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Klimaschutz aus dem PC

Umwelt. - Mit dem Treibhauseffekt beschäftigten sich auch Politiker, Wissenschaftler und Unternehmer vergangene Woche auf einer internationalen Konferenz in Kiew. Auch hier galt das Hauptaugenmerk dem Klimawandel und finanziellen Auswirkungen. Ein neues Werkzeug verspricht hierzu bessere Prognosen. Der Wissenschaftsjournalist Peter Welchering erläutert es im Gespräch mit Gerd Pasch.

Gerd Pasch im Gespräch mit Peter Welchering |
    Gerd Pasch: Dabei wurde auch ein neues Klimaanalyseprogramm für den Praxiseinsatz vorgestellt. Worum handelt es sich da, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Wissenschaftler der Nationalen Technischen Donetsk Universität der Ukraine und der Staatlichen Akademie Odessa waren mit den bisherigen Klimasimulationen unzufrieden, weil bisher bei solchen Klimamodellen immer getrennte Modelle erstellt werden. Also ein Klimamodell für die Entwicklung in der Atmosphäre, ein zweites Klimamodell für den Anstieg der Temperaturen in den Ozeanen. Und da hat der Datenaustausch unter diesen verschiedenen Modellen untereinander in der Vergangenheit des öfteren Schwierigkeiten gemacht. Das ist der eine Punkt. Der zweite Punkt, mit dem die ukrainischen Forscher unzufrieden waren: Die Simulationsmodelle und Simulationssysteme hatten keine direkte Auswirkung auf das Projektmanagement, zum Beispiel beim Bau einer neuen Fabrik. Und hier haben die ukrainischen Forscher Schnittstellen geschaffen, über die ein ganzheitliches Klimamodell mit den Programmen für das Projektmanagement Daten austauscht, um ganz konkret berechnen zu lassen: Wenn ich folgenden Kohlendioxideintrag in die Atmosphäre habe, was bedeutet das dann für zum Beispiel das Atmosphärenmodell.

    Pasch: Wie werden denn die Datenmodelle für die chemischen, physikalischen und meteorologischen Eingabedaten auf ihre Verlässlichkeit in diesem Klimaanalyseprogramm geprüft?

    Welchering: Da ist den Forscher in Odessa aufgefallen, dass in diesen Modellen teilweise Parameter stecken, die von der Grundlagenforschung her noch niemand richtig untersucht hat. Es wird bisher in vielen Klimasimulationen davon ausgegangen, dass die untersuchten Prozesse auch wirklich für bestimmte Klimafolgen ursächlich waren. Das ist aber nur eine Annahme. Und mit bloßen Annahmen kann man dann auch beim Projektmanagement und einer Prüfung der Klimaverträglichkeit zum Beispiel einer neuen Fabrik nicht viel anfangen. Deshalb arbeiten die Wissenschaftler im Donetsk-Becken und in Odessa auch nicht mit Teilmodellen, wie dem Atmosphärenmodell, dem Temperaturmodell oder dem Ozeanmodell, sondern sie untersuchen zunächst einzelne Prozesse. Erst wenn sie sicher sind, dass dieser Prozess eine bestimmte Klimawirkung hat, wird er für eine Modellbildung zugelassen. Zum Beispiel der Zusammenhang von Kohlendioxideinträgen in die Atmosphäre und der Bildung des Ozonlochs wird sowohl vom Prozess "Transport von Luftmassen" untersucht, als auch vom chemischen Prozess, der da stattfindet. Sind beide Prozesse verstanden, wird ein Modell gebildet, wie diese Prozesse aufeinander einwirken. Das geht nicht nur im Computer. Deshalb wird zunächst einer Klimakammer eine Atmosphäre simuliert. Die dort gewonnenen Messergebnisse sind dann die Basis für ein Computer-Simulationsmodell.

    Pasch: Bei Klimasimulationen denken wir sofort an Superrechner und Höchstleistungsmaschinen. Welche Hardware wird in der Ukraine eingesetzt?

    Welchering: In Odessa, aber auch in Kiew, zum Beispiel im Umweltministerium, wird mit ganz normalen Personal Computern gearbeitet. Die PCs hängen jeweils mit ihrem Prozess, den sie simulieren sollen, verteilt in einem Simulationsnetz. Das ist teilweise das lokale Netzwerk in einem Institut, teilweise aber auch ein größeres Simulationsnetz, das Daten via Internet-Verbindungen, genauer mit Telnet und dem File Transfer Protocol austauscht. Deshalb ist der "Simulationsrechner", der aus mehreren hundert Personal Computern besteht, nicht sehr teuer. Allerdings stößt diese Simulationsmethode auch an eine Grenze. Wirkliche Erdsystemforschung, wie sie zum Beispiel bei uns in Jülich oder am Max-Planck-Institut für Meteorologie betrieben wird, ist damit nicht möglich. Aber den Anspruch haben die ukrainischen Forscher auch gar nicht. Ihnen kommt es auf die Verbindung von Projektmanagement beim Bau neuer industrieller Infrastruktur und der Klimasimulation an. Da muss zwar auch noch sehr viel Forschungsarbeit in Sachen Modellbildung für die Prozesssimulation geleistet werden. Entscheidend ist dabei, dass ein simulierter Prozess schon Anregungen für die Planung von Gebäuden und Industrieanlagen bringen kann. Und dass dieser Prozess nicht isoliert betrachtet wird, sondern mit allen seinen Schnittstellen zu den anderen Klimaprozessen, die auch simuliert werden. Und das ist ein Ansatz für ein ganzheitliches Simulationsmodell, der über die bisherigen Ozeanmodelle, Atmosphärenmodelle und Temperaturmodelle hinausgeht und praxiswirksam ist.