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Kinofilm "Der Staat gegen Fritz Bauer"
Denkmal eines deutschen Heldens

Er wurde berühmt als derjenige, der Adolf Eichmann vor Gericht brachte: der Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, Chefermittler gegen flüchtige Nazi-Mörder und alte Täterseilschaften. Lange nahezu vergessen, hat ihm nun Regisseur Lars Kraume ein regelrechtes Denkmal gesetzt - mit einem guten, wenn auch etwas bravem Film, findet unser Kritiker.

Von Rüdiger Suchsland | 01.10.2015
    Burghart Klaußner als Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in einer Szene des Films "Der Staat gegen Fritz Bauer"
    Präzis und stimmig: Der Schauspieler Burghart Klaußner als Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in einer Szene des Films "Der Staat gegen Fritz Bauer". (dpa / Martin Valentin Menke/Alamode Film)
    "Niemand von Bonn bis Washington will Eichmann vor Gericht." - "Aber Landesverrat kann nicht die Lösung sein." - "Wollen Sie Gerechtigkeit oder nur 'ne neue Küche? Wenn wir etwas für unser Land tun wollen, dann müssen wir es in diesem Fall verraten."
    Dieser kurze Dialog ist der entscheidende: Denn in diesem Moment verlässt der Film die fünfzig Jahre zurückliegende historische Tiefebene und schwingt sich auf in die Höhen universaler Einsichten. Man muss nicht nur an Edward Snowden denken, um die Aktualität dieses Satzes zu erkennen: Manchmal liegt die Verfassungstreue im Rechtsbruch, der Patriotismus im Verrat - wobei natürlich immer auch die Frage ist, was genau man unter Verrat zu verstehen hat.
    Wenn der Patriotismus im Verrat liegt
    Der Mann, der solchen moralischen Konflikten ausgesetzt war, in die er, wie in der eingangs zitierten Szene, auch seine Mitarbeiter mit einbezog, war Fritz Bauer. Der große Frankfurter Generalstaatsanwalt, selbst Opfer der Nazi-Terrormaschine, Jude und Sozialist, war seit den 50er-Jahren Chefermittler gegen flüchtige Nazi-Mörder und vor allem alte Täterseilschaften, die diese schützten:
    "Was macht die Suche nach Bormann und Mengele?" - "Nichts Neues" - "Ja, was soll da schon passieren? Wenn in den zwölf Jahren nach dem Krieg auch nichts passiert ist."
    Kämpfer gegen zahlreiche Widerstände der deutschen Behörden
    Von einer westdeutschen Gesellschaft, die vor allem aufräumen, die Trümmer, auch die moralischen beseitigen und vergessen wollte, wurde er nach Kräften behindert:
    "Während ich weg war, ist aus meinem verschlossenen Büro schon wieder eine Akte verschwunden. Diesmal die des Einsatzgruppenkommandanten Schneider, der heute gemütlich bei Mercedes Benz in Stuttgart arbeitet. Meine eigene Behörde ist Feindesland. Und hier geht überhaupt nichts voran."
    Berühmt wurde Bauer als derjenige, der Adolf Eichmann aufspürte und vor Gericht brachte - aber eben nur in Israel, nicht in Deutschland, und nur mithilfe des israelischen Geheimdienstes, gegen zahlreiche Widerstände deutscher Behörden.
    Nicht die Täter waren das Problem - sondern ihre Beschützer
    Lange Jahre war Bauer nahezu vergessen, jetzt wird er wiederentdeckt - vom Kino, das ihm bereits den zweiten Spielfilm binnen eines Jahres widmet. Lars Kraume, ein schon in jungen Jahren routinierter Regisseur setzt ihm mit "Der Staat gegen Fritz Bauer" ein regelrechtes Denkmal.
    Dabei stellt Kraume den zentralen Konflikt, dem Bauer ausgesetzt war, deutlich heraus: Nicht die Täter waren das Problem. Sondern diejenigen, die ihnen halfen und sie schützten, die kein Interesse daran hatten, deutsche NS-Mörder vor Gericht zu sehen.
    Packendes Historiendrama über einen Helden des Rechtsstaats
    "Glauben Sie wirklich, der BND wüsste nicht, wo sich diese Leute verstecken? Eichmann würde in einem Prozess unzählige Namen im Zusammenhang mit der Endlösung nennen. Vielleicht sogar den von Staatssekretär Hans Globke. Globke kontrolliert das Kanzleramt, BND, Verfassungsschutz - und die CDU."
    Der Staat gegen Fritz Bauer ist ein packendes Historiendrama, und der Versuch des Regisseurs, seinem Publikum etwas zu präsentieren, das überaus selten ist im deutschen Kino: Einen deutschen Helden. Einen Helden des Rechtsstaats, wie des Widerstands gegen die Macht.
    Unterstützt wird er dabei von seinem Hauptdarsteller, dem ungemein wandlungsfähigen Burghart Klaussner. Klaussner zeigt hier viele Nuancen, ist präzis und stimmig.
    Der Film feiert die Zivilcourage eines Einzelnen, der erfolgreich den Kampf mit der Macht aufnimmt. Solche im besten Sinne didaktischen Filme kommen normalerweise eher aus den USA.
    Ein Heldenlied in der Kunst ist noch etwas anderes
    "Der Staat gegen Fritz Bauer" ist ein guter Film, er ist allerdings auch ein etwas braver Film. Denn hier machen die Guten alles richtig. Jede Handlung, jede Geste sitzt:
    "Weißt Du: Ich dachte nach '45 wirklich, wir hätten das Böse besiegt. Ich dachte, wir könnten jetzt eine neue Gesellschaft errichten: Frei. Gerecht. Brüderlich. Aber die Leute wollen gar keine Visionen. Die wollen ihre freundlichen Einfamilienhäuser einschließlich ihrer Kleinwagen kaufen. Die wollen Adenauers verfluchte Versöhnung.
    Die Restauration hat wieder mal die Revolution besiegt - wie schon so oft in Deutschland. Ich krieg hier drin noch nicht mal richtig Luft."
    Das stimmt alles. Aber sie sind vielleicht ein bisschen zu salbungsvoll und korrekt, diese Worte. Denn im Kino geht es ja nicht nur darum, etwas zu lernen. Oder eine paritätisch besetzte Talk-Show-Debatte zum Thema zu ersetzen. Sondern es geht auch um Exzess und Überschuss, um das Überraschende.
    Man lernt viel in diesem Film, man mag Bauer - aber ein Heldenlied in der Kunst ist noch etwas anderes. Eine Erfahrung, die einmalig ist. Ungesehene Bilder.