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Klinsmann, Bierhoff und Osieck an der Spitze der Fußballnationalmannschaft

Stefan Heinlein: Klinsmann und Völler, renommierte Namen im internationalen Fußball, jahrelang das Traumduo der Nationalmannschaft, gemeinsam Weltmeister 1990, die Fans liebten die Torjäger, auch als beide ins Ausland verschwanden. Nun schickt sich der eine an, in die Fußstapfen des anderen zu treten. Noch fehlt die letzte offizielle Bestätigung, doch es gilt als sicher, Jürgen Klinsmann wird neuer Teamchef der Fußballnationalmannschaft - nicht allein, Oliver Bierhoff wird ihm als Teammanager an der Seitenlinie assistieren, gemeinsam mit dem erfahrenen DFB-Trainer Holger Osieck. Die wochenlange Suche nach einem Völler-Nachfolger hat also ein überraschendes Ende gefunden, über das ich jetzt mit dem ARD-Fußballexperten Manni Breukmann reden will. Herr Breukmann, Klinsmann als Teamchef: Notlösung oder Befreiungsschlag?

Moderation: Stefan Heinlein |
    Manfred Breukmann: Also eins muss man ja den Jungs beim DFB und bei der deutschen Fußballliga lassen: Es fällt ihnen immer was Originelles ein, sei es jetzt die Doppelspitze, als DFB-Präsident und Vize und jetzt diese Dreierlösung. Ob das eine richtige Lösung ist, das weiß ich nicht genau, aber ich wage es zunächst mal zu bezweifeln. Denn was hat Klinsmann als Trainer vorzuweisen? Er soll ja Trainer sein, obwohl man heute nirgendwo mehr Trainer im Zusammenhang mit der Fußballnationalmannschaft sagt, man sagt schlicht und einfach Teamchef. Er hat noch nie eine Mannschaft trainiert und ist jetzt plötzlich der Trainer. Es geht offensichtlich darum, das alles heutzutage mediengerecht verpackt wird, dass positive Präsentation in erster Linie stattfinden muss. Da sitzt so ein netter junger Mann, der immer lächelt, und ihm zur Seite ein gut frisierter Oliver Bierhoff, und die Arbeit wird wahrscheinlich der Holger Osieck machen müssen, der als Co-Trainer fungiert.

    Heinlein: Klinsmann, Sie sagten es, lebt seit über sechs Jahren im Ausland, in den USA in Los Angeles, ist also sehr weit weg vom aktuellen Fußballgeschehen, zumal in der Fußballbundesliga. Wie schnell wird er denn dieses Defizit aufholen können? Immerhin hat er ja die Erfahrung von über 100 Länderspielen.

    Breukmann: Er ist sicherlich ein sehr intelligenter Bursche und er wird sich schnell rein finden und wie gesagt, er hat ja den Beckenbauerfreund Holger Osieck an seiner Seite, der 1990 mit Beckenbauer zusammen die Weltmeisterschaft gewonnen hat. Das wird wahrscheinlich sozusagen die graue Eminenz sein, die auch die Mannschaftsaufstellung wesentlich mit beeinflusst. Ich weiß ja nicht genau, wie die Aufgabenaufteilung da aussehen wird, aber Klinsmann ist sicherlich gut und bestens in der Lage, genauso wie Rudi Völler, den Fußball nach außen zu verkaufen und vielleicht auch mal in schlechten Situationen ein nettes Gesicht zu machen. Aber ich wage es erst mal zu bezweifeln und das ist ja letztlich auch eine Schande für die Trainerzunft in Deutschland, dass das nun wirklich der richtige Mann ist an der Spitze.

    Heinlein: Was soll denn ein Teammanager - Oliver Bierhoff soll es ja werden - innerhalb dieses Trios, innerhalb dieses Triumvirats bewirken?

    Breukmann: Das war absehbar, dass es so etwas geben würde wie einen Teammanager. Das ist schon durch die Zeitung gegeistert. E hat auch ein Gespräch gegeben mit Oliver Bierhoff und Karl-Heinz Rummenigge, und was der dann in der Öffentlichkeit sagt, das hat schon Gewicht. Er hat das vorgeschlagen. Das ist auch eine alte Forderung von Ulli Hoeneß. Ein Teammanager ist jemand, der zuständig ist für die Kontakte zu den Sponsoren, für die Kontakte zur Fanszene, auch für verstärkte Beziehungen zu den Medien. Das ist sicherlich eine ganz sinnvolle Aufgabe, die der da wahrnehmen soll, der Oliver Bierhoff. Interessant wird es allerdings, wenn die deutsche Fußballliga diese Sache an sich ziehen wird, wenn sie sozusagen die Nationalmannschaft als Unterabteilung der deutschen Fußballliga installieren will. Dagegen wird der DFB etwas haben und da zeichnet sich schon von Ferne ein gewisser Konflikt ab. Aber dagegen, dass ein Teammanager installiert wird, dagegen habe ich persönlich überhaupt nichts.

