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Klausurtagung der CDU in Göttingen

Heuer: Während die Grünen also schon seit gestern hinter verschlossenen Türen über ihren künftigen Kurs beraten, trifft sich die CDU erst heute Nachmittag, und zwar in Göttingen. Der stellvertretende Parteivorsitzende Jürgen Rüttgers ist noch zu Hause in Düsseldorf und jetzt telefonisch mit uns verbunden. Guten Morgen, Herr Rüttgers.

    Rüttgers: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Sie haben gerade mitgehört, Renate Künast von den Grünen schließt eine schwarz-grüne Option für die Zukunft kategorisch aus. Sie tun das nicht, oder?

    Rüttgers: Das kann man auch nicht und das darf man auch nicht. Es gibt zwar zur Zeit keinerlei realen Hintergrund für schwarz-grüne Koalitionsdebatten auf Länder- oder auf Bundesebene, aber es ist ja eine Debatte, und das hat ja gerade Ihr Gespräch mit Frau Künast gezeigt, die innerhalb der grünen Partei geführt wird. Die wissen ja, dass sie sich, solange sie in einer babylonischen Gefangenschaft mit der SPD bleiben, unglaublich viel Optionen politisch abschneiden und sie erpressbar bleiben, wie wir ja mehrfach erlebt haben. So wie Schröder immer wieder mit den Grünen umgegangen ist, ist natürlich auch auf Dauer schwer erträglich.

    Heuer: Heute trifft sich der CDU-Vorstand zur Klausur in Göttingen. Am Ende dieser Klausur soll es eine Göttinger Erklärung geben. Das klingt nach etwas ganz Wichtigem. Was soll denn da drinstehen?

    Rüttgers: Wir wollen ja hauptsächlich auf dieser Klausurtagung in Göttingen über Wirtschaftspolitik diskutieren. Angesichts der dramatischen Steigerungen bei den Arbeitslosenzahlen ist das dringend erforderlich. Es wird Vorschläge geben, was jetzt konkret passiert, um zu mehr Wachstum und Beschäftigung zu kommen. Eine schwierige Situation, auch angesichts der leeren, öffentlichen Kassen. Stichwort: Defizitkriterium. Die Mahnungen aus Brüssel, die wir diese Woche bekommen haben. Aber es ist notwendig, weil wir uns ja sonst in eine Spirale nach unten bewegen, und das eigentlich Dramatische ist ja, dass der neue Minister, Wirtschaftsminister Clement, in der Wirtschaftspolitik versagt.

    Heuer: Herr Clement hat bei der SPD-Klausur ein Papier vorgelegt. Laurenz Meyer hat dann gesagt: Es mangelt nicht an Papieren, es mangelt an Taten. Wenn das stimmt, Herr Rüttgers, gilt das nicht auch für die CDU? Wieso eine Göttinger Erklärung?

    Rüttgers: Es wird ja auch umgekehrt immer gesagt, dass die CDU sagen soll, was sie anders macht, und das ist ja auch ein Stück Strategiedebatte, die wir in der Union geführt haben. Unserer Kolleginnen und Kollegen von der CSU haben das in dieser Woche in Kreuth mit dem 5-Punkte-Programm getan. Wir wollen das von Seiten der CDU mit der Göttinger Erklärung machen, und dann werden wir gemeinsam die Wirtschaftspolitik der rot-grünen Regierung stärker angreifen als dies vielleicht bisher getan ist. Immer übrigens mit dem Hintergrund: Wir sind bereit, das was für das Land richtig und wichtig ist mitzutragen, aber wir sind nicht bereit, irgendeinen Unsinn einfach nur abzunicken, bloß weil er von der Regierung kommt.

    Heuer: Nun sind aber die Inhalte all dieser Papiere ja schon weitgehend bekannt, zum Beispiel auch das, was Herr Stoiber in seinem 5-Punkte-Plan aufgelistet hat. Wieso haben Sie solche Inhalte eigentlich nicht zu nur Ihren Regierungszeiten selbst umgesetzt? Zum Beispiel wäre es mit der FDP durchaus möglich gewesen, das zu tun, was jetzt von Herrn Stoiber gefordert wird, nämlich das Steuersystem zu vereinfachen. Das fordert die FDP seit vielen Jahren und das war Ihr Koalitionspartner.

