Capellan: Ich begrüße Herrn Ernst Ulrich von Weizsäcker, Umweltpolitiker, SPD-Bundestagsabgeordneter, langjähriger Präsident des Klimainstituts in Wuppertal, Publizist, Autor des Buches Faktor 4 , also jemand, der immer wieder zu einem schonenderen Umgang mit der Natur gemahnt hat. Guten Morgen, Herr von Weizsäcker.
von Weizsäcker: Guten Morgen.
Capellan: Fühlen Sie sich bestätigt, haben auch Sie keinen Zweifel mehr, dass dies alles die Vorboten einer hausgemachten Klimakatastrophe sind?
von Weizsäcker: Ach, was heißt bestätigt. Ich bin ja nicht rechthaberisch. Ich finde nur, wenn man Klimaschutz betreiben kann und gleichzeitig technologisch modern werden, dann soll man das tun, völlig unabhängig davon, ob schon der letzte Beweis geführt ist.
Capellan: Wir können nun viel tun: Wir können Deiche bauen. Wir können Überflutungsräume für unsere Flüsse einrichten. Das ist sicherlich notwendig. Das ist aber kaum mehr als ein Herumbasteln an den Symptomen. Was kann man tun, um die Ursachen der Klimaveränderung zu bekämpfen?
von Weizsäcker: Das ist auf die Dauer das Zentrale, wenn man nicht sogar sagen möchte, das Einzige, was man tun kann. Man muss versuchen, mit sehr viel weniger Kohle, Öl und Gas einen größeren Wohlstand zu erzeugen. Das war und ist das Programm des Wuppertalinstituts für Klima, Umwelt, Energie. Übrigens findet der Wissenschaftspfad offenbar, dass das vielleicht gar nicht unbedingt Wissenschaft ist, aber wahrscheinlich das einzige Überlebensprogramm, und es ist unglaublich wichtig. Wir können doppelt so viel Wohlstand mit einem halben Energieverbrauch, und erst recht mit einem halben Kohle-, Öl- und Gasverbrauch hinkriegen.
Capellan: Ist das wirklich möglich? Steht man da mit solchen Vorschlägen nicht in Deutschland auf verlorenem Posten? Wenn ich zum Beispiel daran denke, dass die Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls bisher durch die Amerikaner - die sind ja nicht unwichtig - blockiert wird?
von Weizsäcker: Also, zunächst einmal: In Deutschland steht man gar nicht auf verlorenem Posten. Die deutsche chemische Industrie wirbt mit Recht damit, dass man in Deutschland bereits Phantastisches erreicht hat. Man hat zum Beispiel die Energieintensität der chemischen Industrie in ungefähr 30 Jahren um einen Faktor 4 vermindert, das heißt also, mit einem Viertel des Energieeinsatzes so viele Werte produziert wie vor 30 Jahren. Und das kann noch weitergehen. Das geht beim Automobil so, das geht bei Häusern so, das geht praktisch in allen Branchen so. Es ist eine Art von technologischer Revolution. Auf die müssen wir uns einlassen. Man darf natürlich über all dem überhaupt nicht das Helfen in der Not vergessen, denn was jetzt in Passau los ist oder in Saskatchewan oder an anderen Stellen der Welt, das schreit nach sofortiger Handlung und da helfen diese Effizienztechnologien überhaupt nicht, denn das Klima hat eine solche Langsamkeit der Ursache-Wirkungskette. Was wir heute an technologischem Wandel schaffen, wirkt sich möglicherweise erst in 50 Jahren aus, und trotzdem müssen wir es anfassen.
Capellan: Sind denn solche Alleingänge der deutschen Industrie wirklich möglich angesichts der Globalisierung der internationalen Verflechtungen der Märkte?
von Weizsäcker: Echte Alleingänge sind das ja gar nicht. Vieles von dem, was die deutsche chemische Industrie macht, macht die belgische und die japanische völlig selbstverständlich auch. Aber wenn wir, gerade in der technologischen Entwicklung, ein bisschen die Nase voraus haben, dann ist das gut. Man nennt das manchmal die "first mover advantages", also die Vorteile derer, die sich zuerst bewegt haben, und das ist gut für uns. Ich habe einmal Norbert Walter von der Deutschen Bank sagen hören, dass, wenn wir so etwas machen und es sich an der Wall Street herumspricht, dann ist das die bei weitem wirksamste Form, um auf das Weiße Haus, das Capitol und auf den amerikanischen Kongress einzuwirken, sich endlich von der bescheuerten Blockadehaltung wegzubewegen und wieder in der Klimapolitik mitzumachen.
