Archiv


Klimapolitische Crux

Energie. - 400 Milliarden Euro, so viel kostet der Plan, Deutschland mit Saharastrom zu versorgen. Eine Reihe namhafter Unternehmen wird sich im Juli treffen, um dieses Projekt näher unter die Lupe zu nehmen. Der Plan hat etliche Haken und Ösen.

Von Dagmar Röhrlich |
    Die Sahara ist gigantisch: eine Wüste, größer als der Kontinent Australien, mit einem fast immer wolkenlosen Himmel. Im Jahr scheint die Sonne rund 4300 Stunden - ideale Voraussetzungen für die Solarenergie. Warum also sollte man nicht den Strom für Europa umweltfreundlich in der Sahara produzieren, fragt Tony Patt vom Internationalen Institut für Systemanalyse in Laxenburg bei Wien:

    "Wir haben angefangen, uns mit der Idee zu beschäftigen, dass Europa einen großen Teil seiner Energie aus nordafrikanischen Sonnenwärmekraftwerken beziehen könnte - und zwar letztendlich, wenn das System steht, zu Preisen wie bei konventionellen Kohle- oder Gaskraftwerken. Außerdem ließe sich der lokale Markt billig versorgen, und die Nordafrikaner brauchen dringend mehr Strom."

    Mit dem Saharastrom könnte Europa also ehrgeizige Reduktionsziele beim Kohlendioxidausstoß mit gezielter Entwicklungshilfe verbinden. Es geht um Sonnenwärmekraftwerke. Bei denen lenken Parabolspiegel das Sonnenlicht auf Röhren oder Kammern, wo es Thermoöl, Luft oder flüssige Nitratsalze aufheizt. Die geben ihre Wärme an ein "Arbeitsmedium" ab, das über Dampf- oder Gasturbinen Strom erzeugt. Die Sonnenwärme lässt sich sogar speichern: mit erhitztem Salz, dessen Wärme nachts Strom produziert. Patt:

    "Meiner Meinung nach könnten solche Sonnenwärmekraftwerke sogar den Welt-Energiebedarf decken. Allerdings würden die riesigen Investitionen den Strom aus Nordafrika zunächst teuer machen. Europa müsste in den kommenden Jahrzehnten bis zu 200 Milliarden Euro Subventionen aufbringen, damit für die Stromerzeuger der Einstieg in nordafrikanische Sonnenwärmekraftwerke attraktiv wird. Aber verglichen mit den Summen, die für die Bewältigung der finanziellen Krise aufgebracht werden, ist das machbar."

    Die Subventionen flössen in die Infrastruktur, denn mit dem Kraftwerk allein ist es nicht getan: Der Strom muss über Tausende von Kilometern hinweg transportiert werden. Patt:

    "Nordafrika und Europa zu verbinden, das ist die große Herausforderung. Bislang haben wir dafür nur Gedankenspiele. Eine teure, aber effiziente Möglichkeit wäre, am Ozeangrund Gleichstromkabel für den verlustfreien Transport zu verlegen. Bei Deutschland als Zielmarkt liefe ein Stromkabel durchs Mittelmeer, das in Spanien oder Italien an Land kommt, und dessen Strom dann von da aus nach Deutschland weiter verteilt wird."

    Alternativ ist das recht zentral gelegene Aachen als Verteilerpunkt für ganz Europa im Gespräch. So oder so: An diesem einzigen Punkt käme ungeheuer viel Strom an - und den muss man aufnehmen und verteilen:

    "Derzeit gibt es keine europäische Initiative zur Lösung dieses Problems. Beim Bau von Überlandleitungen gibt es kaum zwischenstaatliche Kooperation. Außerdem wehren sich die Bürger gegen neue Überlandleitungen. Systeme, um den Strom aus Nordafrika ins europäische Netz zu übernehmen, sind derzeit nicht in Sicht."

    Außerdem gibt es nicht nur rein technische Probleme. Wäre es für die nordafrikanischen Staaten wirklich ein Segen, zum Kraftwerk für Europa zu werden?

    "Bislang war der reine Energieexport für die Länder meist ein schlechtes Geschäft. Weil sich die Preise, Löhne und Währung schnell nach oben bewegen, wird es extrem schwierig, irgendetwas anderes zu exportieren als Energie. Außerdem wird Korruption oft zum großen Problem."

    Für Europa birgt die Idee Risiken mit Blick auf die Versorgungssicherheit. Käme der Strom zum großen Teil aus Nordafrika, wäre man in der Hand der Saharastaaten. Eine Lösung liegt vielleicht darin, die Anlagen über mehrere Länder zu verteilen, so Tony Patt. Derzeit nimmt das Projekt jedenfalls in Wirtschaftskreisen Kontur an. Im Juli soll sich ein erstes Konsortium unter Führung der Münchener Rück und des Stromproduzenten RWE bilden: Sie möchten Desertec anschieben, um mit subventionierten Abnahmegarantien den Saharastrom am Markt durchzusetzen. Bis zu 15 Prozent des europäischen Strombedarfs hofft man zu decken - und nach zehn bis 15 Jahren wettbewerbsfähigen Strom zu liefern. Schon Anfang Juli wird sich ein weiteres Konsortium vorstellen, dass sich mit den Stromnetzen beschäftigt.