    Rüttgers: Das haben wir ja auch gemacht. Es hat die große Steuerreform von Gerhard Stoltenberg gegeben. Es hat auch in den letzten Jahren weitere Steuervereinfachungen und Steuersenkungen gegeben. Nur, man muss ja auch daran erinnern: Rot-Grün ist jetzt schon über vier Jahre im Amt und da ist ja ein Großteil der Reformen, die wir beschlossen hatten, wieder einkassiert worden und insofern das Steuersystem nicht nur verkompliziert worden, sondern die Steuerquoten, gerade jetzt zum 1.1., auf eine wirklich exorbitante Höhe hochgeschraubt worden. Warten Sie einmal ab, was bei den Umfragen in den nächsten zwei Wochen passiert, wenn die Menschen auf ihren Lohnzetteln sehen, wie 48 Steuererhöhungen zuschlagen.

    Heuer: Die Kommentatoren, Herr Rüttgers, haben nach der CSU-Klausur davon gesprochen, dass die Partei einen kraftlosen Eindruck macht. Das könnte man sicher auch auf die gesamte Union übertragen. Was damit in Zusammenhang gebracht wird ist, dass eben Ziele genannt werden, ohne dass man den Eindruck hat, die Diskussion wird wirklich vorangetrieben. Muss ein Ruck durch die Union gehen, damit sie auch kraftvoll wirkt?

    Rüttgers: Also, ich weiß nicht, wie man zu einer solchen Einschätzung kommen kann angesichts der aktuellen...

    Heuer: Na ja, weil eben das Bekannte immer weiter wiederholt wird.

    Rüttgers: Ja, was richtig ist muss man so lange wiederholen bis es umgesetzt ist. Das Problem ist ja, dass die Blockierer zur Zeit in der Regierung sitzen. Die haben nicht mehr die Kraft. Wir sagen das, was sinnvoll ist. Dazu gehören die Steuersenkungen und dazu gehören die Reformen der sozialen Sicherungssysteme, dazu gehört die Reform des Arbeitsrechts, und das muss man so lange wiederholen bis es umgesetzt wird. Es gibt keinen einzigen Ökonomen weltweit, der unserer Position wiederspricht, und worum wir kämpfen ist die Auflösung eines Reformstaus in der Regierung.

    Heuer: Die SPD versucht das auch gerade. Sie haben das Papier von Clement angesprochen. Kaum lag es vor, da hat die CDU gesagt, da werde geistiger Diebstahl begangen. Da kann man doch eigentlich nichts dagegen haben, oder?

    Rüttgers: Da haben wir ja auch nichts dagegen. Wir sind ja auch bereit, wie wir etwa bei den Minilohnjobs gezeigt haben, Vernünftiges, auch im Bundesrat, mitzutragen. Wir werden keine Blockadepolitik machen. Nur, schauen Sie: Wir sind in der Woche der Klausurtagungen. Das Spannende war doch nicht das, was Herr Clement da unter dem Thema Mittelstand zusammengeschrieben hat. Das ist nun wirklich nicht neu. Das ist als Thesen allseits bekannt, und es glaubt auch keiner, dass mit einer Verlängerung der Ladenschlusszeiten, Samstag von 16 auf 20 Uhr, Deutschland zu reformieren ist. Das Entscheidende war doch, dass das Kanzleramtspapier, das was vor Weihnachten als die große Lösung gepriesen worden ist, nicht zur Abstimmung gestellt worden ist aus Angst vor Streitigkeiten innerhalb der SPD. Das ist der eigentlich politische Vorgang und nicht dieses relativ unwesentliche Mittelstandspapier.

    Heuer: Herr Stoiber hat seinen 5-Punkte-Plan ausdrücklich für die gesamte Union vorgelegt. Das ist als Führungsanspruch von Stoiber interpretiert worden. Wer führt die Union?

    Rüttgers: Wir haben so viel Union wie noch nie, und es hat noch nie funktioniert, dass die eine Partei versucht hat die andere zu dominieren. Das geht nur gemeinsam, und so habe ich Stoiber auch verstanden.

    Heuer: Das war Jürgen Rüttgers, der stellvertretende CDU-Vorsitzende im Interview mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen einen schönen Tag.

    Link: Interview als RealAudio