
Über Nürnbergs Grenzen hinaus hat das kleine, engagierte deutsch-türkische Filmfestival bislang zwar wenig Beachtung gefunden, seine Entwicklung über knapp zwei Jahrzehnte aber ist beachtlich. In den Anfangsjahren, in denen er das Festival zusammen mit anderen in Nürnberg ansässigen Türken auf die Beine stellte, saßen im Publikum fast nur Türken, erinnert sich Festivaldirektor Asip Kaya:
"Inzwischen ist nicht nur das Publikum insgesamt gewachsen, über 10.000, sondern auch der Anteil, mehr als 50 Prozent des Publikums besteht aus Deutschen ohne Migrationshintergrund – Aber das Hauptinteresse besteht insgesamt mehr für die türkischen Filme."
Das allerdings verwundert kaum. Denn die meisten deutschen Produktionen des Spielfilm-Wettbewerbs, darunter "Hannas Reise", "Die Frau, die sich traut" oder "Woyzeck", sind schon bundesweit in den Kinos angelaufen. Das türkische Kino ist dagegen mit deutschen und internationalen Premieren anspruchsvoller Autorenfilme deutlich attraktiver vertreten.
Offene und versteckte Gewalt
Gleich mehrere Produktionen beschäftigten sich differenziert mit den Problemen junger Frauen zwischen Tradition und Emanzipation. Ramin Matin etwa porträtiert in seinem leisen, spannenden Thriller "Die Makellosen" um zwei moderne, selbstbewusste Schwestern. Zwischen ihnen herrscht eine latente Spannung, die zunimmt, als sie die Bekanntschaft eines Nachbarn machen. Lale wurde vergewaltigt und scheut seither Kontakte zu Männern. Yasemin ist ambivalent zwischen ihrer Wut auf das andere Geschlecht und ungestillten sexuellen Sehnsüchten.
Regisseur Matin verzichtet auf einfache Gut und Böse-Muster, lässt vieles in der Schwebe. Umso eindrucksvoller entfaltet er eine Atmosphäre subtiler Bedrohung. Seine Geschichte berührt ein ernstes Thema:
"Gewalt gegen Frauen hat in den vergangenen zehn Jahren in der Türkei dramatisch zugenommen. Es ist ein sehr großes Problem, ich erinnere mich zwar nicht der genauen Statistik, aber jeden Tag stirbt mindestens eine Frau."
Doch nicht nur an männlichem Machismo scheitert die Vereinbarkeit einer unabhängigen, selbstbestimmten Existenz mit einem erfüllten Liebesleben. Nicht selten kommt der Widerstand aus der eigenen Familie wie in dem Generationendrama "Entwurzelt":
Eine Mutter vereinnahmt hier ihre älteste Tochter derart, dass diese ihre eigene Persönlichkeit kaum entfalten kann. Die berufstätige Feride ernährt die Familie, wohnt aber mit ihren 32 Jahren noch zu Hause und kümmert sich um alle Belange, mit denen die unselbstständige Mutter überfordert ist. Doch die Last der Verantwortung kann die junge Frau nicht dauerhaft allein schultern. Um ihr zu entgehen, akzeptiert sie den Heiratsantrag eines Kollegen. Die Mutter reagiert darauf noch weitaus verständnisloser als befürchtet.
Regisseurinnen wie Deniz Akḉay Katiksiz, die diese traurige Geschichte erzählt, gibt es nur wenige in der Türkei. Ob Frauen es grundsätzlicher schwerer in diesem Beruf haben, kann sie aber nicht beurteilen:
"Entwurzelt" ist mein Debütfilm. Ich hatte zwar durchaus Schwierigkeiten, ihn zu realisieren, aber ich bin mir nicht sicher, ob das damit zu tun hatte, dass ich eine Frau bin oder einfach eine Anfängerin.
Fehlende Solidarität untereinander
Besonders in ländlichen Gegenden mit ausgeprägten patriarchalischen Strukturen halten Frauen untereinander kaum zusammen, weiß Regisseur Atalay Tasdiken in Nürnberg zu berichten. Vor allem ältere, ungebildete Frauen hätten sich oft in die Traditionen gefügt. Sie zeigten wenig Erbarmen mit jüngeren Frauen, die nach einem besseren Leben streben.
Nach einer wahren Geschichte erzählt sein Film "Meryem" von einer einsamen Frau in einer Zwangsehe. Das traurige Ende der auf authentischen Geschehnissen beruhenden Geschichte erspart Tasdiken seiner Heldin. Selbstbewusst nimmt diese am Ende ihr Schicksal in die eigene Hand.
Trotz der oft deprimierenden Themen versinken die auf dem Nürnberger Festival gezeigten Filme nicht im Pessimismus. Zu erleben sind vielmehr starke Heldinnen, die sich nicht unterkriegen lassen. Vor allem die in einer Weltpremiere gezeigte Komödie "Bankraub im Frauenstil", in der vier clevere, solidarische Freundinnen ein sagenhafter Coup gelingt, verströmt Hoffnung, Witz und Frauenpower.
Trotz der oft deprimierenden Themen versinken die auf dem Nürnberger Festival gezeigten Filme nicht im Pessimismus. Zu erleben sind vielmehr starke Heldinnen, die sich nicht unterkriegen lassen. Vor allem die in einer Weltpremiere gezeigte Komödie "Bankraub im Frauenstil", in der vier clevere, solidarische Freundinnen ein sagenhafter Coup gelingt, verströmt Hoffnung, Witz und Frauenpower.
Dass die Filme überdies dazu beitragen, auch ältere, Kopftuch tragende Frauen zu sensibilisieren, zeigte sich bei den Publikumsgesprächen in Nürnberg. Viele Zuschauerinnen zeigten Verständnis für die Nöte der Filmheldinnen.