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Kloster in Brandenburg
Die Rückkehr der Mönche

Im Kloster Neuzelle, im Osten Brandenburgs, lebten jahrhundertelang Mönche – bis der preußische Staat das Kloster säkularisierte. Genau 750 Jahre nach der ersten Klostergründung wird in Neuzelle jetzt wieder ein Priorat gegründet - und die Mönche sorgen in der Gegend für Lacher.

Von Anna Marie Goretzki | 24.07.2018
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    Die Zisterzienser-Mönche Aloysius Maria Zierl, Simeon Wester und Kilian Müller (Deutschlandradio / Anna Marie Goretzki)
    "Ganz am Anfang hatten wir auch eine Begegnung, wo wir wirklich ausgelacht worden sind erst mal", erinnert sich Pater Kilian Müller. "Aber jetzt nicht bösartig. Aber jemand fand diese Vorstellung so komisch, dass jetzt zwei Männer in einem noch nie gesehenen Gewand, gleich gekleidet reinkommen, das war bei McDonalds. Aber das wurde eine ganz tolle Begegnung auch daraus. Ich stelle mir das ein bisschen so vor: Sie sitzen irgendwie im Park und auf einmal kommen zwei Ritter in einer Rüstung vorbei und da würde man ja auch erst einmal große Augen machen und sich denken: Hä, was ist denn hier los?"
    Besondere Begegnungen hat Pater Kilian Müller seit rund einem Jahr fast täglich. Noch sind er und seine drei Mitbrüder im brandenburgischen Neuzelle Neulinge und fallen auf. Im August vergangenen Jahres sind die vier Mönche in das Kloster gezogen. Die Zisterzienser wollen im Osten Brandenburgs wieder Klosterleben etablieren. Der 41-jährige Kilian Müller mit breitrandiger schwarzer Brille steht auf dem Kopfsteinpflaster vor der Klosterkirche. Am Horizont liegt schon Polen.
    "Wir sind kein kontemplativer Orden, der innerhalb der Klostermauern dort ausschließlich ein Leben des Gebets und der Stille und der Betrachtung, der Kontemplation eben, führt, sondern wir nennen das eine monastische Lebensweise. Das heißt, wir haben das alles, wir haben das gemeinsame Chorgebet, das klösterliche Leben. Aber eben auch das Wirken nach Draußen, zum Beispiel durch Schuldienst, durch pfarrliche Aktivitäten, durch Seelsorge, Beichtgespräche und so weiter", so Müller.
    "Um fünf Uhr beginnt hier das erste Gebet"
    Die Initiative für die Kloster-Neugründung oder Wiederbesiedlung ging von Wolfgang Ipolt, Bischof des Bistums Görlitz, aus. Mit seinem Wunsch wandte er sich an das Kloster Heiligenkreuz in Österreich. Der Tagesablauf der vier Mönche ist geprägt von den acht Chorgebeten in der Stiftskirche, erklärt Müller:
    "Um fünf Uhr beginnt hier das erste Gebet. Ein Mitbruder, der muss immer ein bisschen früher schon losgehen, weil er die Türen aufsperren muss und das mache ich jetzt mal hier."
    Pater Kilian Müller im Gespräch mit Gläubigen in der Stiftskirche St. Mariä Himmelfahrt
    Kilian Müller im Gespräch mit Gläubigen in der Stiftskirche St. Mariä Himmelfahrt (Deutschlandradio / Anna Marie Goretzki)
    Eigentlich ist der Kreuzgang das Herzstück einer jeden Klosteranlage – verbindet er doch den Wohn- und Arbeitsbereich der Mönche mit der Kirche. Hier aber versperrt ein Gitter den Weg. Der spätgotische Kreuzgang gehört heute zum Klostermuseum und wird nur zu bestimmten liturgischen Prozessionen von den Mönchen genutzt werden können. Die neu Zugezogenen wohnen bislang im Pfarrhaus.
    "Sie hören hier im Hintergrund die Proben für die ‚Oper Oder-Spree‘."
    Die Proben für das sommerliche Musikfestival – deutlich zu hören in fast allen Bereichen der Klosteranlage. Auch damit müssen Kilian Müller und seine Mitbrüder erst umgehen lernen: trotz weltlicher Ablenkungen zu innerer Einkehr zu finden.
    "Wo die Mitbrüder 1817 vertrieben wurden"
    Pater Kilian Müller geht eine dunkle Treppe hinauf und betritt die Chorempore, wo sich die Mönche zum Stundengebet versammeln:
    "Hier oben ist für uns so ein bisschen ein geschützter Ort. Durch die für uns jetzt nicht vorhandene Klausursituation, wie man das normalerweise hat, gibt es sehr, sehr wenig Rückzug und Schutz und das ist hier oben dann schon ganz schön. Irgendwie ist es auch ganz schön, dann hier zu wissen, wenn man hier steht, dass das der Platz ist, wo die Mitbrüder 1817 vertrieben wurden."
    1817 wurde – nachdem die Niederlausitz unter preußische Herrschaft geriet – das Kloster aufgehoben. Der Konvent zerstreute sich. Das Kloster wurde säkularisiert. Da wollen die Mönche von Neuzelle heute wieder anknüpfen, sagt Müller:
    "Das ist die Besonderheit eines benediktinischen Missionsverständnisses: Wir gründen eine Gemeinschaft und sind stabil vor Ort - und das wird von alleine irgendwie anziehend. Dann kommen Menschen. Und die sind natürlich in einer ganz anderen Position, als wenn ich denen jetzt gleich hinterherlaufe und sage: 'Kann ich Sie für Jesus begeistern? Ja?'"
    "Das ist ein Angebot, das ist nicht die Keule"
    Das erste Ziel der vier Zisterzienser:
    "Einen Ort zu schaffen, der die Begegnung mit Menschen, mit dem Glauben, mit der Schönheit, mit der Stille, mit sich selbst ermöglicht. Und das ist ein Angebot, das ist nicht die Keule, die wir hier schwingen."
    Ende August bekommen die Vier Unterstützung von zwei weiteren Mönchen aus Heiligenkreuz.
    12 Uhr mittags. Die Mönche von Neuzelle stimmen die Sext an, das Mittagsgebet. Heute sind sie nur zu dritt. Ein Mitbruder ist in Rom. Ungefähr 20 Menschen sitzen in den Kirchbänken.
    Am 2. September wird in Neuzelle ein Priorat gegründet, das erst einmal aber weiterhin abhängig vom österreichischen Mutterkloster sein wird. Mittel- oder langfristig will das Kloster Neuzelle eigenständig sein. Geklärt werden muss, wie man finanziell auf eigenen Beinen stehen kann. Noch kommt der Bischof von Görlitz für die Mönche auf. Auch eine dauerhafte Lösung für die Unterbringung der Mönche wird gesucht.
    "Und es braucht in irgendeiner Form eine Lösung für die Aufnahme der Gäste", erklärt Müller.
    Eine der wichtigsten Aufgaben eines Klosters: Gastfreundschaft zu leben und Fremden zum Beispiel das "Kloster auf Zeit" zu ermöglichen. Eines der vielen Zukunftsprojekte der Neuzeller Mönche. Anfragen dafür gibt es bereits.