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Klimawandel
Viele Fische ziehen immer weiter in den Norden

Wenn die Wassertemperaturen steigen, wird es manchen Fischen zu warm in ihrem Heimatgebiet. Die Folge: Die Bestände vieler Arten weiten sich immer weiter in den Norden aus, sogar bis in arktische Regionen. Norwegische Forscher haben untersucht, welche Auswirkungen der Fischzug für die im Norden beheimateten Arten haben könnte.

Von Christine Westerhaus | 26.01.2017
    Ein Dorsch, auch Kabeljau genannt, schwimmt am 18.09.2016 in Kiel (Schleswig-Holstein) im Aquarium des Geomar-Instituts. Der Dorsch ist ein wichtiger Speisefisch und inzwischen durch Überfischung gefährdet. Foto: Axel Heimken/dpa | Verwendung weltweit
    Einer von vielen, die in den Norden ziehen: der Dorsch (dpa)
    Atlantische Dorsche mögen's eher kalt und deshalb fühlen sie sich seit einigen Jahren sogar vor der arktischen Insel Spitzbergen wohl. So wie ihnen geht es offenbar auch vielen anderen Fischarten, wie André Frainer von Norwegens Arktischer Universität in Tromsø und seine Kollegen festgestellt haben. Sie haben die Fangdaten von Forschungsschiffen in der Barentssee analysiert und gesehen, dass in der Arktis zunehmend Arten ins Netz gehen, die dort eigentlich nicht hingehören. André Frainer:
    "Die Fischgemeinschaften in der Arktis setzen sich zunehmend aus Arten zusammen, die normalerweise in gemäßigten Zonen vorkommen, also eher im südlichen Teil der Barentssee. Diese Veränderungen sind sehr schnell passiert – wir konnten sie innerhalb der letzten zehn Jahren beobachten, was extrem schnell ist für so ein riesengroßes Gebiet wie die Barentssee. Denn mit 1,6 Millionen Quadratkilometern Fläche ist sie so groß wie Frankreich, Deutschland Spanien und Norwegen zusammen."
    Für ihre Untersuchung haben André Frainer und seine Kollegen die Fänge analysiert, die an fast 4000 Messstationen eingeholt wurden. Die gefangenen Fischarten haben sie dann nach ihrer Lebensweise und Funktion im Ökosystem unterteilt. Dabei haben sie gesehen, dass sich in der Arktis zunehmend Arten ausbreiten, die sich von den dort traditionell heimischen Spezies deutlich unterscheiden.
    Frainer: "Die arktischen Fischarten sind meist klein und fressen am Meeresboden. Außerdem wachsen sie viel langsamer, gehen seltener auf Jagd und werden auch selbst nur von wenigen Fischen gefressen. Dagegen sind viele Fischarten aus der gemäßigten Zone Generalisten, sie sind viel größer und wachsen schneller. Wir sehen, dass diese Spezies die einheimischen Arten in der Arktis nach und nach ersetzen."
    Exoten aus gemäßigten Breiten könnten einheimischen Arten Nahrung wegfressen
    Fische, die in der Arktis zuhause sind, haben sich an die dortigen Lebensbedingungen angepasst: Im Sommer, während der kurzen produktiven Phase, vermehren sie sich und legen eine Fettschicht für den langen Winter an. Denn während der Polarnacht, in der die Sonne am Nordpol fast ein halbes Jahr lang nicht zu sehen ist, können die Algen kein Sonnenlicht in Biomasse verwandeln. Wenn die Fische im kurzen Sommer also nicht genügend Reserven anlegen können, kommen sie nicht über den Winter. André Frainer befürchtet deshalb, dass die Exoten aus den gemäßigten Breiten den einheimischen Arten die Nahrung wegfressen:
    "Wir gehen davon aus, dass Fische aus wärmeren Regionen nur im Sommer in die Arktis kommen. Die Arten, die an die lange Polarnacht angepasst sind, werden also von Fischen aus den gemäßigten Breiten gefressen, verdrängt oder sogar ersetzt. Und das würde dazu führen, dass diese Opportunisten die Arktis nach dem Sommer in einem verarmten Zustand zurücklassen. Ich denke, das ist die größte Veränderung."
    Ob der neue Fischreichtum in der Arktis ein Segen ist, ist daher mehr als fraglich. Zwar versprechen die großen Fische aus den gemäßigten Breiten eine fettere Beute als die eher kleinen, einheimischen Arten. Doch so lange unklar ist, in welche Richtung sich die arktischen Ökosysteme entwickeln, sollte sie der Mensch nicht noch zusätzlich unter Druck setzen, meint André Frainer:
    "Ich denke, dass unsere Beobachtungen für die Nutzung der Fischbestände wichtig sind. Wir sehen, dass sich die Funktion der arktischen Ökosysteme verändert, aber es ist sehr fraglich, wie nachhaltig diese Entwicklung ist. Die arktischen Fischarten sind gut an die harschen Bedingungen angepasst. Im Gegensatz zu Spezies aus den gemäßigten Breiten. Ob man die neu eingewanderten Arten kommerziell befischen sollte, hängt deshalb sehr davon ab, ob sie sich an die arktischen Bedingungen anpassen können."
    Aktuell ist die kommerzielle Fischerei in der Arktis untersagt: 2015 haben die Anrainer-Staaten dort ein generelles Fangverbot beschlossen.