Freitag, 19. April 2024

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Der Generalstaatsanwalt und der Schriftsteller
Erkenntnisse aus der Korrespondenz zwischen Fritz Bauer und Thomas Harlan

"Thomas, mein Freund, wo in aller Welt käme ich hin, wenn ich fürchten müsste, dass Du meine Worte nicht im Sinn der völligen Verbundenheit interpretieren würdest", so heißt es in einem Brief des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer an den Schriftsteller und Filmemacher Thomas Harlan, Sohn von Veit Harlan, der in der NS-Zeit den Film "Jud Süß" drehte.

Von Hans Rubinich | 18.09.2015
    Eine schwarz-weiß Aufnahme von Fritz Bauer aus dem Jahr 1961.
    Fritz Bauer verstand die Aufarbeitung der Nazi- Verbrechen als Voraussetzung einer demokratischen Nachkriegsgesellschaft. (picture-alliance/ dpa /Goettert)
    Der Brief ist einer von 120 Briefen, die Bauer zwischen 1962 und 1968 schrieb und die das Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt am Main aktuell wissenschaftlich ausgewertet hat und veröffentlicht. Die Briefe erzählen von einer engen Freundschaft zweier höchst unterschiedlicher Menschen. Auf der einen Seite Fritz Bauer, der Mahner, der NS-Täter vor die deutschen Gerichte stellt. Auf der anderen Seite Thomas Harlan, der mit künstlerischen Mitteln gegen NS-Täter vorgeht, die in der Bundesrepublik wieder zu Amt und Würden gekommen sind.
    In Harlan sieht Bauer einen Verbündeten, einen Vertreter der jungen Generation, die das Schweigen der Väter und das grassierende Beschweigen der NS-Vergangenheit brechen will. Freilich so radikal, wie es Bauer in seinem Amt und als Justizjurist nie tun konnte. Die Briefe von Bauer an Harlan gewähren nun auch einen neuen Zugang zu dem Menschen Fritz Bauer. "Wer in ihm nur den ‚Nazi-Jäger‘ sieht, der verkennt den Menschen Bauer vollkommen", sagt Werner Renz vom Fritz-Bauer-Institut. Bauer sei ein couragierter Streiter für die Menschen- und Freiheitsrechte gewesen, aber auch ein seelisch Verletzter und innerlich Versehrter.
    Produktion: DLF 2015