    Heinlein: Ist das wichtig für den sportlichen Erfolg einer Fußballmannschaft?

    Breukmann: Das ist für den sportlichen Erfolg überhaupt nicht wichtig. Es ist dafür wichtig, dass das ganze Drumherum funktioniert, dass die Kohle rollt, und das hat ja auch einen gewissen Stellenwert, das kann man nicht einfach wegdiskutieren. Da sind Aufgaben zu bewältigen, die normalerweise für einen, der die sportliche Seite zu betreuen hat, gar nicht wahrnehmbar sind. Insofern ist das schon okay aus meiner Sicht.

    Heinlein: Sie haben die deutsche Fußballliga angesprochen, glauben Sie, dass die Bundesligavereine mitziehen werden, mit Blick auf das große Ziel WM 2006 im eigenen Lande, werden sie etwa mehr eigene, mehr junge Spieler einsetzen und weniger Ausländer?

    Breukmann: Ich denke, wir haben ja jetzt noch zwei Jahre bis zur Weltmeisterschaft 2006, das wird eine riesige Eigendynamik werden. Wir kriegen ja schon nächstes Jahr eine Generalprobe, den so genannten Konföderationen-Cup mit acht Nationalteams. Da wird schon so etwas wie Weltmeisterschaftsstimmung aufkommen. Im Unterschied zu anderen Weltmeisterschaften, Südkorea oder sonst wo, wird das ein anderes Gefühl sein und alle werden sich viel mehr herausgefordert fühlen, auch diese Nationalmannschaft zu unterstützen. Da habe ich gar kein schlechtes Gefühl, obwohl man immer wieder sagen muss: Die guten Stürmer, die kann man sich auch nicht nachts im Hobbykeller schnitzen. Da warten wir ja noch immer drauf hier in Deutschland.

    Heinlein: Sie haben es vorab erwähnt, Klinsmann hat in den letzten Wochen sich ja in mehreren Interviews sehr kritisch über den DFB geäußert. Normalerweise reagiert ja gerade Mayer-Vorfelder sehr dünnhäutig auf eine so offene Kritik. Warum war es diesmal anders?

    Breukmann: Ja, der Klinsi und der Mayer-Vorfelder, das sind Kumpels aus schwerer Zeit. Das ist die Schwabenconnection, das darf man nicht vergessen. Wenn zum Beispiel einer wie Winnie Schäfer es nicht geworden ist, dann hängt das damit zusammen, dass er in Stuttgart rausgeflogen ist und der Mayer-Vorfelder überhaupt kein gutes Verhältnis zu ihm hat, und Mayer-Vorfelder sitzt eben in dieser Trainerfindungskommission zusammen mit drei anderen Herren. Das hat also immer noch Einfluss genug und so kommt es zum Beispiel, dass man dem Klinsmann seine kritischen Äußerungen nicht so arg übel nimmt.

    Heinlein: Hat man beim DFB bewusst jetzt nach diesen großen Namen gesucht, Klinsmann und Bierhoff sind ja sehr populäre Spieler und auch sehr beliebt bei den Fans. Geht es auch darum?

    Breukmann: Es geht genau darum, wie dieser Fußball, der Nationalmannschaftsfußball sich in der Öffentlichkeit präsentiert, wie viel Modernität er zeigt. Das soll ja auch damit dokumentiert werden. Zwei positive Gestalten, denen man überhaupt nichts Negatives bisher nachsagen kann. Sie schwächelten manchmal in ihrer Nationalmannschaftskarriere, aber haben in toto ein glänzendes Bild hinterlassen und das ist sicherlich die Absicht des deutschen Fußballbundes, auch wenn er natürlich vorher andere Kandidaten hatte, zum Beispiel einen richtigen Fußballlehrer, den Ottmar Hitzfeld, das darf man ja auch nicht vergessen, dass dieses Geschichte der Trainerfindung letztlich eine ziemlich elende gewesen ist.

    Heinlein: Über einen Namen müssen wir zum Schluss noch sprechen, Beckenbauer, er hat ja bis zum Schluss den Namen Lothar Matthäus sehr hoch gehalten, ist der Kaiser mit der jetzigen Entscheidung für Klinsmann ein wenig vom Thron gestoßen worden?

    Breukmann: Das würde ich nicht sagen, dass er vom Thron gestoßen worden ist, aber es ist wieder ein Beweis, man kommt einfach an dem Namen nicht vorbei, für die nicht nachlassende oder nur leicht beschädigte Macht von Mayer-Vorfelder.