Capellan: Also, mit gutem Beispiel vorangehen und die Amerikaner damit überzeugen?
von Weizsäcker: Absolut.
Capellan: Nun sagen allerdings viele Amerikaner: Das geht uns aber nichts an. In hundert Jahren, dann wirken diese Klimaveränderungen vielleicht. Wie kann man denn darauf reagieren?
von Weizsäcker: Es ist eine unglaubliche Hochnäsigkeit, Dickmäuligkeit und Frechheit zu sagen, dass, wenn es uns nichts angeht, dann tun wir nichts - so diese Nach-uns-die-Sintflut-Mentalität. So können wir als verantwortliche Menschen nicht handeln. Und ich warne davor, die Amerikaner, bloß weil sie stark sind, überernst zu nehmen. Der Rest der Welt ist mindestens so stark, und wenn der Rest der Welt zeigt, dass es anders geht, dann geht es auch anders. Die Technologieentwicklung ist etwas, was die Amerikaner schließlich auch mitmachen müssen, und ich bin sehr optimistisch, dass wir Europäer - es sind ja nicht nur wir Deutschen - hier der Welt ein Vorbild sind.
Capellan: Haben Sie da große Erwartungen für den Gipfel für nachhaltige Entwicklung Ende des Monats in Johannesburg?
von Weizsäcker: Dort steht begreiflicherweise das Thema Klimaschutz nicht oben an, denn die Klimapolitik ist eine Aufgabe für die Klimakonvention und ihre Vertragsstaatenkonferenzen. In Johannesburg geht es eher um Wasser, um die nachhaltige Entwicklung allgemein, also auch um Stoffströme. Da geht es auch um Energie und dann um die Stärkung der Institutionen der Vereinten Nationen in Sachen Umweltschutz. Es ist eine große Konferenz mit weit über hundert Staatsführern. Aber der Klimaschutz wird gerade nach den Wetterereignissen der letzten Tage ein größere Rolle als ursprünglich geplant spielen.
Capellan: Das ist die Frage, ob sich diese Entwicklung auch in Deutschland abzeichnet. Alle reden hier vom Wetter, nur nicht die Wahlkämpfer in den Parteizentralen. Warum eigentlich nicht?
von Weizsäcker: Als die Wahlprogramme geschneidert wurden, war das Wetter ein bisschen anders, und wenn man heute ein Wahlprogramm schreiben würde, dann würde es drin stehen. Ich darf allerdings dazu sagen, dass bei den gegenwärtigen Koalitionsparteien, Grüne und SPD, die Nachhaltigkeit, die ökologische Effizienzrevolution, und so weiter eine positive Rolle spielt. Das erste Kriterium bei der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist sicher die von mir genannten Effizienzrevolution.
Capellan: Aber offenbar wird das Problem doch auch nicht so sehr erkannt, wenn Sie selbst sagen: Na ja, wenn wir heute die Parteiprogramme schreiben würden, dann würden wir es vielleicht mehr nach oben ziehen.
von Weizsäcker: Also, das darf ich jetzt mal ganz frech zurückgeben. Da sind nun wirklich in ganz erheblichem Umfang die Medien schuld: Was haben denn die Medien zum Thema Klima in den letzten vier Jahren berichtet? Sie haben immer über den Jammer der Autofahrer berichtet, über die Ökosteuer, aber über die segensreichen Wirkungen der Ökosteuer wurde nie berichtet.
Capellan: Aber können nicht die Politiker solche Themen auch setzen?
von Weizsäcker: Natürlich können sie das und kriegen dabei jedes Mal eine blutige Nase, wenn die Medien nicht mitmachen.
Capellan: Also, da geht der Vorwurf eindeutig in Richtung Öffentlichkeit...
von Weizsäcker: Ja nicht nur. Natürlich haben die Politiker auch viel versäumt, das ist gar keine Frage, aber machen Sie mal eine Politik, und zwar völlig unabhängig vom Wahlkampf, gegen die öffentliche Meinung.
Capellan: Da klingt bei Ihnen so ein bisschen Resignation heraus?
von Weizsäcker: Nein, ich bin nie resigniert. Ich sage nur, dass die Medien wirklich mitmachen müssen, und ich finde es großartig, dass der Deutschlandfunk sich jetzt hier in seiner Berichterstattung von anderen Meiden deutlich absetzt und nicht nur nach den wirklich bedauernswerten Hochwasseropfern und Dürreopfern, und so weiter fragt, sondern auch nach der Ursachenbekämpfung. Das ist Politik. Aber Sie werden vielleicht auch einräumen, dass Sie da eher zu den Ausnahmen gehören.
