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Kleine Poren mit großer Wirkung

Technik. - Sauberes Trinkwasser, das in vielen Regionen der Erde heute schon Mangelware ist, dürfte in Zukunft noch knapper werden. Abhilfe schaffen könnte die Entsalzung von Meerwasser. Am effizientesten gelingt das durch das Pressen von Salzwasser durch spezielle Membranen. Mit einer neuen Technologie wollte ein deutscher Forscher den Prozess vor einigen Jahren um ein Vielfaches beschleunigen.

Von Ralf Krauter | 05.05.2009
    Klaus-Viktor Peinemann vom GKSS-Forschungszentrum in Gesthaacht ist Experte für Plastikfolien, die es in sich haben. Am Institut für Polymerforschung hängen die weiß glänzenden Hightech-Membranen wie Tapetenrollen auf einem Ständer. Manche dienen zur Filtrierung von Wasser. Andere saugen Kohlendioxid aus Kraftwerksabgasen. Und wieder andere taugen für die Entsalzung von Meerwasser. Presst man Salzwasser mit hohem Druck dagegen, lassen diese Trennfolien Wassermoleküle hindurch und halten das Salz zurück. Reverse Osmose heißt das im Fachjargon. Bei einer Konferenz in München verkündete Klaus-Viktor Peinemann im Sommer 2006, diese Osmose-Membranen verbessern zu wollen - durch den Einbau winziger Kanäle, 50 000 mal feiner als ein menschliches Haar.

    "Wir sind immer noch ziemlich am Anfang. Aber wir haben inzwischen erste Membranen hergestellt mit Carbon-Nanotubes in klassischen Meerwasser-Entsalzungsmembranen, um zusätzliche Kanäle für den Wassertransport zu erzeugen, die einen sehr hohen Wasserfluss haben sollen."

    Carbon-Nanotubes, auf deutsch Kohlenstoff-Nanoröhrchen, gelten in der Materialforschung als Hoffnungsträger. In Meerwasser-Entsalzungs-Membranen eingebaut, könnten die Kohlenstoff-Makkaroni das Trinkwasser zehn bis 100 mal schneller sprudeln lassen und so helfen, Energie und Kosten zu sparen.

    "Man muss dazu sagen, dass es bislang nur Untersuchungen an winzig kleinen Membranstücken gibt. Aber aufgrund dieser wenigen Messungen ist das eine realistische Größe. Ob wir das technisch erreichen können – das ist eine große Herausforderung."

    Die Poren in der Membran müssen Durchmesser von unter einem Nanometer haben. Andernfalls schlüpfen neben reinem Wasser auch unerwünschte Salzmoleküle hindurch. Die einwandigen Kohlenstoff-Nanoröhren, die diese Kriterien erfüllen, sind aber immer noch teuer. Problem Nummer zwei: Eine simple Methode, um Myriaden dieser Röhrchen in eine Plastikfolie einzubauen, hat noch keiner gefunden.

    "Nach ersten Misserfolgen haben wir jetzt die ersten Membranen, die immerhin einen erhöhten Wasserfluss haben, so 40 bis 50 Prozent. Leider aber ist die Salzrückhaltung dabei ein bisschen runter gegangen. Von 98 auf 95 Prozent. So dass ich nicht genau weiß, worauf beruht jetzt dieser erhöhte Wasserfluss. Aber ein Teil fließt wahrscheinlich schon durch die Carbon Nanotubes."

    Andere Gruppen in den USA und Australien betreiben viel Aufwand, um die Tunnelröhren möglichst parallel auszurichten, bevor sie sie in die selektiven Trennfilme einbauen. Für die industrielle Fertigung taugt der Ansatz aber kaum. Klaus-Viktor Peinemann geht deshalb einen anderen Weg.

    "Wir stellen sozusagen klassische Meerwasserentsalzungsmembranen her. Und die eigentliche Trennschicht dieser Membranen besteht aus einem Kunststoff. Dieser Kunststoff ist extrem dünn. Der ist nur ungefähr 100 Nanometer dick. Und die Carbon Nanotubes, die wir benutzen, sind selber ungefähr ein bis zwei Mikrometer lang. Und von diesen Carbon Nanotubes bringen wir jetzt so viele wie möglich in diese hauchdünne Schicht, sodass die meisten einfach aufgrund geometrischer Überlegungen den Film durchdringen, sodass eine Öffnung auf der Seewasserseite ist und die andere Öffnung auf der Permeaseite. Der Vorteil davon ist, dass wir jetzt die Carbon Nanotubes nicht auszurichten brauchen, was technisch sehr sehr schwierig ist."

    Der Polymer-Experte macht keinen Hehl daraus, dass die Entwicklung der nanoporösen Entsalzungsfolie in Gesthaacht jahrelang eher stiefmütterlich behandelt wurde. Erst 2008, mit dem Start des vom Bundesforschungsministerium geförderten Verbundprojektes CarboMembran, kam neuer Schwung in die Sache.

    "Die Zeit davor ist nicht sehr viel passiert, muss ich sagen. Wir selber haben auch kaum etwas gemacht auf diesem Gebiet, weil wir einfach keine Forschungsmittel hatten. International sind einige Gruppen entstanden, die auf diesem Gebiet arbeiten. Es sind einige Patente weltweit entstanden. Das ganze Gebiet ist aber wirklich noch voll im Bereich der Grundlagenforschung, so dass noch kein Membranstück vorhanden wäre, das so groß wäre wie eine Briefmarke und mit dem man jetzt wirklich zeigen könnte, dass das funktioniert."

    Das soll sich aber bald ändern. Mit dem Chemieriesen Bayer – einem der größten Hersteller von Kohlenstoff-Nanoröhren - haben die Polymerforscher aus Gesthaacht jetzt einen mächtigen Partner. Auch Siemens und die RWTH Aachen sind am Projekt CarboMembran beteiligt.

    "Wenn wir am Ende dieser drei Jahre kleine, im Labor hergestellte Membranstücke haben, die zeigen, dass der Wasserfluss deutlich besser ist als bei kommerziellen Membranen, wäre das schon ein riesiger Erfolg. Aber bevor man in die industrielle Fertigung kommt, werden sicher noch fünf, sechs weitere Jahre vergehen."

    Weblinks

    Forschung aktuell: Effizienter Entzug- Nanotechnologie soll Membranen für die Meerwasserentsalzung optimieren

    faz.net

    inno-cnt.de