Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Klassik-Musikbranche
Opus-Preis - alter Wein in neuen Schläuchen

Der Nachfolge-Preis des Echo heißt Opus Klassik - und schließt in seiner Belanglosigkeit nahtlos an den letzten Echo an. Die Veranstaltung im Berliner Konzerthaus stellt sich als eine Dauerwerbesendung mit aufwendiger Kunstsimulation dar.

Von Uwe Friedrich | 15.10.2018
    Juan Diego Florez, Opernsaenger, Saenger des Jahres Preistraeger zum 1. OPUS KLASSIK AWARD im Konzerthaus am GendarmenMarkt in Berlin am 14.10.2018
    Der Opus-Preis, das Branchentreffen der Musikindustrie - eine bedenkenlose Vermarktungsmaschine? (imago/Photopress Müller)
    Großeinsatz für die Pressefotografen auf dem roten Teppich vor dem Berliner Konzerthaus. Freundlicherweise wird angesagt, wer gerade an der Fotowand vorbeiläuft, denn wer kennt schon Roman Patkoló, Alondra de la Parra oder Sheku Kanneh-Mason? In diesem Fall Kontrabassist, Dirigentin und Cellist. Sie alle streben der Freitreppe des Berliner Konzerthauses entgegen und machen noch einen Fotostop bevor es richtig losgeht.
    Thomas Gottschalk: "Es handelt sich um einen völlig neuen Preis." Damit sichert sich der bemerkenswert faltenfrei und alterslos wirkende Thomas Gottschalk gleich den ersten Lacher, denn natürlich weiß jeder Teilnehmer dieses Branchentreffens der Musikindustrie, dass der Opus-Klassik nur alter Wein in neuen Schläuchen ist. Der heftig kritisierte Echo Klassik verschwand im Zuge des Skandals vor einem Jahr in der Versenkung und führt unter anderem Namen ein fröhliches Dasein als Untoter. Das Berliner Konzerthaus erweist sich dafür als idealer Ort mit seinem DDR-Fantasie-Klassizismus, all dem Gips- und Goldbronzetalmi, von ZDF-Fachkräften bonbonbunt ausgeleuchtet.
    "Ein Plätzchen für den Opus-Staubfänger"
    Rolando Villazon: "Wenn du einen Preis bekommst, dann nimm ihn an. Wer weiß, wann es wieder einen gibt, oder?"
    Den Rat des dankenswerterweise nicht singenden Tenors Rolando Villazon beherzigen dann brav alle, bestimmt findet auch die Sopranistin Diana Damrau in ihrem Regal noch ein Plätzchen für den Opus-Staubfänger, der sich als Kreuzung aus Stimmgabel und Flügelfigur erweist.
    "Vielen Dank. Er schaut ja fast aus wie ein Engel, wie ein Schutzengel der Musik, der uns alle beschützen soll."
    Für sein Mozart-Album wurde Juan Diego Florez ausgezeichnet, vokalen Charme entwickelt er jedoch erst bei einer lateinamerikanischen Schnulze.
    "Die geschmeidige Stimme, die Brillanz und die emotionale Gestaltungskraft - farbenreich, nuanciert und virtuos - ist ein Album der Zwischentöne - leuchtend, elegant, sinnlich und hochvirtuos."
    Mit branchenüblichem Adjektivüberdruck hangeln sich die Laudatorinnen und Laudatoren durch ihre Reden, wenn Gottschalk Witzchen macht, wird es noch schlimmer.
    "Wenn man einmal eine Frau dirigieren sehen hat, dann braucht man keine Kerle mehr. Es ist so schön. Wenn das Frauen schon immer getan hätten, hätte man den Orchestergraben gar nicht erfinden müssen."
    "Boy Band of Baroque"
    Die Dirigentin Alondra de la Parra hält den Stab wie einen Hammer in der Hand und benutzt ihn auch so. Egal, ein niederländisches Klavierbrüderduo hämmert sich ebenfalls derart uninspiriert durch, wie es auch Bizets "Jeux d’enfants" nicht verdient haben. 4 Times Baroque stellt als "the boy band of Baroque" klar, dass Geschwindigkeitsrekorde immer wieder Eindruck machen, egal um welches Stück es sich gerade handelt, und dass jugendliche Künstlerinnen und Künstler bedenkenlos durch die Vermarktungsmaschine georgelt werden.
    Die Dauerwerbesendung mit aufwendiger Kunstsimulation kommt aber ganz zu sich, wenn Sarah Willis, Hornistin der Berliner Philharmoniker, den Kern der Sache ins Fernsehbild hält.
    "Das muss ich allen jetzt erzählen, das ist wunderbar. Eine Doppel-CD "Best of Classic 2018", das kann man gewinnen online. Die Musik von allen Preisträgern ist drauf und das muss man einfach haben, oder Thomas?"
    Nein, muss man nicht. Dieser erste Opus Klassik schließt nahtlos an den letzten Echo an in all seiner Belanglosigkeit. Erst die neunzigjährige Christa Ludwig sorgt dann doch noch für echte Überraschungen, als sie ihrer Laudatorin Brigitte Fassbaender ins Wort fällt.
    Fassbaender: "Bravo, bravo, danke."
    Ludwig: "Geh, hör auf."