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Klimakiller aus dem Dschungel

Umwelt. - Was Heidelberger Forscher jetzt herausfanden, grenzt an eine wissenschaftliche Sensation: auch Pflanzen entpuppen sich als Quelle des Klimagases Methan. Eine neue Gefahr für die Atmosphäre stelle der biologische Methan-Eintrag indes nicht dar.

Von Volker Mrasek | 03.02.2006
    Spricht man den Heidelberger Geochemiker Frank Keppler auf die neue Entdeckung seiner Arbeitsgruppe an, dann liefert er eine Kurzgeschichte in drei Kapiteln. Das erste handelt von Bodenuntersuchungen:

    "Vor fünf Jahren haben wir in Böden Verbindungen festgestellt, die einfach da nicht sein sollten."

    Zu diesen Natursubstanzen zählt Chlormethan. Ein reiner Zufallsfund der Forscher vom Max-Planck-Institut für Kernphysik. Es folgt Kapitel Nummer zwei: Keppler geht der Sache weiter auf den Grund. Nach Böden sind nun Pflanzen an der Reihe:

    "Vor zwei, drei Jahren haben wir also Blätter von Bäumen genommen. Und haben festgestellt, dass Chlormethan auch aus Pflanzen emittiert wird."

    In seiner Struktur unterscheidet sich dieses Chlormethan nicht wesentlich von einem viel prominenteren Gas: von reinem Methan. Das wird auch schon mal als Faulgas bezeichnet. Es entsteht in Mülldeponien, im Magen von Kühen, im Nass-Reisanbau und ganz allgemein in Feuchtgebieten. Vor allem aber ist Methan ein wichtiges Treibhausgas in der Atmosphäre. In Heidelberg bleibt man deshalb am Ball. Produzieren Pflanzen am Ende auch Methan? Das ist die Frage. Keppler und seine Kollegen holen sich alle möglichen Arten ins Labor. So kommt es zum dritten Kapitel der Geschichte:

    "Blätter von einer Esche, Eiche, Buche. Gräser. Wir haben auch Kräuter untersucht Wir haben auch Pflanzen aus dem botanischen Garten aus Heidelberg geholt. Tropische Spezies. Und wir können sagen: Jede Pflanze hat Methan emittiert."

    Das Wissenschaftsmagazin "Nature" veröffentlichte die jüngste Studie der Heidelberger vor kurzem. Von einer Sensation ist die Rede. Bisher hieß es, Pflanzen produzierten kein Methan:
    "Die Lehrbücher müssen natürlich modifiziert werden. Es gibt auf jeden Fall einen neuen Prozess, der zur Methanbildung führt in Pflanzen. Unter ganz normalen Umweltbedingungen kann Methan in der Pflanze gebildet und dann auch in der Atmosphäre freigesetzt werden."

    Keppler reizte es natürlich, abzuschätzen, wie viel Methan die Vegetation insgesamt abgeben könnte. Er landete bei 60 bis 240 Millionen Tonnen pro Jahr - eine enorme Menge. Sie entspräche einem Anteil von zehn bis 30 Prozent an allen bekannten Quellen des Treibhausgases. Das erklärt, warum etliche Zeitungen plötzlich Pflanzen als Klimakiller hinstellten. Doch die Gazetten brachten da einiges durcheinander. Der niederländische Atmosphärenchemiker Sander Houweling von der Universität Utrecht, ein Spezialist auf dem Gebiet der Spurengasmessungen:

    "Es ist nicht so, dass wir jetzt unser Bild von den Treibhausgas-Emissionen völlig umkrempeln müssen. Es wurde zwar eine neue Methan-Quelle entdeckt. Aber es ist eine natürliche, und die war immer schon da - auch in vorindustrieller Zeit. Wir dürfen das nicht verwechseln. Wenn sich der Methan-Gehalt der Atmosphäre seit Beginn der Industrialisierung verdreifacht hat, dann hat das allein etwas mit menschlichen Aktivitäten zu tun."

    Auch Keppler selbst spricht von eher marginalen Korrekturen im Methan-Budget der Erde. Darin ist ohnehin noch ein wenig Platz. Denn so genau ist die Stärke der einzelnen Methan-Quellen gar nicht bekannt:

    "Am Gesamtbudget ändert sich erstmal nichts. Es ändert sich nur etwas an der Verteilung der Einzelquellen. Wenn man ein Teil bei den Feuchtgebieten wegnimmt und vielleicht auch bei den Reisfeldern und bei anderen Quellen minimal, dann könnten wir ganz gut hinkommen."

    Wälder wieder aufzuforsten wird allgemein als sinnvoll betrachtet im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Auch das ist jetzt in Zweifel gezogen worden. Zwar entziehen Bäume der Atmosphäre bekanntlich das Treibhausgas Kohlendioxid. Aber, so hieß es: Was nutzt das, wenn sie gleichzeitig klimaschädliches Methan ausdünsten? Keppler stellt hier klar: So hoch ist der Methan-Ausstoß gar nicht:

    "Dieser Nutzen der Kohlendioxid-Speicherung wird gerade mal um vier bis fünf Prozent - nach unserer Hochrechnung - geschmälert. Das heißt, es ist die Klimabilanz immer noch deutlich positiv."