Migration und Flucht
Kirchen äußern sich kritisch zu Obergrenzen und Abweisung

In der Migrations- und Geflüchtetenfrage wehrt sich der Beauftragte für Flüchtlingsfragen der Evangelischen Kirche in Deutschland, Stäblein, gegen Obergrenzen und Einschnitte im Asylrecht.

24.09.2023
    Flüchtlinge, die auf der Insel Lampedusa ankommen und in der Sonne laufen während sie von der Polizei beobachtet werden.
    Auf der Flucht und auf der Suche nach einem besseren Lebensumfeld: Die Zahl der Migrantinnen und Migranten, der Geflüchteten und Schutzsuchenden hat in diesem Jahr deutlich zugenommen. (IMAGO / ZUMA Press / IMAGO / Ciro Fusco)
    Die Menschen suchten in schweren Notlagen Schutz, sagte Stäblein der Deutschen Presse-Agentur. Es sei ein Gebot der Humanität und der christlichen Nächstenliebe, diese Menschen zunächst einmal als Menschen anzunehmen. Nötig sei eine Erneuerung des gesellschaftlichen Pakts zur Aufnahmebereitschaft, mahnte der evangelische Bischof an.
    Angesichts des Zulaufs für die migrationskritische AfD sei es wichtig, im Gespräch zu bleiben und konkrete Probleme etwa bei der Unterbringung gemeinsam zu lösen. Ein Abschottungsdiskurs und die Etikettierung als Festung werde die Extreme eher stärken. Das schade am Ende dem gesellschaftlichen Frieden.

    Theologe Hose: "Kirchen mangelt es an Glaubwürdigkeit"

    Der katholische Pfarrer und Theologe Hose erklärte, die katholische Kirche äußere sich zur Migrationsfrage derzeit wenig, weil ihr in der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit fehle. Außerdem sei gesamtgesellschaftlich eine Diskursverschiebung nach Rechts zu beobachten, von der er vermute, dass auch die katholische Kirche davon zum Teil erfasst werde, sagte Hose im Deutschlandfunk.
    Grundsätzlich seien die Kirchen - und insbesondere die katholische - als moralische Instanz diskreditiert. Beinahe wöchentlich erlebe man Schlagzeilen über kirchliche Führungspersönlichkeiten oder Bischöfe; allerdings nicht wegen Appellen, mehr Humanität in der Flüchtlingsdebatte zu zeigen, sondern wegen ungeheurer Missbrauchsverbrechen. Mit der Stimme der Bischöfe falle eine ganz wesentliche in der Diskussion weg. Dies sei vor allem in den ersten Jahren der Amtszeit von Papst Franziskus anders gewesen. Franziskus spreche auch ganz aktuell davon, dass Flüchtlinge keine Invasoren seien, sondern Schutzsuchende.

    "Kirchenasyl für normale Gemeinden kaum noch zu machen"

    Zudem gehe auch die Bereitschaft, Kirchenasyl anzubieten, zurück. Das liege daran, dass die Kirchen mit den Ländern und dem Bund im Gespräch seien, das Kirchenasyl aus dem Bereich des "zivilien Ungehorsams" herauszuholen. Kirchenasyl sei für normale Gemeinden nicht mehr machbar.
    Hose mahnte mehr Engagement der Kirchen in der Migrationsfrage an. Es gebe kein Zuviel des gesellschaftlichen Engagements der Kirchen. Man müsse aber auch immer wieder über die Motive sprechen, warum man sich einmische. Die biblische Botschaft sei schon immer eine politische gewesen. Es sei notwendig, sich immer wieder bewusst zu machen, warum man sich zu Wort melde.

    EU-Bischöfe setzen auf "faire Lösungen"

    Die EU-Bischöfe hatte die Regierungen der 27 Mitgliedstaaten zuvor zu mehr Tempo beim geplanten Pakt zu Migration und Asyl aufgefordert. Der Präsident der EU-Bischofskommission COMECE, Bischof Crociata, sagte, es sei fundamental, einen Koordinierungsmechanismus für "faire Lösungen" zwischen den EU-Staaten einzurichten. Dieser müsse auch eine Zusammenarbeit mit Drittstaaten einschließen. Die Herausforderungen bei der Steuerung von Migration dürften "nicht die nötige Geschwisterlichkeit gegenüber Migranten in verletzlichen Situationen trüben".
    Papst Franziskus hatte zuletzt in Marseille zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer aufgerufen. Dies sei eine Frage der Menschlichkeit und damit verpflichtend.
    Diese Nachricht wurde am 24.09.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.