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Klein aber fein

Hohe Staatsverschuldung, chronische Wettbewerbsschwäche, Wachstum gleich null - die letzten Monate haben Italien hart getroffen. Im Norden aber, vorne weg in der Lombardei, gibt es nach wie vor erfolgreiche Unternehmen, die sich auch international behaupten. Ihnen gemein: Sie sind jung und klein.

Von Kirstin Hausen | 11.04.2012
    Bunte Linien, die sich kreuzen, Punkte, die sich auf und ab bewegen. Die Computergrafik, die Diego seinem Chef zeigt, ist ein erster Entwurf.

    Gian Luca Brambilla klopft dem jungen Mann anerkennend auf die Schulter. Der Unternehmer aus Vimercate steht in einem Großraumbüro mit Tischtennisplatte in der Mitte. Zum abreagieren, wenn es mal stressig wird. Auch sonst ist die Einrichtung für italienische Verhältnisse unkonventionell. Keine wuchtigen Schreibtische, sondern funktional-minimalistische Arbeitsplätze mit den typischen Regalen eines schwedischen Möbelhauses. Brambilla hat heute Nachmittag einen wichtigen Kunden zu Besuch und Diego wird die Präsentation machen. Er ist Ende 20 und seit einem Jahr dabei. Brambilla hält große Stücke auf ihn.

    "Ich mag es, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten, der älteste Mitarbeiter in meinem Team ist 32 Jahre alt. Wir haben in Italien so viele gute junge Leute, hoch qualifiziert und motiviert, mit besten Abschlussnoten, aber sie finden keine entsprechende Arbeitsstelle. Ich habe mich entschlossen, ihnen eine Chance zu geben und ich fahre sehr gut damit. Natürlich haben junge Mitarbeiter noch wenig Erfahrung und machen Fehler, aber sie haben auch Fähigkeiten, die uns Älteren abgehen. Sie sind am Computer unglaublich schnell und ich sage ihnen immer, unseren Kunden bloß nicht zu verraten, wie wenig Zeit sie für die Projektentwicklung brauchen."

    Ein Schmunzeln, dann greift Gian Luca Brambilla zu seinem Smartphone und checkt die Nachrichten. Virtuelle Kommunikation, neue Technologien sind genau sein Ding. Vor 20 Jahren, als sich Brambilla selbstständig gemacht hat, war das noch Neuland. Heute spricht jeder von Datendigitalisierung und Onlineverkauf. Sein kleines Unternehmen hilft anderen Unternehmen, effizienter zu arbeiten.

    "Wir haben uns darauf spezialisiert, Firmen beim Einkauf zu unterstützen, damit sie das, was sie brauchen, zum besten Preis bekommen. Wir organisieren auch Onlineauktionen für sie."

    Der Endvierziger ist begeistert von all den Möglichkeiten, die sich dank neuer Technologien auftun und nutzt sie. Globalisierung ist für ihn kein angstbesetzter Begriff, sondern Alltag.

    "Wir sind stolz darauf, eine kleine italienische Firma zu sein, aber was wichtig ist: In unserer Branche sind wir international aufgestellt. Die kreative Arbeit, also die Projektentwicklung, machen wir hier in Italien während unser Back-Office in Indien ist. Die Umsetzung unserer Ideen findet dort statt. Heute Vormittag haben wir überlegt, unsere Arbeit neuen Kunden als Cartoon zu präsentieren und den lassen wir jetzt in Indien machen."

    Die Wirtschaftskrise, die nach Berechnungen des italienischen Industriellenverbandes Confindustria seit 2008 fast eine halbe Million Arbeitsplätze vernichtet hat, kann der kleinen High Tech-Firma in Vimercate nichts anhaben. Denn die Betriebe wollen Kosten sparen, und Brambilla hilft ihnen dabei. Indem Arbeitsprozesse vereinfacht oder ausgelagert werden. Doch trotz guter Auftragslage hat Gian Luca Brambilla ein Problem.

    "Das Schwierigste im Moment ist die Zahlungsunwilligkeit unserer Kunden. Und je größer die Kunden sind, um so schwerer wird es für uns, unsere Forderungen einzutreiben. Auf manche Zahlungen warten wir schon seit ein oder zwei Jahren, das ist woanders kaum vorstellbar. Bis vor Kurzem haben die Banken uns aus der Klemme geholfen, weil sie uns Geld liehen, um die Wartezeit zu überbrücken, aber seit ein paar Monaten sind sie kaum noch bereit dazu."

    Das Jahr 2012 wird ein hartes Geschäftsjahr für Italiens Kleinunternehmer, davon ist der groß gewachsene Mann mit Bürstenhaarschnitt überzeugt. Kreditklemme, höhere Steuern und der von Regierungschef Mario Monti angekündigte Kampf gegen die Steuerhinterziehung werden der Wirtschaft zu schaffen machen.

    Trotzdem will Gian Luca Brambilla nicht pessimistisch in die Zukunft schauen. Monti habe das Land in kürzester Zeit verändert, modernisiert, stellt er zufrieden fest.

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