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Kita-Tarifkonflikt
"Kommunen können bei den Erzieherinnen-Gehältern nicht draufsatteln"

Im Tarifstreit um die Erzieherinnen und Erzieher an den öffentlichen Kitas bleiben die Kommunen hart: Der Städte- und Gemeindebund schließt deutliche Erhöhungen weiter aus - das bekräftigt sein Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Er verweist auf die finanzielle Lage der Kommunen - und auf Feuerwehrmänner, die auch nicht mehr verdienen.

Gerd Landsberg im Gespräch mit Christoph Heinemann | 14.08.2015
    Gerd Landsberg in Anzug und Krawatte vor blauem Hintergrund.
    Verweist auf die Finanznöte der Kommunen: Gerd Landsberg. (dpa / picture alliance)
    Landsberg erinnerte an die jüngste Studie der Bertelsmann-Stiftung, wonach sich die finanzielle Lage in vielen Kommunen weiter verschärft hat. Dazu komme das Problem der Flüchtlingsunterbringung mit gravierenden finanziellen Folgen, sagte Landsberg im Deutschlandfunk. Deshalb könne man bei den Gehältern nicht draufsatteln. Schon der von den Gewerkschaften abgelehnte Schlichterspruch sei den Kommunen sehr schwer gefallen.
    Diese müssten zudem darauf achten, dass sich die Bezahlung der Erzieher in das Gehaltssystem des Öffentlichen Dienstes einfüge. Ein Feuerwehrmann etwa habe auch eine lange Ausbildung hinter sich, verdiene aber weniger. Bei den anderen Kita-Trägern wie etwa den Kirchen sei das Gehaltsgefüge ebenfalls teilweise deutlich niedriger, argumentierte der Hauptgeschäftsführer.
    Landsberg verwies darauf, dass die Erzieherinnen und Sozialarbeiter bereits im März von der Gehaltserhöhung im Öffentlichen Dienst profitiert hätten. Er warf den Gewerkschaften vor, bei ihren Mitgliedern unerfüllbare Erwartungen geweckt zu haben. Nun gehe man von neuen Streiks im Oktober aus, meinte Landsberg. Am Ende werde sich eine Einigung dennoch in der Höhe des Schlichterspruchs bewegen.
    Ob die Stimmung unter den Eltern bei erneuten Streiks noch einmal so günstig für die Erzieher sein werde, dessen sei er sich nicht so sicher, fügte Landberg hinzu.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Die Tarifverhandlungen für die Erzieherinnen und Erzieher der Kitas sind festgefahren. Im Oktober drohen Streiks. Gewerkschaften und Arbeitgeber wollen allerdings weiter miteinander reden. Im Juli hatten zwei Schlichter Lohnerhöhungen zwischen zwei und 4,5 Prozent empfohlen. Viel zu wenig, sagen die Erzieherinnen und lehnten den Spruch ab. Guter Rat wird vermutlich teuer sein. Am Telefon ist jetzt Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Guten Morgen.
    Gerd Landsberg: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Landsberg, was nun?
    Landsberg: Ja, schwierige Frage. Aus meiner Sicht muss sich die Gewerkschaft bewegen. Sie haben es ja anmoderiert, 3,2 Prozent im Schnitt. Das heißt, für Einzelne sind es sogar sechs Prozent. Und was in der öffentlichen Diskussion aus meiner Sicht zu wenig gesehen wird: Es sind nicht normale Tarifverhandlungen. Es sind Tarifverhandlungen nur für die Eingruppierung der Erzieherinnen. Das heißt, alle Erzieherinnen, über die wir jetzt hier reden, haben bereits am 1. März 2,5 Prozent wie der Öffentliche Dienst insgesamt bekommen. Eigentlich muss man das ja auch dazurechnen. Deswegen hat auch die Arbeitgeberseite gestern gesagt, wir sind zur Einigung bereit, aber auf der Basis des Schlichterspruchs. Das ist ein austarierter Kompromiss. Das ist auch nicht mal eben in einer Nacht- und Nebelaktion geschaffen worden, sondern in langen Verhandlungen auch zwischen den Schlichtern, und die Gewerkschaftsspitze hat diesem Schlichterspruch ja zunächst zugestimmt. Insofern haben wir schon eine ganz besondere Situation.
    Erzieherinnen-Gehalt: Kein Reichtum, aber auch keine Armut
    Heinemann: Herr Landsberg, Mathematik ist grausam. 3,2 oder 2,5 Prozent von wenig ist immer noch wenig.
    Landsberg: Das ist richtig. Die Frage ist nur: Ist es wenig? Ich habe ja an anderer Stelle schon mal gesagt, wenn Sie sich das Gehalt einer Erzieherin - zugegeben: Eingangsamt-Endstufe liegt zurzeit mit dem Schlichterspruch bei 3.800, eine Kita-Leiterin (Endstufe) bei 5.197 -, das ist kein Reichtum. Aber Armut ist es auch nicht. Vielleicht macht es Sinn, einmal in die Geschichte auch der Gewerkschaft zu schauen. Wir haben so eine Situation gehabt, nämlich 1992...
    Heinemann: Bei der Urabstimmung mit der ÖTV.