Capellan: Das freut uns natürlich, das zu hören. Ich denke, das Thema wird uns weiter beschäftigen. Das war heute morgen hier im Deutschlandfunk der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Ulrich von Weizsäcker. Ich danke Ihnen und auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio
von Weizsäcker: Guten Morgen.
Capellan: Fühlen Sie sich bestätigt, haben auch Sie keinen Zweifel mehr, dass dies alles die Vorboten einer hausgemachten Klimakatastrophe sind?
von Weizsäcker: Ach, was heißt bestätigt. Ich bin ja nicht rechthaberisch. Ich finde nur, wenn man Klimaschutz betreiben kann und gleichzeitig technologisch modern werden, dann soll man das tun, völlig unabhängig davon, ob schon der letzte Beweis geführt ist.
Capellan: Wir können nun viel tun: Wir können Deiche bauen. Wir können Überflutungsräume für unsere Flüsse einrichten. Das ist sicherlich notwendig. Das ist aber kaum mehr als ein Herumbasteln an den Symptomen. Was kann man tun, um die Ursachen der Klimaveränderung zu bekämpfen?
von Weizsäcker: Das ist auf die Dauer das Zentrale, wenn man nicht sogar sagen möchte, das Einzige, was man tun kann. Man muss versuchen, mit sehr viel weniger Kohle, Öl und Gas einen größeren Wohlstand zu erzeugen. Das war und ist das Programm des Wuppertalinstituts für Klima, Umwelt, Energie. Übrigens findet der Wissenschaftspfad offenbar, dass das vielleicht gar nicht unbedingt Wissenschaft ist, aber wahrscheinlich das einzige Überlebensprogramm, und es ist unglaublich wichtig. Wir können doppelt so viel Wohlstand mit einem halben Energieverbrauch, und erst recht mit einem halben Kohle-, Öl- und Gasverbrauch hinkriegen.
Capellan: Ist das wirklich möglich? Steht man da mit solchen Vorschlägen nicht in Deutschland auf verlorenem Posten? Wenn ich zum Beispiel daran denke, dass die Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls bisher durch die Amerikaner - die sind ja nicht unwichtig - blockiert wird?
von Weizsäcker: Also, zunächst einmal: In Deutschland steht man gar nicht auf verlorenem Posten. Die deutsche chemische Industrie wirbt mit Recht damit, dass man in Deutschland bereits Phantastisches erreicht hat. Man hat zum Beispiel die Energieintensität der chemischen Industrie in ungefähr 30 Jahren um einen Faktor 4 vermindert, das heißt also, mit einem Viertel des Energieeinsatzes so viele Werte produziert wie vor 30 Jahren. Und das kann noch weitergehen. Das geht beim Automobil so, das geht bei Häusern so, das geht praktisch in allen Branchen so. Es ist eine Art von technologischer Revolution. Auf die müssen wir uns einlassen. Man darf natürlich über all dem überhaupt nicht das Helfen in der Not vergessen, denn was jetzt in Passau los ist oder in Saskatchewan oder an anderen Stellen der Welt, das schreit nach sofortiger Handlung und da helfen diese Effizienztechnologien überhaupt nicht, denn das Klima hat eine solche Langsamkeit der Ursache-Wirkungskette. Was wir heute an technologischem Wandel schaffen, wirkt sich möglicherweise erst in 50 Jahren aus, und trotzdem müssen wir es anfassen.
Capellan: Sind denn solche Alleingänge der deutschen Industrie wirklich möglich angesichts der Globalisierung der internationalen Verflechtungen der Märkte?
von Weizsäcker: Echte Alleingänge sind das ja gar nicht. Vieles von dem, was die deutsche chemische Industrie macht, macht die belgische und die japanische völlig selbstverständlich auch. Aber wenn wir, gerade in der technologischen Entwicklung, ein bisschen die Nase voraus haben, dann ist das gut. Man nennt das manchmal die "first mover advantages", also die Vorteile derer, die sich zuerst bewegt haben, und das ist gut für uns. Ich habe einmal Norbert Walter von der Deutschen Bank sagen hören, dass, wenn wir so etwas machen und es sich an der Wall Street herumspricht, dann ist das die bei weitem wirksamste Form, um auf das Weiße Haus, das Capitol und auf den amerikanischen Kongress einzuwirken, sich endlich von der bescheuerten Blockadehaltung wegzubewegen und wieder in der Klimapolitik mitzumachen.
Capellan: Also, mit gutem Beispiel vorangehen und die Amerikaner damit überzeugen?
von Weizsäcker: Absolut.
