Wenn es um die Frage nach dem Einfluss des Klimawandels auf die Landwirtschaft geht, gab es in den Statistiken bisher so etwas wie einen blinden Fleck, sagt Navin Ramankutty.
"Es gibt eine Menge empirischer Studien, die auf Basis von langfristigen Klima- und Landwirtschaftsdaten nach Zusammenhängen zwischen Klimaveränderungen und Ernteerträgen suchen. Es ist aber offensichtlich, dass die größten negativen Einflüsse des Klimas von extremen Wetterereignissen ausgehen. Etwa wenn Dürren, extreme Hitzeperioden oder ähnliche Dinge auftreten. Deren Folgen ließen sich aber auf Basis der vorliegenden Daten bisher nur schwer quantifizieren."
Zumindest auf globaler Ebene fehlten dazu entsprechende Berechnungen. Navin Ramankutty Geograf an der University of British Columbia im kanadischen Vancouver, hat sich dieser Frage angenommen. Er verknüpfte eine weltweite Datenbank der Extremwetterereignisse mit Angaben zur landwirtschaftlichen Produktion aller Länder der Erde – und das für die vergangenen 50 Jahre. Das Ergebnis zeigt, wie stark Extremwetterereignisse die Erntemengen verringern können.
"Unsere Schätzung liegt bei neun bis zehn Prozent. Das heißt, wenn ein Land in einem Jahr von einem extremen Wetterereignis betroffen ist, gibt es dort neun Prozent Einbußen in der landwirtschaftlichen Produktion. Dieser Zusammenhang gilt weltweit in allen Ländern."
Extremwettereignisse treffen freilich nicht die ganze Welt zugleich, sondern nur einzelne Länder und Regionen. Global betrachtet belaufen sich die Ernteverluste im Getreideanbau infolge von Hitze und Dürre den Berechnungen nach auf rund sechs Prozent pro Jahr. Navin Ramankutty untersuchte auch den Einfluss von extremer Kälte und Überflutungen auf die landwirtschaftliche Produktion. Doch hier fand er überraschenderweise keinen statistisch signifikanten Zusammenhang mit möglichen Ernteeinbußen. Warum das so ist, dafür hat er eine Hypothese.
"Hauptsächlich hat das mit dem Timing der Ereignisse zu tun. Extreme Kälteeinbrüche ereignen sich normalerweise im Winter, wenn die Pflanzen gar nicht wachsen. Überflutungen wiederum geschehen häufig im Frühjahr. Du säst etwas aus, dann kommt die Flut, aber danach kannst Du noch mal säen. So endet das nicht zwangsläufig in einem großen Desaster."
Überraschend für die Forscher: Industrieländer sind stärker betroffen
Navin Ramankuttys Analyse liefert noch ein weiteres überraschendes Ergebnis. Der Blick in die Statistik zeigt, dass bei Extremwetterereignissen die Landwirtschaft in Industrieländern stärkere Einbußen verzeichnet als in den Entwicklungsländern.
"Wir hatten damit gerechnet, dass Entwicklungsländer stärker betroffen sind. Eine mögliche Erklärung, warum das nicht so ist, liegt darin, dass es in entwickelten Ländern mehr Monokulturen gibt. Über große Flächen werden die gleichen Pflanzenarten angebaut. In Entwicklungsländern gibt es mehr Vielfalt in der Landwirtschaft. Es gibt kleine Farmen, die verschiedene Getreidearten mit unterschiedlichen Methoden anbauen. Die vielfältigeren Anbausysteme erweisen sich als robuster gegenüber Extremwetterereignissen."
Solche Erkenntnisse sind für die Klimafolgenforschung besonders interessant. Sie könnten neue Anhaltspunkte dafür liefern, an welchen Leitbildern sich die Landwirtschaftspolitik mit Blick auf den Klimawandel in Zukunft orientieren sollte.
"Wir wissen, dass die Extremwetter-Ereignisse in Zukunft häufiger und intensiver werden könnten. Wir brauchen Anpassungsstrategien, um damit umgehen zu können. Dass vielfältigere Landwirtschaftssysteme wie in den Entwicklungsländern robuster sind, könnte eine wichtige Einsicht sein."