Klose: Guten Morgen.
Engels: Die Staaten der Region sind sich über das Vorgehen gegenüber dem Irak bis auf eine grundsätzliche Position, dass man kooperieren solle, nicht recht einig. Welche Möglichkeiten hat denn da Joschka Fischer überhaupt?
Klose: Viele Möglichkeiten haben wir nicht, aber ich denke, man sollte das, was in der Türkei geschehen ist, auch nicht unterschätzen. Wenn die Nachbarstaaten ihre Besorgnis zum Ausdruck bringen und gleichzeitig den Irak auffordern, noch besser zu kooperieren als bisher, dann ist das eine wichtige Botschaft, und ich denke, wir sind gut beraten, solche Botschaften auch durch Joschka Fischer zu übermitteln. Es liegt in der Tat im wesentlichen am Irak, ob wir ohne eine militärische Intervention zurecht kommen oder nicht.
Engels: Müsste Joschka Fischer nicht eher in die Vereinigten Staaten reisen, um dort für eine Verlängerung der UN-Inspektionen im Irak zu werben, denn dort scheint ja das Hauptproblem derzeit zu liegen?
Klose: Ich fürchte, wir werden dort nicht allzu viel ausrichten können, denn die Bundesregierung hat ja ihre Position völlig klar gemacht, auch mitgeteilt, wie sie, was immer geschieht, im UNO-Sicherheitsrat entscheiden wird. Das ist nicht mehr viel Spielraum für Konsultationen. Da stehen sich zwei Positionen gegenüber, und das ist nicht besonders hilfreich.
Engels: US-Außenminister Powell hat es gestern noch einmal angesprochen, Sie haben es angedeutet: Die USA werden sich in ihrer Irak-Politik nicht von einem möglichen UN-Sicherheitsratsbeschluss vorschreiben lassen, wie sie handeln. Fürchten Sie einen Alleingang der US-Amerikaner?
Klose: Es ist ja keine Neuigkeit, die da mitgeteilt wird, weil der amerikanischer Präsident schon sehr früh gesagt hat, der UNO-Sicherheitsrat möge seine Pflicht erfüllen und wenn der Sicherheitsrat das nicht tut, werden die Amerikaner selbstständig handeln. Das ist sehr zum Schaden der UNO, aber es ist auch nicht besonders nützlich, dass wir uns festgelegt haben, wie wir, was immer geschieht, in der UNO entscheiden werden. Beides verhilft nicht dazu, dieses einzige globale Organ der Diskussion und Konfliktregelung zu stärken.
Engels: Das heißt, diplomatisch hat sich Frankreich da geschickter verhalten?
Klose: Ich kann den Franzosen nur zu ihrer Vorgehensweise gratulieren, denn sie haben bisher die Diskussion in das Gesamtgefüge der UNO hineingebracht und sie stärken ihre Position dadurch, dass sie sich anders als Deutschland nicht absolut festgelegt haben. Wir, das heißt Franzosen und Deutsche, sind ganz nah beieinander in unserem Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines militärischen Vorgehens, aber die Franzosen haben anders als wir gesagt: Als letztes, äußeres Mittel, wenn es nicht anders geht, schließen wir diese Möglichkeit nicht aus.
Engels: Das heißt, Deutschland und damit Bundeskanzler Schröder hat einfach auch nur Glück gehabt, dass sich die Franzosen und andere europäische Staaten jetzt auch eher in Richtung Skepsis orientieren, das heißt, Schröder mit seinem vorab festgelegten Kurs nicht mehr so alleine steht.
Klose: Na, Glück würde ich es nicht nennen. Man muss dem Kanzler ja unterstellen, dass er nicht einfach daherredet, sondern aus Überzeugung handelt oder aus Überzeugung spricht, und es gibt in der Tat auch gute Argumente. Es ist so, dass in der Tat quer durch Europa aber auch quer durch die amerikanische Bevölkerung heftige Zweifel an einer militärischen Intervention geäußert werden. Insofern ist Deutschland nicht isoliert, aber besonders geschickt und professionell haben wir in der Frage nach meiner Einschätzung nicht operiert.
Engels: Kommen wir noch einmal kurz auf die gestrigen Äußerungen von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zu sprechen, und zwar nicht, um dieses Thema, Deutschland und Frankreich seien ein Problem, sondern auf den Aspekt, den Rumsfeld angesprochen hat, wenn er von einem neuen Europa spricht und damit ja auch die mittel- und osteuropäischen Staaten meint. Deutet sich da eine Abkehr der Vereinigten Staaten von alten Bündnissen an?