Capellan: Nun sagen allerdings viele Amerikaner: Das geht uns aber nichts an. In hundert Jahren, dann wirken diese Klimaveränderungen vielleicht. Wie kann man denn darauf reagieren?
von Weizsäcker: Es ist eine unglaubliche Hochnäsigkeit, Dickmäuligkeit und Frechheit zu sagen, dass, wenn es uns nichts angeht, dann tun wir nichts - so diese Nach-uns-die-Sintflut-Mentalität. So können wir als verantwortliche Menschen nicht handeln. Und ich warne davor, die Amerikaner, bloß weil sie stark sind, überernst zu nehmen. Der Rest der Welt ist mindestens so stark, und wenn der Rest der Welt zeigt, dass es anders geht, dann geht es auch anders. Die Technologieentwicklung ist etwas, was die Amerikaner schließlich auch mitmachen müssen, und ich bin sehr optimistisch, dass wir Europäer - es sind ja nicht nur wir Deutschen - hier der Welt ein Vorbild sind.
Capellan: Haben Sie da große Erwartungen für den Gipfel für nachhaltige Entwicklung Ende des Monats in Johannesburg?
von Weizsäcker: Dort steht begreiflicherweise das Thema Klimaschutz nicht oben an, denn die Klimapolitik ist eine Aufgabe für die Klimakonvention und ihre Vertragsstaatenkonferenzen. In Johannesburg geht es eher um Wasser, um die nachhaltige Entwicklung allgemein, also auch um Stoffströme. Da geht es auch um Energie und dann um die Stärkung der Institutionen der Vereinten Nationen in Sachen Umweltschutz. Es ist eine große Konferenz mit weit über hundert Staatsführern. Aber der Klimaschutz wird gerade nach den Wetterereignissen der letzten Tage ein größere Rolle als ursprünglich geplant spielen.
Capellan: Das ist die Frage, ob sich diese Entwicklung auch in Deutschland abzeichnet. Alle reden hier vom Wetter, nur nicht die Wahlkämpfer in den Parteizentralen. Warum eigentlich nicht?
von Weizsäcker: Als die Wahlprogramme geschneidert wurden, war das Wetter ein bisschen anders, und wenn man heute ein Wahlprogramm schreiben würde, dann würde es drin stehen. Ich darf allerdings dazu sagen, dass bei den gegenwärtigen Koalitionsparteien, Grüne und SPD, die Nachhaltigkeit, die ökologische Effizienzrevolution, und so weiter eine positive Rolle spielt. Das erste Kriterium bei der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist sicher die von mir genannten Effizienzrevolution.
Capellan: Aber offenbar wird das Problem doch auch nicht so sehr erkannt, wenn Sie selbst sagen: Na ja, wenn wir heute die Parteiprogramme schreiben würden, dann würden wir es vielleicht mehr nach oben ziehen.
von Weizsäcker: Also, das darf ich jetzt mal ganz frech zurückgeben. Da sind nun wirklich in ganz erheblichem Umfang die Medien schuld: Was haben denn die Medien zum Thema Klima in den letzten vier Jahren berichtet? Sie haben immer über den Jammer der Autofahrer berichtet, über die Ökosteuer, aber über die segensreichen Wirkungen der Ökosteuer wurde nie berichtet.
Capellan: Aber können nicht die Politiker solche Themen auch setzen?
von Weizsäcker: Natürlich können sie das und kriegen dabei jedes Mal eine blutige Nase, wenn die Medien nicht mitmachen.
Capellan: Also, da geht der Vorwurf eindeutig in Richtung Öffentlichkeit...
von Weizsäcker: Ja nicht nur. Natürlich haben die Politiker auch viel versäumt, das ist gar keine Frage, aber machen Sie mal eine Politik, und zwar völlig unabhängig vom Wahlkampf, gegen die öffentliche Meinung.
Capellan: Da klingt bei Ihnen so ein bisschen Resignation heraus?
von Weizsäcker: Nein, ich bin nie resigniert. Ich sage nur, dass die Medien wirklich mitmachen müssen, und ich finde es großartig, dass der Deutschlandfunk sich jetzt hier in seiner Berichterstattung von anderen Meiden deutlich absetzt und nicht nur nach den wirklich bedauernswerten Hochwasseropfern und Dürreopfern, und so weiter fragt, sondern auch nach der Ursachenbekämpfung. Das ist Politik. Aber Sie werden vielleicht auch einräumen, dass Sie da eher zu den Ausnahmen gehören.
Capellan: Das freut uns natürlich, das zu hören. Ich denke, das Thema wird uns weiter beschäftigen. Das war heute morgen hier im Deutschlandfunk der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Ulrich von Weizsäcker. Ich danke Ihnen und auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio