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Kinostart vor 30 Jahren
Aufstand im "Club der toten Dichter"

Am 2. Juni 1989 startete "Der Club der toten Dichter" in den US-Kinos. Regisseur Peter Weir etablierte nicht nur Robin Williams in der Rolle des Lehrers John Keating als ernsthaften sensiblen Schauspieler, sondern schuf mit seinem Film auch ein eindrucksvolles Plädoyer für das freie Denken.

Von Hartmut Goege | 02.06.2019
    Robin Williams in seiner Rolle als Englischlehrer John Keating
    "O Captain, my Captain" - ein Zitat aus dem Film "Club der toten Dichter" (imago / United Archives)
    Seit 100 Jahren werden die neuen Schüler der Welton Academy in einer Feierstunde auf diese "Tugenden" eingeschworen. Es ist das Jahr 1959. In dem erzkonservativen, autoritären Jungen-Internat an der amerikanischen Ostküste, einer Vorbereitungsschule für Elite-Universitäten, werden die Söhne einer wohlhabenden Oberschicht nach einem strengen Lehrplan auf ihre späteren Karrieren vorbereitet.
    Hinter vorgehaltener Hand aber verkehren die Schüler die Prinzipien der Schule ins Lächerlich-Absurde:
    "Gentlemen, die vier Grundprinzipien: Travestie, Ekel, Dekadenz, Lethargie."
    Das ist aber auch schon die einzige, zaghaft-verhaltene Form von Aufmüpfigkeit, die sich die Schüler leisten; bis ein neuer Englischlehrer ihren Unterricht übernimmt.
    "O Captain! My Captain! - Wer weiß, von wem das ist? - Keine Ahnung? - Es ist aus einem Gedicht von Walt Whitman, über Mr. Abraham Lincoln. Also, Sie sprechen mich entweder mit Mr. Keating an. Oder, wenn Sie etwas mutiger sind, sagen Sie ‚O Captain, mein Captain.‘"
    Aufforderung zum freien Denken
    John Keating verblüfft seine Schüler von Beginn an durch unkonventionelle Lehrmethoden: so lässt er sie antiquierte Interpretationen von Lyrik aus den Schulbüchern reißen oder ermuntert Sie während des Unterrichts auf Tische zu steigen, um andere Perspektiven zu entdecken.
    "Von hier oben sieht die Welt wirklich anders aus. Glauben Sie mir nicht? Dann steigen Sie selbst hier hoch. Kommen Sie. Gerade, wenn man glaubt etwas zu wissen, muss man es aus einer anderen Perspektive betrachten, selbst wenn es einem albern vorkommt oder unnötig erscheint."
    "Der Club der toten Dichter", am 2. Juni 1989 in den USA uraufgeführt, zählte schon bald zu den erfolgreichsten neuen Kinoproduktionen des Jahres. Mit diesem Filmdrama etablierte der australische Regisseur Peter Weir Robin Williams in der Rolle des Englischlehrers, der seinen Schülern nicht nur die Kraft der Poesie vermitteln, sondern auch aus ihnen eigenständig denkende Menschen machen möchte, als ernsthaften sensiblen Schauspieler.
    "Ich möchte an dieser Stelle Whitman zitieren: 'Ich und mein Leben. Die immer wiederkehrenden Fragen. Der endlose Zug der Ungläubigen. Die Städte voller Narren. Wozu bin ich da, wozu nützt dieses Leben. Die Antwort: Damit du hier bist. Damit das Spiel der Mächte weiterbesteht und du deinen Vers dazu beitragen kannst'."
    Unkonventionelle Lehrmethoden statt Disziplin und Auswendiglernen
    Keating, selbst ein ehemaliger Zögling des Internats, ermutigt seine Schüler, ihre eigenen Begabungen zu erforschen. Als sie herausfinden, dass er während seiner Schulzeit einer Art Geheimbund, dem "Club der toten Dichter", angehörte, wollen sie diesen Club wiederaufleben lassen. Seine Mitglieder verstanden sich als Romantiker. Gegen den grauen Schulalltag treffen sich Keatings Schützlinge nun nachts in einer konspirativen Höhle, um eigene oder die Werke alter Dichter vorzutragen, zu musizieren oder einfach nur heimlich zu rauchen. Keatings Methoden begeistern zwar seine Schüler, bei Schulleitung und Kollegen aber stößt er auf Skepsis.
    "Ich finde es sehr riskant, diese Jungs zu ermutigen, Künstler zu werden, John. Denn wenn sie feststellen, dass sie keine Rembrandts, Shakespeares oder Mozarts sind, werden sie Sie verachten." – "Es geht nicht um Künstler, George, wir reden über Freidenker."
    In dieser Atmosphäre entdeckt der sensible Schüler Neil seine Leidenschaft für das Theater. Und hier beginnt die dramatische Wende im Film. Denn Neils Lebensweg wurde von seinem tyrannischen Vater genau vorgeplant.
    "Nein, das kann ich nicht, ich spiele die Hauptrolle, morgen Abend ist Premiere!" "Und wenn morgen Abend die Welt untergeht, jetzt ist Schluss mit der Schauspielerei. Ist das klar?"– "Ja, Sir!"
    "Es geht nicht um Künstler, George, wir reden über Freidenker"
    Als der Vater Neil androht, ihn auf eine Militärakademie zu schicken, wählt der Junge aus Verzweiflung den Freitod. Den Verantwortlichen für diese Tragödie haben Eltern und Schulkollegium schnell ausgemacht: John Keating und seine liberalen Ideen vom Recht auf Selbstbestimmung. Er wird von der Schulleitung entlassen, das etablierte System von Strenge und Disziplin scheint sich wieder durchzusetzen. Doch die bewegende Schluss-Szene wirkt versöhnlich. Als Keating persönliche Sachen aus der Klasse abholt, steigen die Schüler gegen den Willen des Schulleiters auf die Tische, um ihrem Lehrer symbolisch ihre Solidarität zu beweisen.
    "O Captain, mein Captain!" – "Setzen Sie sich! Sie sollen sich setzen!"
    Peter Weirs emotionales Filmdrama über die identitätsstiftende Rolle von Poesie und Literatur ist bis heute ein eindrucksvolles Plädoyer gegen repressive Erziehungsmethoden und für die Entfaltung von Individualität, Selbsterfahrung und Lebensfreude.