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Klimaphänomen El Niño
Forscher entwickeln digitales Risikomodell

Viele Millionen Menschen leben in Regionen, in denen sie regelmäßig von Überflutung gefährdet sind. Jetzt haben niederländische Forscher zum ersten Mal modelliert, wo El-Niño-Ereignisse das Risiko für Überflutungen in die Höhe treiben.

Von Monika Seynsche | 21.10.2014
    Die Fischer vor der Küste Perus kennen das Christkind und sie fürchten es. Denn jedes Mal wenn El Niño auftritt, verschwinden die Fischschwärme. Alle paar Jahre schwächt das Klimaphänomen den Humboldtstrom so stark ab, dass kaum noch kaltes, nährstoffreiches Tiefenwasser aus der Antarktis die oberen Wasserschichten vor der Küste Perus erreicht. Das Plankton verhungert und die Fische sterben. Aber das ist noch nicht alles. El Niño verändert im ganzen Südpazifik die Strömungsverhältnisse und mit ihnen die Wassertemperaturen. Diese regionalen Veränderungen beeinflussen das Klima in weiten Teilen der Welt.
    "In dieser Studie haben wir ein globales Computermodell entwickelt, mit dem wir weltweit das Überflutungsrisiko abschätzen können. Wir können also berechnen, wo wie viele Menschen von den Wassermassen betroffen sind, wie groß der wirtschaftliche Schaden ist und inwieweit das Klimaphänomen El Niño das Risiko einer Überflutung beeinflusst. Denn es gibt Regionen, in denen die Flutschäden in El-Niño-Jahren stärker und andere in denen sie schwächer sind als in normalen Jahren."
    Philip Ward ist Geograf an der Freien Universität Amsterdam. Seinem Modell zufolge ist das Risiko für große Flutschäden während El-Niño-Jahren zum Beispiel an den Küsten Perus und Ecuadors erhöht, genauso wie am Horn von Afrika und in Teilen Zentraleurasiens.
    "Im Moment zum Beispiel liegt die Wahrscheinlichkeit bei ungefähr 66 Prozent, dass innerhalb der nächsten ein bis zwei Monate ein El Niño auftritt. Wir arbeiten mit verschiedenen Institutionen zusammen, wie etwa dem Klimazentrum der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften. Wir wollen sehen, inwieweit sie unsere Informationen nutzen können, um die Hochrisikogebiete auf Überflutungen vorzubereiten, also etwa jetzt schon Medikamente oder Nahrungsmittel in diese Gebiete zu bringen, damit diese im Falle einer Flut dann schnell verfügbar sind."
    Hilfsorganisationen und Weltbank sind interessiert
    Etwa die Hälfte aller Landflächen der Erde wird von El Niño beeinflusst. Mal steigt, mal sinkt das Risiko für Überflutungen. Das Modell der niederländischen Forscher zeigt allerdings auch, dass nicht immer dieselben Regionen stark von einem El-Niño-Ereignis betroffen sind. Und generell, betont Philip Ward, könnten sie nur die Wahrscheinlichkeit abschätzen, mit der eine Überflutung auftritt. Ob das Wasser im Ernstfall dann wirklich komme oder nicht, wüssten sie nicht. Trotzdem stoße ihr Modell auf großes Interesse, sagt der Forscher.
    "Bislang haben wir sehr positive Rückmeldungen bekommen, etwa Hilfsorganisationen. Wir haben unser Modell auch schon für Studien im Auftrag der Weltbank eingesetzt, denn wir können sehr schnelle Abschätzungen über das Flutrisiko bestimmter Länder liefern. Nach einer Überflutung hilft das der Weltbank, Maßnahmen zu finanzieren, die ein solches Land besser auf die nächste Flut vorbereiten können."
    Moderne Klimamodelle können El-Niño-Ereignisse heute schon mit einem Vorlauf von fast einem Jahr relativ genau vorhersagen. Und die Prognosen werden immer besser. Kombiniert mit dem Modell der niederländischen Forscher gewinnen die Katastrophenhelfer so immer mehr kostbare Zeit, um sich für den Ernstfall zu wappnen.