und wir möchten eben, dass gerade, wenn kleine Säuglinge in unsere Praxis kommen, die noch nicht geimpft werden können und die eventuell gefährdet sind durch eine Maserninfektion, dass die mit einem guten Gefühl kommen können und keine Angst haben müssen, hier in der Praxis auf Masernerkrankte zu stoßen."
    Studien aus dem Jahr 2013 belegen, dass in Deutschland noch immer jedes dritte Kleinkind nicht rechtzeitig und nicht ausreichend gegen Masern immunisiert ist. Eigentlich sollten die Masern in diesem Jahr in Deutschland als ausgerottet gelten. Mit dem Ausbruch der Masernwelle kann davon keine Rede mehr sein. Der Impfstatus innerhalb der Bevölkerung sei zu gering, erklärt Anette Siedler, amtierende Leiterin des Fachbereichs Impfprävention am Berliner Robert-Koch-Institut.
    "Wir wissen auch aus anderen Regionen Deutschlands, dass insbesondere Asylsuchende aus Bosnien und Herzegowina mit Masern nach Deutschland kamen und hier aber eine Ausbreitung in Berlin auch in der Bevölkerung stattfindet."
    Impflücke bei Männern, die nach 1970 geboren sind
    Vor allem für Männer und Frauen, die nach 1970 geboren sind, gibt es eine sogenannte Impflücke, erklärt Anette Siedler.
    "Das ist deswegen so, weil hier in den Siebzigerjahren die Empfehlung erstmals ausgesprochen wurde, aber nicht gut umgesetzt wurde. Da sind viele Erwachsene, die damals nicht geimpft wurden, aber der Erkrankung entkommen sind und so bildet sich ein Potenzial von empfänglichen Personen für die Masern, die dann in einer solchen Welle einfach erkranken."
    Nina Obermayer ist mit ihrer kleinen Tochter bei Kinderarzt Christoph Berns zur Routineuntersuchung angemeldet. Sie weiß, dass ihre Tochter auf jeden Fall gegen Masern geimpft ist. Bei sich selbst, ist sie da nicht so sicher.
    "Nee, gegen Masern, glaube ich, bin ich nicht geimpft. Ich habe keine Ahnung."
    Nach der Empfehlung der Ständigen Impfkommission können sich auch ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene impfen lassen. Für alle, die nach 1970 geboren sind, wird eine Impfung dringend empfohlen.