Klose: Also, es hat in Amerika in den vergangenen Jahren eine Diskussion über die Zukunft der NATO gegeben. Das war nach dem Ende des kalten Krieges auch nicht anders zu erwarten. Die Äußerungen von Rumsfeld rate ich ähnlich wie unser Außenminister nicht allzu ernst zu nehmen. Er ist ein Vertreter der amerikanischen Regierung, der im Augenblick sehr einseitig denkt und spricht, und meines Erachtens die Tragweite seiner Worte nicht bis zuletzt durchdacht hat.
Engels: Wie sehen Sie denn die Chancen dahingehend, dass es doch noch eine einigermaßen einheitliche europäische Haltung gibt? Nun sehen sich ja Frankreich und Deutschland eher auf der skeptischen Seite. Spanien und Großbritannien scheinen gegenüber der US-Politik nach wie vor Zustimmung zu signalisieren.
Klose: Also, es gibt im Augenblick anders als früher sehr intensive Beratungen auf der europäischen Ebene und es gibt auch in jedenfalls einem Punkt eine relativ starke Annäherung, nämlich in der Frage, wie viel Zeit man den Inspektoren im Irak geben muss. Alle europäischen Regierungen, auch die britische, haben sich so geäußert, dass die Inspektoren Zeit brauchen, um ihre Arbeit zu machen, und dass es keinen Sinn macht, sie unter einen unnötigen Druck zu setzen. Die Inspektionen sind ja an für sich genau das was wir wollten, die politische Lösung, die am Ende zur Entwaffnung des Iraks führen soll. Wir sind auseinander in der Frage, ob wir eine militärische Option als letztes Mittel im Köcher behalten oder ob wir das von vorne herein ausschließen.
Engels: Und auf was wird man sich dann einigen?
Klose: Ich fürchte, in der Frage gibt es keine Einigung, weil Deutschland ja erklärt hat, dass es sich auf gar keinen Fall an einer militärischen Intervention beteiligen wird, während andere wie Frankreich dies nicht ausgeschlossen haben, und solche wie die britische Regierung in dieser Frage eher positiv nahe bei den Amerikanern stehen. Da gibt es Meinungsverschiedenheiten. Damit muss Europa leben. Wir können nicht eine Gemeinsamkeit in Europa sozusagen über Nacht erwarten, nachdem wir Jahrzehnte und Jahrhunderte auseinander gewesen sind.
Engels: Vielen Dank. Das war Hans-Ulrich Klose, der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, SPD. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Engels: Die Staaten der Region sind sich über das Vorgehen gegenüber dem Irak bis auf eine grundsätzliche Position, dass man kooperieren solle, nicht recht einig. Welche Möglichkeiten hat denn da Joschka Fischer überhaupt?
Klose: Viele Möglichkeiten haben wir nicht, aber ich denke, man sollte das, was in der Türkei geschehen ist, auch nicht unterschätzen. Wenn die Nachbarstaaten ihre Besorgnis zum Ausdruck bringen und gleichzeitig den Irak auffordern, noch besser zu kooperieren als bisher, dann ist das eine wichtige Botschaft, und ich denke, wir sind gut beraten, solche Botschaften auch durch Joschka Fischer zu übermitteln. Es liegt in der Tat im wesentlichen am Irak, ob wir ohne eine militärische Intervention zurecht kommen oder nicht.
Engels: Müsste Joschka Fischer nicht eher in die Vereinigten Staaten reisen, um dort für eine Verlängerung der UN-Inspektionen im Irak zu werben, denn dort scheint ja das Hauptproblem derzeit zu liegen?
Klose: Ich fürchte, wir werden dort nicht allzu viel ausrichten können, denn die Bundesregierung hat ja ihre Position völlig klar gemacht, auch mitgeteilt, wie sie, was immer geschieht, im UNO-Sicherheitsrat entscheiden wird. Das ist nicht mehr viel Spielraum für Konsultationen. Da stehen sich zwei Positionen gegenüber, und das ist nicht besonders hilfreich.
Engels: US-Außenminister Powell hat es gestern noch einmal angesprochen, Sie haben es angedeutet: Die USA werden sich in ihrer Irak-Politik nicht von einem möglichen UN-Sicherheitsratsbeschluss vorschreiben lassen, wie sie handeln. Fürchten Sie einen Alleingang der US-Amerikaner?
Klose: Es ist ja keine Neuigkeit, die da mitgeteilt wird, weil der amerikanischer Präsident schon sehr früh gesagt hat, der UNO-Sicherheitsrat möge seine Pflicht erfüllen und wenn der Sicherheitsrat das nicht tut, werden die Amerikaner selbstständig handeln. Das ist sehr zum Schaden der UNO, aber es ist auch nicht besonders nützlich, dass wir uns festgelegt haben, wie wir, was immer geschieht, in der UNO entscheiden werden. Beides verhilft nicht dazu, dieses einzige globale Organ der Diskussion und Konfliktregelung zu stärken.
