Freitag, 29. März 2024

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Klimawandel und Migration
"Hände weg vom Begriff Klimaflüchtling"

Migrationsentscheidungen seien insgesamt äußerst komplex, sagte Benjamin Schraven vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik im Dlf. Zwar hätte auch der Klimawandel Einfluss auf Migration und Flucht, aber viele weitere Faktoren spielten eine sehr große Rolle - es gebe auf keinen Fall einen Automatismus.

Benjamin Schraven im Gespräch mit Britta Fecke | 28.07.2019
Ein Mann läuft durch einen durch die Dürre ausgetrockneten Wasserspeicher bei Tegucigalpa in Honduras.
Dürre in Honduras: Einen ausschließlichen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Flucht gebe es nicht, sagt der Soziologe Benjamin Schraven (picture-alliance/ dpa / afp / Orlando Sierra)
Das Horn von Afrika sei gezeichnet von besonders schweren Dürren. Ein direkter Zusammenhang zwischen mehr Dürren und Überschwemmungen und mehr Flucht gebe es aber nicht. So einfach sei es nicht, weil es kämen zu den klimatischen und ökologische Faktoren noch sehr viele andere hinzu, die dann eine Fluchtentscheidungen beeinflussen würden. Einen Automatismus gebe es auf keinen Fall. Eine wichtige Rolle spielte politische, soziale und ökonomische Faktoren.
"Das Thema ist insgesamt sehr komplex"
Natürlich habe der Klimawandel einen ganz erheblichen Einfluss auf die Migrationsentscheidungen, aber das Thema sei insgesamt äußerst komplex. Er würde die Hände von einem Begriff wie Klimaflüchtling lassen. Man wisse, dass in den Kontexten, in denen sich der Klimawandel äußere, dieser einen Einfluss habe auf Migrationsprozesse. Das seien aber sehr häufig keine Fluchtprozesse, sondern dies seien eher Prozesse von zirkulärer Arbeitsmigration.
Laut Schraven gingen dann einzelne Familienmitglieder für eine Zeit lang in eine andere Region, in ein Nachbarland, um dort Geld zu verdienen. Sehr häufig seien Menschen aber auch zu arm, um überhaupt irgendwo hinzumigrieren, auch aufgrund des Klimawandels. Das seien dann gefangene Bevölkerungsgruppen.
200 Millionen Klimaflüchtlinge "sehr simplistische Annahme"
Er empfinde die Zahl von 200 Millionen Klimaflüchtlinge bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts als eine Katastrophe, weil man immer noch nicht genau definieren könne, was sei ein Klimamigrant, was sei ein Klimaflüchtling, so Schraven. Diese Prognose stamme aus dem Jahr 1995, da seien die Klimawissenschaften bei Weitem noch nicht so weit entwickelt gewesen, wie heute. Da habe man noch nicht allzu viel über die Auswirkungen des Klimawandels gewusst. Es seien dann einfach sehr simplistische Annahmen getroffen worden. Die seien heute in keiner Weise mehr haltbar.
Auch bei Konflikten gebe es keine Automatismen: Auch hier könne man nicht mehr sagen, je mehr Klimawandel, desto mehr Konflikt etwa um Wasser. Ganz generell werde es in den nächsten Jahrzehnten in solchen Regionen wie Bangladesch oder den pazifischen Inselstaaten Probleme geben, weil Territorien einfach verschwinden würden. Da würde es definitiv ein Problem mit Zwangsmigration und Flucht geben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.