Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Klimawandel
Studie kritisiert milliardenschwere Investitionen in EU-Gasprojekte

Die EU-Kommission will dem Gas den Rücken kehren, genauso wie Öl und Kohle. Doch ein Forschernetzwerk beklagt nun: Der Gasmarkt soll in den kommenden Jahren massiv ausgebaut werden, obwohl diese Kapazitäten nicht mehr benötigt würden.

Von Kai Rüsberg | 04.02.2020
Blick über das LNG-Terminal.
Frankreich hat hat schon mehrere LNG-Terminals (hier der LNG-Hafen Dunkerque) - innerhalb der EU sind weitere geplant (AFP / Denis Charlet)
In der EU sind in den nächsten Jahren öffentliche und private Investitionen in Gasinfrastruktur in gewaltiger Größenordnung geplant. Das weist der Bericht des Global Energy Monitor (GEM) nach, in dem alle Gasinvestitionen in Planung oder Bau aufgelistet werden. Insgesamt sollen Pipelines, Verladungshäfen oder Gaskraftwerke für 117 Milliarden Euro gebaut werden. Die Investitionen würden Europas Gasimportkapazitäten um 30 Prozent erhöhen, fasst der Direktor des GEM, Ted Nace, zusammen.
"Die Gasinvestitionen werden 30 bis 40 oder sogar 50 Jahre in Betrieb sein, aber Ziel der Europäischen Regierung ist es eigentlich, fossiles Gas bis 2050 auslaufen zu lassen. Und es bis 2030 deutlich um 40 Prozent zu reduzieren. Warum sollte man also 100 Milliarden Euro investieren, in Anlagen, die zur Mitte des Jahrhunderts nicht mehr genutzt werden sollen?"
Fehlt Geld für nachhaltige Anlagen, wenn in Gasprojekte investiert wird?
Dabei würden diese Kapazitäten für Erdgas gar nicht benötigt, so der GEM. Bereits die aktuell vorhandene Kapazität sei 1,8 Mal so groß wie der aktuelle Bedarf. Nace befürchtet, wenn die Kapazitäten ausgebaut würden, einen Lock-In Effekt: eine Festschreibung auf viele Jahrzahnte.
"Der Lock-In-Effekt bedeutet, wenn man die Kapazitäten für nicht benötigte Anlagen aufbaut, wird es schwieriger auf die neuen nachhaltigen Anlagen umzustellen. Zudem wird dafür das Geld weggenommen."
Allein in Deutschland sind 15 Milliarden Euro an Investitionen für LNG Gas geplant, das ist verflüssigtes Erdgas, das vor allem per Schiff angeliefert wird. Darin enthalten sind Investitionen in geplante oder in Bau befindliche Pipelines für 4,5 Milliarden Euro, LNG-Terminals für knapp 2 Milliarden Euro sowie Gaskraftwerke für fast 9 Milliarden Euro.
Claudia Kemfert, Energieanalystin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, hält diese Planungen ebenso für unnötig und schädlich für einen Umstieg auf erneuerbare Energien:
"Wir denken sogar und haben das in einer Studie nachgewiesen, dass man damit den Umstieg hin eben zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien eher behindert, als unterstützt. Erneuerbare Energien sind heute schon preiswerte als fossiles Erdgas und aus dem Grunde braucht man eben keine neue fossile Erdgasinfrastruktur."
NRW-Wirtschaftsminister: Gasbedarf steigt wegen Atom- und Kohleausstieg
Die Studie des GEM hält sie für hilfreich. Sie zeige, dass Deutschland und die EU diese Ausbauvorhaben überdenken müssten.
"Aber wir planen ja eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien und da ist die Frage, ob man überhaupt noch fossile Infrastruktur in dem Umfang benötigt. Gerade die fossile Erdgasinfrastruktur rechnet sich nur, wenn man sehr lange Zeiträume im Blick hat, also mehrere Jahrzehnte."
NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart verteidigt aber die Ausbauplanungen der Erdgasnutzung.
"Ich glaube, dass wir auf mittlere Sicht in Europa und auch in anderen Teilen der Welt einen wachsenden Gasbedarf haben werden - aufgrund der Tatsache, dass Länder wie Deutschland ja nicht nur aus Kernenergie aussteigen, sondern eben auch aus der Kohleverstromung und bei der Kohleverstromung haben wir natürlich auch die Kraft-Wärme-Kopplung, das heißt, sie haben auch entsprechend die Wärmeauskopplung."
Pinkwart sieht insbesondere für Nordrhein-Westfalen einen Bedarf aufgrund dessen, dass künftig kein Erdgas mehr aus den Niederlanden geliefert werden wird. Zudem sei der Ausbau eine Brückentechnologie hin zu Gasen aus erneuerbaren Quellen in Zukunft.
Die Kritiker von GEM halten dem entgegen, wenn noch auf Jahrzehnte fossiles Gas verbrannt würde, würden die Klimaziele außer Reichweite geraten. Nach Prognosen der EU-Kommission muss vielmehr die Nutzung von fossilem Gas um 29 Prozent reduziert werden, um die 2030-Klima- und Energieziele noch zu erreichen.