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Kinofilm "Oldboy"
Qualvolle Bestrafung

Spike Lees Film "Oldboy" ist eine Lektion darüber, wie man Schuld auf sich lädt und wie man sie wieder los wird. Verstörende Bilder sind garantiert. In den USA spielte der Film nicht einmal seine Produktionskosten ein. Jetzt suchen die Filmemacher den Erfolg in Deutschland.

Von Josef Schnelle | 05.12.2013
    "Wo auch immer du bist. Ich werde dich finden."
    Ganz plötzlich und überraschend ist Joe gekidnappt worden. Danach hat man ihn 20 Jahre in ein lichtloses Verließ gesperrt mit lediglich einem Fernseher als Fenster zur Welt. So erfährt er auch vom gewaltsamen Tod seiner Exfrau und nimmt sich vor, sich zu ändern. Genau so plötzlich wie er gefangen genommen wurde, wird er wieder freigelassen. Nun kennt er nur einen Gedanken: Rache. Erst einmal muss er aber seinen Peiniger ausfindig machen. Das ist nicht nur der Ausgangspunkt des Thrillers "Oldboy", sondern auch des südkoreanischen Vorbilds gleichen Namens von Park Chan-Wook, das 2004 die Filmwelt schockierte und begeisterte.
    Die Erfolgskarriere des Originals - basierend auf einem Manga - begann damals mit dem Großen Preis der Jury in Cannes. Jetzt hat Spike Lee ein Hollywoodremake des modernen äußerst gewalttätigen Filmklassikers vorgelegt. Und ist daran gescheitert. Remakes scheinen sicheres Geld zu versprechen. Man nimmt einen nicht-amerikanischen Erfolgsfilm, besetzt ihn mit Hollywood-Stars und passt ihn an die Sehgewohnheiten des amerikanischen Publikums an. Und so wirken manche Remakes wie Erklärungs- und Interpretationsversuche des Originals, gerade wenn sie so fremd und eigenartig daherkommen wir ein koreanischer Kultfilm.
    Man kann Remakes auch einfach als Taschengeldbetrug links liegen lassen, jedoch verraten sie auch viel über die Geostrategie der Filmmetropole und über kulturelle Differenzen. Sichtbares Zeichen für die unbeholfenen Aktualisierungsversuche ist zum Beispiel in diesem Film, dass sich die wichtigste Kommunikation über das iPhone vollzieht. So meldet sich der geheimnisvolle Gegenspieler bei Josef Doucett:
    "Hallo“ – "Hallo Josef. Wie war Dein erster Tag in Freiheit. Ich bin davon überzeugt, dass wir allein für unsere Entscheidungen verantwortlich sind und wir die Konsequenzen jeder Tat, jedes Wortes und jedes Gedankens tragen müssen. Unser ganzes Leben lang."
    Der Weg zur Wahrheit führt über Inzest und Tabuverletzung
    Mit dieser kleinen Begrüßungsrede ist auch gleich der besondere Tonfall von Spike Lees Film angeschlagen. Es geht im Wesentlichen um Moral, darum, wie man Schuld auf sich lädt und ob und wie man sie wieder abträgt. Joe ist zu Beginn des Films ein haltloser Säufer, außerdem ein schlechter Ehemann und ein noch schlechterer Vater für seine dreijährige Tochter. Der Weg zur Wahrheit führt über Inzest und Tabuverletzung und zahllose Gewalttaten vorzugsweise mit Hammer und Rasiermesser. Anders als bei Park Chan-Wook müht sich Spike Lee auch noch die kleinste psychologische Verästelung zu erklären, was besonders am Ende – das hier nicht verraten werden darf, falls nach dieser Kritik überhaupt noch jemand ins Kino gehen will – fast peinlich wirkt. Was bei Park Chan-Wook düster, rätselhaft und archaisch war, soll bei Lee diabolisch und trickreich sein, wirkt aber flach und fast unfreiwillig komisch, wenn der Strippen ziehende Milliardär die durchsichtigen Spielchen, die er mit Joe spielt endlich erklärt.
    "Hallo – Ich fand es an der Zeit, dass wir uns kennenlernen."
    Übrigens scheint das Wegsperren von Racheopfern in Amerika ein regelrechter Industriezweig zu sein, denn es wird angedeutet, dass Hunderte andere Opfer im selbstverwalteten Knast schmoren und man kann sich sogar selbst reinkaufen, wenn man mit dem Leben nicht mehr zurechtkommt. Spike Lee, der in den 1980er Jahren als Mitbegründer des "New Black Cinema" angefangen hat und sich stets als Kämpfer gegen Rassismus und Intoleranz verstand, war mit seinen Filmen immer provokant und unerschrocken. Er entdeckte Oscarpreisträgerin Hale Berry und verhalf mit seiner Filmbiografie des radikalen Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung "Malcolm X" dem Schauspieler Denzel Washington zum Karrieredurchbruch.
    In den letzten Jahren ist es allerdings still geworden um Spike Lee. Mit mehreren Studioproduktionen nach Drehbüchern aus der Filmfabrik erlitt er Schiffbruch wie auch mit "Oldboy", der in den USA schon im Frühjahr nicht einmal die Produktionskosten einspielte. Zum schrägen Image des Films trägt insbesondere Hauptdarsteller Josh Brolin bei, der bei jeder Gelegenheit schrecklich zu dick aufträgt, als Trinker wie als Hammermörder. Fast scheint es so, als sei gar kein Regisseur am Set gewesen. Hoffentlich bereitet der schon einen echten Spike-Lee-Joint vor, so nannte er früher einmal seine Filme und so waren sie auch.