Donnerstag, 25. April 2024

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Klimaforscher Stefan Rahmstorf
Golfstrom-Abschwächung begünstigt Hitzewellen

Der Golfstrom prägt das Klima Europas. Neue Erkenntnisse zeigen: Er wird infolge der globalen Erwärmung schwächer - mit Folgen für die Temperaturen. Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf sagte im Dlf, durch Effekte des Golfstroms auf die Luftdruckverteilung würden Hitzewellen in Europa begünstigt.

Stefan Rahmstorf im Gespräch mit Georg Ehring | 12.04.2018
    Spektoradiometer-Aufnahme der NASA des Golfstroms - die Oberflächentemperatur wird farblich dargestelle: schwarz und blau (kalt) und rot (warm).
    Der menschengemachte Klimawandel als Faktor: Klimaforscher Stefan Rahmstorf sagt, die Spektoradiometer-Aufnahme der NASA des Golfstroms (dpa/Nasa)
    Georg Ehring: Wenn die Winter in Westeuropa nicht mehr so knackig kalt sind wie die im Osten, dann hat das mit dem Golfstrom zu tun. Er schiebt warmes Wasser aus der Karibik nach Nordosten und das prägt das Klima in dieser Region. Doch der Golfstrom ist schwächer geworden. Darauf deuten immer mehr Anzeichen hin.
    Mitautor einer neuen Studie zu diesem Thema ist Professor Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, und ihn habe ich vor dieser Sendung gefragt, warum der Golfstrom sich abschwächt.
    Stefan Rahmstorf: Wir gehen davon aus, dass das an der globalen Erwärmung liegt, denn durch die globale Erwärmung wird der Wasserkreislauf in der Atmosphäre angeheizt. Das heißt, es verdunstet mehr in den Subtropen und regnet mehr in den höheren Breitengraden. Außerdem schmilzt das Eis in der Arktis und der Eispanzer auf Grönland, und all das bringt mehr Süßwasser an die Meeresoberfläche im nördlichen Atlantik und verdünnt damit das Salzwasser. Deswegen kann das Meerwasser nicht mehr so leicht absinken und daher strömt auch weniger von Süden nach.
    Beobachtungsdaten seit dem 19. Jahrhundert ausgewertet
    Ehring: Das weiß man jetzt besser als früher. Woher sind die neuen Erkenntnisse?
    Rahmstorf: Ja, daran wird schon seit vielen Jahren geforscht, und es war schon bekannt, dass es im nördlichen Atlantik einen großen Bereich gibt, der sich abgekühlt hat, gegen den globalen Erwärmungstrend. Und nun war noch umstritten, ob es dafür vielleicht noch eine andere Ursache geben könnte, außer der nachlassenden Wärmezufuhr durch das Golfstrom-System.
    Jetzt haben wir aber noch einen zweiten Hinweis gefunden, nämlich eine ungewöhnliche Erwärmung entlang der ganzen Nordhälfte der nordamerikanischen Ostküste, und genau das ist auch ein Phänomen, was von Klimamodellen vorhergesagt wird als Folge einer Abschwächung dieses Meeresströmungssystems, weil sich dabei der Golfstrom auch verlagert, näher an die Küste heran, und dadurch wird es dort wärmer. Wir haben jetzt die Beobachtungsdaten seit dem 19. Jahrhundert ausgewertet und finden dort genau dasselbe Muster, was ein sehr hochauflösendes Klimamodell vorhersagt für eine Abschwächung des Golfstrom-Systems.
    Kältewelle über dem Atlantik - Ursache für Hitzewellen?
    Ehring: Was sind denn die Folgen für Westeuropa? Wird es jetzt kälter anstatt wärmer in dieser Region?
    Rahmstorf: Nein, das wird es bislang jedenfalls nicht, weil wir eine Abschwächung um etwa 15 Prozent beobachten, und das reicht für eine Abkühlung draußen über dem Meer, aber es erreicht nicht die Landgebiete darum herum. Diese Abkühlung über dem Meer hat aber schon Effekte offensichtlich auf die atmosphärische Zirkulation, das heißt auf die Luftdruckverteilung, und es gibt eine Studie, die zeigt, dass dadurch gehäuft Hitzewellen in Europa begünstigt werden. Beispiel 2015: Da war es seit Beginn der Aufzeichnung am kältesten draußen im nördlichen Atlantik und es gab in Europa eine starke Hitzewelle.
    Ehring: Eine andere Studie, die gerade veröffentlicht ist, besagt, dass die Abschwächung schon vor der Industrialisierung begonnen hat. Daraus könnte man ja schließen, dass der menschengemachte Klimawandel gar nicht die Ursache ist. Was sagen Sie dazu?
    Rahmstorf: Das würde ich nicht so sehen. Diese andere Studie hatte auch zwei unterschiedliche Datenreihen. Eine deckt sich ziemlich genau mit unserer, die Abschwächung hauptsächlich seit Mitte des 20. Jahrhunderts, und die andere zeigt schon im 19. Jahrhundert am Ende der Kleinen Eiszeit einmal eine kleine Abschwächung. Das widerspricht sich aber nur scheinbar, weil dieser zweite Datensatz nur an zwei Punkten im Ozean aus der Korngröße der Sedimente auf die Strömung zu schließen versucht, und das ist bestenfalls ein Teil des Golfstrom-Systems in der Tiefe. Von daher erwartet man da auch nicht, dass es sich eins zu eins mit der Temperaturentwicklung im nördlichen Atlantik deckt.
    "Die globale Erwärmung läuft weiter"
    Ehring: Wie geht es denn weiter? Wird der Golfstrom versiegen und welche Folgen dieser Entwicklung haben wir in Europa zu erwarten?
    Rahmstorf: Ich denke, er wird sich weiter abschwächen, zumindest auf lange Sicht gesehen, denn es gibt auch Schwankungen, die sich dem überlagern - Größenordnung ein bis zwei Jahrzehnte. Es wäre jetzt keine Überraschung, wenn diese Strömung noch mal wieder einen Schwung nach oben macht und wieder eine Weile stärker wird. Aber auf längere Sicht, sagen wir, über 50 Jahre gesehen oder so, glaube ich schon, dass der Trend weiter nach unten gehen wird, denn die globale Erwärmung läuft weiter. Die Eisschmelze in Grönland vom arktischen Meereis wird auch dadurch weiterlaufen und dadurch wird das Meerwasser noch weiter verdünnt werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.