Engels: Das heißt, diplomatisch hat sich Frankreich da geschickter verhalten?
Klose: Ich kann den Franzosen nur zu ihrer Vorgehensweise gratulieren, denn sie haben bisher die Diskussion in das Gesamtgefüge der UNO hineingebracht und sie stärken ihre Position dadurch, dass sie sich anders als Deutschland nicht absolut festgelegt haben. Wir, das heißt Franzosen und Deutsche, sind ganz nah beieinander in unserem Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines militärischen Vorgehens, aber die Franzosen haben anders als wir gesagt: Als letztes, äußeres Mittel, wenn es nicht anders geht, schließen wir diese Möglichkeit nicht aus.
Engels: Das heißt, Deutschland und damit Bundeskanzler Schröder hat einfach auch nur Glück gehabt, dass sich die Franzosen und andere europäische Staaten jetzt auch eher in Richtung Skepsis orientieren, das heißt, Schröder mit seinem vorab festgelegten Kurs nicht mehr so alleine steht.
Klose: Na, Glück würde ich es nicht nennen. Man muss dem Kanzler ja unterstellen, dass er nicht einfach daherredet, sondern aus Überzeugung handelt oder aus Überzeugung spricht, und es gibt in der Tat auch gute Argumente. Es ist so, dass in der Tat quer durch Europa aber auch quer durch die amerikanische Bevölkerung heftige Zweifel an einer militärischen Intervention geäußert werden. Insofern ist Deutschland nicht isoliert, aber besonders geschickt und professionell haben wir in der Frage nach meiner Einschätzung nicht operiert.
Engels: Kommen wir noch einmal kurz auf die gestrigen Äußerungen von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zu sprechen, und zwar nicht, um dieses Thema, Deutschland und Frankreich seien ein Problem, sondern auf den Aspekt, den Rumsfeld angesprochen hat, wenn er von einem neuen Europa spricht und damit ja auch die mittel- und osteuropäischen Staaten meint. Deutet sich da eine Abkehr der Vereinigten Staaten von alten Bündnissen an?
Klose: Also, es hat in Amerika in den vergangenen Jahren eine Diskussion über die Zukunft der NATO gegeben. Das war nach dem Ende des kalten Krieges auch nicht anders zu erwarten. Die Äußerungen von Rumsfeld rate ich ähnlich wie unser Außenminister nicht allzu ernst zu nehmen. Er ist ein Vertreter der amerikanischen Regierung, der im Augenblick sehr einseitig denkt und spricht, und meines Erachtens die Tragweite seiner Worte nicht bis zuletzt durchdacht hat.
Engels: Wie sehen Sie denn die Chancen dahingehend, dass es doch noch eine einigermaßen einheitliche europäische Haltung gibt? Nun sehen sich ja Frankreich und Deutschland eher auf der skeptischen Seite. Spanien und Großbritannien scheinen gegenüber der US-Politik nach wie vor Zustimmung zu signalisieren.
Klose: Also, es gibt im Augenblick anders als früher sehr intensive Beratungen auf der europäischen Ebene und es gibt auch in jedenfalls einem Punkt eine relativ starke Annäherung, nämlich in der Frage, wie viel Zeit man den Inspektoren im Irak geben muss. Alle europäischen Regierungen, auch die britische, haben sich so geäußert, dass die Inspektoren Zeit brauchen, um ihre Arbeit zu machen, und dass es keinen Sinn macht, sie unter einen unnötigen Druck zu setzen. Die Inspektionen sind ja an für sich genau das was wir wollten, die politische Lösung, die am Ende zur Entwaffnung des Iraks führen soll. Wir sind auseinander in der Frage, ob wir eine militärische Option als letztes Mittel im Köcher behalten oder ob wir das von vorne herein ausschließen.
Engels: Und auf was wird man sich dann einigen?
Klose: Ich fürchte, in der Frage gibt es keine Einigung, weil Deutschland ja erklärt hat, dass es sich auf gar keinen Fall an einer militärischen Intervention beteiligen wird, während andere wie Frankreich dies nicht ausgeschlossen haben, und solche wie die britische Regierung in dieser Frage eher positiv nahe bei den Amerikanern stehen. Da gibt es Meinungsverschiedenheiten. Damit muss Europa leben. Wir können nicht eine Gemeinsamkeit in Europa sozusagen über Nacht erwarten, nachdem wir Jahrzehnte und Jahrhunderte auseinander gewesen sind.
Engels: Vielen Dank. Das war Hans-Ulrich Klose, der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, SPD. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio