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Klimaschutzplan
Einige Absichtserklärungen, aber wenig Konkretes

Die Bundesregierung hat sich doch noch auf einen Klimaschutzplan einigen können, Umweltministerin Barbara Hendricks muss nicht mit leeren Händen zum UN-Klimagipfel nach Marrakesch fliegen. Ein Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle ist nicht vorgesehen. Es bleibt nur das große Ziel, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften.

Von Frank Capellan | 12.11.2016
    Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) begrüßt in Berlin im Rahmen des Festaktes zum 30-jährigen Bestehen des Bundesumweltministeriums die Gäste.
    Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kann mit einem Klimaschutzplan nach Marrakesch zum UN-Gipfel fliegen. (Rainer Jensen, dpa picture-alliance)
    Sigmar Gabriel muss sich einiges anhören. Das Treffen mit der Kanzlerin in Sachen Gauck-Nachfolge sagt er gestern ab. Erkrankt, Stimme versagt, heißt es in Berlin, den Klimaschutzplan aber bringt er noch seinem Gusto in trockene Tücher, seine Sprecherin darf dann vertonen, was der Wirtschaftsminister ohne Stimme erklären möchte. Dieser neue Plan ist eine gute und ausgewogene Lösung. "Nur wenn wir Klimaschutz mit dem Erhalt der industriellen Arbeitsplätze verbinden, werden uns andere Länder folgen", gibt Gabriel zu Protokoll. Und weiter wörtlich: "Barbara Hendricks kann nun mit einem abgestimmten, aber auch realistischen Konzept" zur Konferenz nach Marrakesch reisen. Das hört sich eigentlich an, als halte er die Parteifreundin mit ihren ehrgeizigen Zielen für eine Traumtänzerin, Barbara Hendricks aber gibt sich loyal:
    "Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften, und es ist sicherlich auch mit den Kompromissen, die wir jetzt beschlossen haben, erreichbar."
    Ist es das? Kritiker zweifeln daran. Gabriel hat einen Industrierabatt durchgedrückt. Zehn Millionen Tonnen CO2 mehr als zuletzt vorgesehen dürfen in den nächsten 13 Jahren ausgestoßen werden. Zudem kein Wort dazu, wann die ersten Braunkohlekraftwerke vom Netz gehen werden. Der Runde Tisch zur Erarbeitung von Ausstiegsszenarien wird nun zur Strukturwandel-Kommission, die Federführung geht von Hendricks an Gabriel. Norbert Römer, SPD-Fraktionschef im Noch-Kohle-Land Nordrhein-Westfalen hält all das für richtig. Im Deutschlandfunk präsentiert er sich ganz auf Gabriel-Kurs:
    Keine Verpflichtungen vorgesehen
    "Wir machen den Plan mit der Wirtschaft, Industrie und Gewerkschaft und wir setzen vor allem auf die Innovationskraft. Wir überfordern niemand, weil wir doch wissen, die industrielle Produktion ist die Grundlage für unseren Wohlstand, das wollen wir auch erhalten!"
    Viel von sollte und könnte ist im Klimaschutzplan nun zu lesen. Doch keinerlei Muss, keine Verpflichtungen. Das hätten wir uns sparen können, dieser Plan bringt nichts, heißt es bei den Grünen. Das wirft kein gutes Licht auf Deutschland, urteilt der Naturschutzbund. "Wir müssen den raschen Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle voranbringen", fordert die katholische Organisation für Entwicklungszusammenarbeit Misereor. Barbara Hendricks weist solche Kritik zurück:
    "Wir mussten keine Kohlepläne aufgeben, weil wir hatten vorher auch keine Kohlepläne, sondern es geht uns darum, Strukturbrüche zu vermeiden, einen Pfad zu beschreiben, wie wir es hinbekommen können, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften."
    SPD: Keine Mehrheit für Privatisierung der Autobahnen
    Auch Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, mittlerweile in Marrakesch bei der Klimakonferenz, wertet die Verständigung der Bundesregierung als Erfolg. Der CSU-Minister hatte sich seinerseits lange gegen seiner Ansicht nach überzogene Forderungen mit Blick auf die Reduzierung von CO2-Emissionen in der Landwirtschaft gewehrt. Den entschärften Klimaschutzplan wertet er nun als gute Grundlage für die kommenden Jahre.
    "Er ist ausgewogen, weil er die Machbarkeit im Blick behält. Es wäre niemandem gedient, wenn die ökonomische Umsetzbarkeit nicht mehr gegeben ist, weil die Anforderung zu hoch sind, dass sie praktisch nicht erfüllt werden können!"
    Gefragt ist auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Die Forderung nach einem Ende der Verbrennungsmotoren ist im Klimaschutzplan zwar nicht mehr zu finden. Der CSU-Minister verpflichtet sich allerdings, bis 2030 im Verkehrsbereich 98 Millionen Tonnen einzusparen. Und: Abseits der Klimadebatte kommt möglicherweise noch ein neues Thema auf sein Ressort zu: Um Geld zu sparen, will Finanzminister Schäuble Deutschlands Autobahnen privatisieren und dafür eine Infrastrukturgesellschaft. Allerdings: Dafür bedarf es einer Grundgesetzänderung. Der Plan dürfte sich wohl schnell als Totgeburt erweisen. "Es wird weder eine Privatisierung von Straßen noch der Bundesfernstraßengesellschaft geben", lässt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in einer ersten Reaktion durchblicken. Und SPD Verkehrsexperte Sören Bartol urteilt: "Die Pläne von Herrn Schäuble werden in dieser Form nicht Realität werden, da er dafür keine Mehrheit im Bundestag hat."