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Kirchen kritisieren Waffenhandel

Deutschland hat im Jahr 2010 mit dem Export von Waffen und Rüstungsgütern so viel Geld eingenommen wie noch nie. Das zeigt der aktuelle Rüstungsexportbericht. Die Kirchen kritisieren besonders die Exporte nach Saudi-Arabien.

Von Michael Hollenbach | 12.12.2011
    "Karl Jüsten: "Saudi-Arabien ist keine Demokratie, der ganze Bereich um Saudi-Arabien herum ist äußerst destabil und wir haben die Befürchtung, dass durch weitere Panzer in dieser Region die Situation nicht stabiler wird.""

    sagt Prälat Karl Jüsten, sozusagen der Verbindungsmann der katholischen Kirche zur Bundesregierung und zum Bundestag. Und er ist der katholische Vorsitzende der GKKE, der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, die jedes Jahr eine kritische Begutachtung der deutschen Rüstungsexporte vorlegt. Bernhard Moltmann ist einer der Autoren dieses Rüstungsexportberichts. Er hält die Begründung Saudi-Arabiens, die Panzer zur Abschreckung des Jemens als potentiellen militärischen Gegners zu benötigen, für wenig glaubwürdig:

    "Bernhard Moltmann: "Das ist ja das Problem mit dem Panzergeschäft mit Saudi-Arabien, dass die Panzertypen, die da im Gespräch sind, auch geeignet sind für städtische Auseinandersetzungen, und die können dann auch zu Repressionszwecken benutzt werden.""

    Der aktuelle Rüstungsexportbericht der Kirchen weist darauf hin, dass saudische Spezialeinheiten im März dieses Jahres mit Panzern gegen die Protestbewegung in Bahrain vorgegangen sind. Das Argument einer vermeintlichen Stabilisierung einer Region muss auch bei einem anderen Rüstungsgeschäft der Bundesregierung herhalten. Im Sommer hatte Angela Merkel während einer Afrika-Reise angekündigt, den Export von Patrouillenbooten nach Angola genehmigen zu wollen. Der aktuelle Rüstungsexportbericht der kirchlichen GKKE lehnt die Lieferung nach Angola ab:

    "Das herrschende politische System stellt Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Frage. Korruption und Unterdrückung von Opposition und Meinungsfreiheit sind an der Tagesordnung. Grenzkonflikte mit der Demokratischen Republik Kongo und Kongo-Brazzaville bestehen fort."

    Das Ganze liest sich wie ein Musterbeispiel für eine Region, in die man keine Waffen exportieren sollte. Rüstungsexporte müssen nicht immer Panzer oder Patrouillenboote sein. Viel gefährlicher sind oft Kleinwaffen: Ein Beispiel hierfür sind die deutschen G-3-Gewehre von Heckler und Koch, die in Gaddafis libyscher Armee aufgetaucht sind. Gerade die Wege der Gewehre von Heckler und Koch sind schwer nachzuprüfen. Denn mittlerweile werden die G-3-Gewehre in Lizenz auch im Iran, in Pakistan, in der Türkei und demnächst in Saudi-Arabien produziert.

    "Bernhard Moltmann: "Wertmäßig fallen die kleinen Waffen, Gewehre, Pistolen, Maschinengewehre, in den Statistiken fast gar nicht ins Gewicht, weil die vergleichsweise billig sind, aber in den Wirkungen sind sie natürlich schrecklich und vor allem lässt sich deren Weiterverbreitung überhaupt nicht kontrollieren.""

    Befürworter deutscher Rüstungsexporte verweisen gern darauf, dass der Großteil der Waffenexporte unproblematisch sei, da die meisten Rüstungsgüter an NATO- und EU-Staaten geliefert würden. Doch dass auch Waffengeschäfte mit Nato-Partnern brisant sein können, zeigt das Beispiel Griechenland. Der finanziell marode Staat gehört seit Jahren zu den besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie. Im vergangenen Jahrzehnt wurden allein aus Deutschland Rüstungsgüter im Wert von jährlich 300 Millionen Euro nach Griechenland geliefert – Tendenz steigend.

    "Bernhard Moltmann: "Ein Skandal ist, dass selbst in der großen Verschuldungskrise Griechenlands 2010 noch200 Haubitzen geliefert worden sind, und es auch einen Druck auf die griechische Regierung gab, Verträge zum Bau von U-Booten abzuschließen und noch zusätzlich ein neues U-Boot in Deutschland zu kaufen. Griechenland ist total überrüstet.""

    Der Stückpreis für das High-Tech-U-Boot beträgt übrigens rund 500 Millionen Euro. Rüstungsgüter kommen manchmal ganz harmlos daher, sagt der Friedensforscher Bernhard Moltmann. So hatte sich beispielsweise Gaddafis Libyen intensiv mit deutscher Kommunikationstechnik eingedeckt, das war die technische Grundlage, um die Oppositionsbewegung zu überwachen.

    "Bernhard Moltmann: "Es gibt jetzt ähnliche Fälle, gerade letzte Woche bekannt geworden, dass Syrien Telefonüberwachungsanlagen aus Deutschland bekommen habt und das ist natürlich gerade jetzt angesichts der Aufstandsbewegungen, die sich über Internet oder Telefon miteinander verständigen, besonders delikat.""

    Die Kirchen kritisieren in ihrem Rüstungsexportbericht viele Genehmigungen der Bundesregierung, aber, so Prälat Karl Jüsten, sie würden die Produktion von Waffen nicht grundsätzlich ablehnen.

    "Karl Jüsten:" Waffen können Schaden anrichten, aber Waffen können auch dazu beitragen, dass stabile Verhältnisse da sind. Von daher sind wir nicht grundsätzlich gegen Waffen, aber wir sind diejenigen, die anmahnen, dass Waffen nicht die Möglichkeit sind, um Konflikte zu lösen.""

    Der Friedensforscher Bernhard Moltmann, maßgeblicher Autor des kirchlichen Rüstungsexportberichts, betont zugleich, dass die Kirchen sehr strenge Kriterien für deutsche Waffenausfuhren anlegen.

    "Bernhard Moltmann: "Die GKKE geht von einer relativ harten Maxime aus, dass der Export von Waffen und Rüstungsgütern nach den gleichen Maßstäben zu bewerten ist wie der Einsatz von Gewalt. Denn Waffen sind Mittel, um Menschen zu bedrohen oder zu töten.""