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Klage gegen Baubeginn
Nistplatz statt Einheitsdenkmal

Der Naturschutzbund Berlin fordert eine neue Heimstatt für die seltene Wasserfledermaus. Die pflegt ihren Nachwuchs ausgerechnet in dem Sockel, auf dem das Einheitsdenkmal stehen soll. Die Klage des NABU verzögert voraussichtlich den Baubeginn - zur Freude der Kritiker.

Von Vladimir Balzer | 22.10.2019
Eine Wasserfledermaus hängt am Freitag (13.01.2012), während der Fledermauszählung, an einer Wand im Kellergewölbe der alten Brauerei in Frankfurt (Oder). Etwa 1500 Fledermäuse überwintern derzeit im Keller einer ehemaligen Brauerei.
Die Wasserfledermaus hat es sich im Denkmalsockel gemütlich gemacht (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
Mitten in Berlin, gegenüber dem Humboldt-Forum, sollte eigentlich seit diesem Herbst eine große Schale stehen, die in Bewegung gerät, wenn Menschen sie betreten: das Einheits- und Freiheitsdenkmal. Seit vielen Jahren gibt es Planungen dafür, doch offenbar ohne die Wasserfledermaus. Die hat es sich in dem alten Sockel gemütlich gemacht, auf den das Denkmal soll.
Und da kommt der Chef des NABU Berlin ins Spiel. Anruf bei Rainer Altenkamp. Sein Verband klagt jetzt gegen die aus seiner Sicht zu laschen Naturschutz-Auflagen des Landes Berlin.
Einzige Brutstätte in der Hauptstadt
Dieser Sockel, auf dem früher Wilhelm I. stand, ist der einzige bekannte Ort, an dem Wasserfledermäuse in der Hauptstadt ihren Nachwuchs aufziehen.
"Die Weibchen sitzen da in Gruppen zusammen und bringen zusammen ihre Jungen zur Welt."
Auf die Frage hin, ob sich eine der verantwortlichen Behörden mit ihm ausgetauscht hätte, gibt Rainer Altenkamp eine klare Antwort:
"Nö. Das wäre sicherlich hilfreich gewesen."
Und – ja! – man ist in Berlin einiges an Verwaltungsdefiziten gewohnt. Aber das ist auch für Rainer Altenkamp eine neue Dimension. Die schützenswerten Tiere leben da schon seit langem. Es hätte viel Zeit gegeben, das Problem zu lösen.
"Das habe ich in der Form in Berlin schon lange nicht mehr gesehen, so ein Verhalten."
Unendliche Geschichte
Die Klage seines Verbandes stoppt das Projekt. So lange die genehmigende Behörde, in dem Fall der Berliner Umweltsenat, nicht wiederum dagegen vorgeht. Die Geschichte ist also noch lange nicht zu Ende. Auch der Bauherr, der Bund, könnte noch juristisch gegen die Naturschutzauflagen vorgehen. Wenn das so weitergeht, werden sich Beteiligte vor Gericht wiedersehen. Und dann wird das Denkmal auch im nächsten Herbst, zum Einheitsjubiläum, nicht einmal begonnen sein. Das wiederum würde Kritikern wie dem Architekturexperten Niklas Maak zu pass kommen.
"Es gibt ja schon ein Wiedervereinigungsdenkmal. Das ist das Brandenburger Tor. Da muss man nicht mühsam was dazu basteln, vor allem nicht vor dem Schloss, was ja selbst ein komisches überladenes Symbol ist. In Verbindung mit der Wippe führt das zu einer veritablen Symbolgrütze."
AfD für Sanierung des Wilhelm-Sockels
Auch im Bundestag selbst gibt es seit dem Einzug der AfD Widerstand gegen das Denkmal in dieser Form, an diesem Ort. Schon letztes Jahr startete die Fraktion einen Antrag gegen den Bau, der scheiterte. Die AfD will statt des Denkmals den Wilhelm-Sockel sanieren und die alten preußischen Kolonnaden wieder sehen. Der kulturpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Marc Jongen sagt es so:
"An den Mauerfall und die Einheit sollte durchaus erinnert werden, aber dafür eignen sich andere Standorte wie der Alexanderplatz oder der Platz der Republik viel besser. Wir finden, es sollte eine Neuausschreibung geben, in der ein würdiger Entwurf gefunden wird."
Ungeduld wächst
Und dennoch: Die Mehrheit für den Entwurf des Designbüros Milla & Partner steht noch im Bundestag. Aber die Ungeduld wächst: etwa bei den Grünen. Deren baupolitischer Sprecher ist Christian Kühn:
"Ich erwarte, dass Frau Grütters Schub macht und dass wir noch in diesem Jahr den Spatenstich feiern können."
Schon kommen Zweifel auf, ob es die Einheitswippe je geben wird.
"Für mich ist es gar keine Frage: Dieses Einheitsdenkmal wird gebaut!"
Zurückhaltung im Kulturstaatsministerium
An dieser Entschlossenheit scheint es jedoch dem Bauherrn, dem Kulturstaatsministerium unter CDU-Frau Monika Grütters, zu mangeln. Sie mag das Denkmal nicht, hört man aus ihrem Umfeld, sie tue nur das Nötigste. Das gilt auch für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Auskünfte sind spärlich, Interviews zum Thema Einheitsdenkmal lehnt sie ab. Dasselbe gilt für das ausführende Design-Büro, das offenbar vom Kulturstaatsministerium einen Maulkorb verpasst bekommen hat.
Doch auch der Koalitionspartner SPD wird nach Jahren der Verzögerungen langsam ungeduldig. Der kulturpolitische Sprecher der Fraktion ist Martin Rabanus.
"Ich finde es tatsächlich sehr bedauerlich, dass es noch keinen sichtbaren Fortschrift beim Freiheits- und Einheitsdenkmal gibt!"
Erinnerung an Friedliche Revolution
Wie auch immer man zu dem konkreten Entwurf steht – es wäre das einzige zentrale Denkmal dieser Republik, das an die Friedliche Revolution und die Einheit erinnert. Für Rabanus ein gewichtiges Argument, endlich mit dem Bau zu beginnen.
"Es geht darum, jetzt, 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution und im kommenden Jahr 30 Jahre deutsche Einheit, denjenigen, die das erstritten haben, den Menschen auf den Straßen, die sich gegen das DDR-Regime aufgelehnt haben, einen würdigen Ort zu bieten."
Doch trotz verbindlicher Mehrheitsentscheidungen ist der Bau noch immer ungewiss. Der politische Druck, das Denkmal in der Form an diesem Ort zu errichten, ist einfach zu gering.