    Landsberg: Richtig! Und da hat ja die Gewerkschaft auch 9,5 Prozent gefordert. Lange Streiks, am Ende gab es 5,4 und die Basis, die natürlich eine andere Erwartung hatte, hat das abgelehnt. Was hat die damalige Vorsitzende gemacht? Frau Wulf-Mathies hat den Streik gegen das Mehrheitsvotum beendet und es ist zu einem Kompromiss gekommen. Ich kann das nur empfehlen.
    Heinemann: Tempi passati. Welche Folgen hätte denn ein deutlich höherer Tarifabschluss für Städte und Gemeinden?
    Landsberg: Wir haben das schon kommuniziert. Es sind mehrere hundert Millionen und Sie wissen, dass es den Kommunen nicht gut geht. In Ihren eigenen Nachrichten ist gerade noch mal dargestellt worden die Analyse der Bertelsmann-Stiftung, dass ein Großteil der Kommunen immer neue Kassenkredite aufnehmen muss.
    Es kommt ein Weiteres hinzu: die Flüchtlingsproblematik. Wir wissen, das ist die Herkules-Aufgabe für die Kommunen mit gravierenden finanziellen Folgen. Deswegen bin ich, ehrlich gesagt, auch nicht so sicher, ob die Stimmung bei den Eltern, auch in der Öffentlichkeit, wenn jetzt wieder Streiks in den Kitas kommen, ob die so positiv ist wie beim letzten Mal.
    Gewerkschaft hat Erwartungen geweckt, die sie nicht erfüllen konnte
    Heinemann: Das ist aber doch nicht die Schuld der Erzieherinnen, dass die Kämmerer mit dem Geld nicht auskommen.
    Landsberg: Nein! Das ist nicht die Schuld der Erzieherinnen. Aber es ist die Schuld der Gewerkschaft, dass sie Erwartungen geweckt hat, die sie nicht erfüllen konnte, und das war aus meiner Sicht von Anfang an klar. Auch Erzieherinnen, bei aller Anerkennung ihrer wichtigen Aufgabe, müssen sich in das Gehaltsgefüge des Öffentlichen Dienstes einfügen. Und ein Feuerwehrmann, der hat eine genauso lange Ausbildung, der verdient sogar weniger. Das heißt, wir müssen ja auch ein bisschen darauf achten, dass das Gefüge stimmt.
    Es gibt einen weiteren Hinweis. Es gibt in Deutschland insgesamt 59.000 Kindergärten. Davon sind 17.900 kommunale, über die wir jetzt hier reden. Die anderen sind kirchliche Träger oder Wohlfahrtsverbände, und wenn Sie sich dort das Gehaltsgefüge anschauen, das ist teilweise deutlich ungünstiger als bei den Kommunen.
    Heinemann: Das heißt, Sie befürchten auch, dass dieses Gehaltsgefüge in Schieflage geraten könnte und andere Berufsgruppen sagen, wir möchten auch aufgewertet werden?
    Landsberg: Richtig, genau. Dann wird die Konstruktion in Gefahr kommen und unsere ohnehin immensen Personalkosten weiter dramatisch ansteigen. Deswegen ist ja auch dieser Schlichterspruch der kommunalen Seite ausgesprochen schwergefallen. Der Begriff Schmerzgrenze, der da verwandt wird, der ist schon zutreffend. Ich glaube nicht, dass wir da draufsatteln können und auch nicht werden.
    Heinemann: Wobei es auf der anderen Seite auch eine Schmerzgrenze gibt. - Jetzt hat Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig gefordert, das Geld für das Betreuungsgeld, die frei gewordenen Mittel oder die nicht verplanten Mittel nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts, für die Kitas auszugeben. Ist das eine gute Idee?
    Anfang Oktober wird es Streiks geben
    Landsberg: Das ist eine sehr gute Idee. Wir haben ja nach wie vor Erwartungen der Mütter, die immer schneller in den Beruf zurück wollen, und die Wirtschaft will das auch, dass es ausreichende gute, qualifizierte Kita-Plätze gibt. Insofern wäre das wichtig, diese 900 Millionen, sind es ja im Jahr, zusätzlich in den Ausbau und die Qualifizierung hineinzubringen. Man muss weiter sehen: Wenn das Betreuungsgeld ja jetzt wegfällt - das eine oder andere Bundesland wird es vielleicht weiterführen, das weiß ich nicht -, dann werden natürlich viele Eltern erst recht einen Kita-Platz fordern. Insofern muss das Geld in den Ausbau und die Qualität der Kinderbetreuung und nicht in den Haushalt von Herrn Schäuble.
    Heinemann: Frage an den Hellseher Gerd Landsberg. Wie bekommen wir die Kuh vom Eis?
    Landsberg: Ich bin leider kein Hellseher.
    Heinemann: Schade.
    Landsberg: Aber ich glaube, es wird Anfang Oktober Streiks geben, und ich glaube, am Ende wird man sich zumindest in dem Volumen des Schlichterspruchs bewegen müssen.
    Heinemann: Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Landsberg: Bitte schön! Auf Wiederhören, Herr Heinemann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.