Die alte Hansestadt Wismar liegt geschützt an der Wismarer Bucht, und mitten durch die Stadt führt die Lübsche Straße.
"Diese Straße ist Teil eines ganz alten Landhandelsweges, der beginnt oben in Schleswig-Holstein. Nahe der Stadt Schleswig ist das große Handelszentrum der Wikinger gewesen, Haitabu. Und von dort ging seit dem 11. Jahrhundert ein Landhandelsweg entlang der Ostseeküste nach Osten. Dazu kam ein zweiter Landhandelsweg aus Süden, eine der vielen Salzstraßen, die es damals gab, die kam aus Lüneburg. Und das war Ausgangspunkt für das Entstehen eines Handelsplatzes an diesem historischen Hafen."
Große Teile der Wismarer Altstadt stammen aus der Hansezeit, manches wurde über die Jahrhunderte renoviert und umgebaut und ist trotzdem uralt. Die Altstadt gehört zum Weltkulturerbe.
"Dieses Areal, das wir heute als mittelalterliche Stadt oder als Altstadt ansehen, das hat sich im Prinzip seit 1271 nicht verändert. Das war ab 1271 durch eine geschlossene Stadtmauer umgeben. Aber die Stadtmauer haben wir ab 1871 freiwillig gelegt, als durch die Industrialisierung viel Arbeitsvolk in die Stadt strömte."
Geblieben ist nur das Wassertor am Hafen. Keine Stadtmauer also, dafür eine Unmenge hoher historischer Speicher, Kaufmanns-Häuser und ein riesengroßer Markt. Stadtführer Josef Staffa zeigt mittelalterliches Gemäuer und erzählt Schnurren.
"Es war ja nicht üblich im Mittelalter, dass die Straßen und Plätze gepflastert waren. Aber wir wissen, dass unser Marktplatz mindestens seit 1513 schon gepflastert war. Und das ist eine absolute Ausnahme, zeugt von Reichtum und auch von Geltungsbedürfnis. Denn der Marktplatz der Freien Reichsstadt Lübeck, wissen wir, war zu diesem Zeitpunkt nicht gepflastert. Aber unser! Und das wollt` ja was heißen."
Seit über 500 Jahren also ist der Markt gepflastert, das weiß man aus einem Schriftstück über ein Ritterturnier auf dem Markt.
"Weil unser Marktplatz so groß ist, hat der Herzog von Mecklenburg immer geruht, hier seine Ritterturniere abzuhalten. Sehr zum Leidwesen der Stadt, weil wir dann diese Festivitäten meistens auch bezahlen sollten. 1513, wissen wir, fand ein besonders großes Ritterturnier statt anlässlich der Hochzeit von irgendeinem Mecklenburger Heinrich mit einer Anna-Maria aus der Pfalz. Da sollen angeblich 1800 Pferde, Ritter und Knappen teilgenommen haben. Und die ganze Bagage hier in der Stadt. Nicht genug damit, der Herzog hat verlang, das Pflaster wird aufgenommen, 200 Fuder Kies verteilt, damit die Pferde sich nicht die Haxen brechen."
Kogge trifft Kreuzfahrtschiff
Als in den 1990er-Jahren bei Timmendorf, gegenüber auf der Insel Poel, die Mole verlängert wurde, hat das die Strömung geändert, dadurch wurde das bisher größte Schiffswrack aus der Hansezeit freigespült. Eine sehr gut erhaltene Kogge, gebaut vor 660 Jahren:
"Man hat das Wrack geborgen, vermessen und danach haben wir gebaut. Da gab es ein Projektteam, alles ehemalige Ingenieure aus der Werft. Die technischen Daten: 32 m lang, 8,40 m breit, Tiefgang 2,60 m, Masthöhe 32 m und die Segelfläche 240 qm. Das wurde errechnet, wie viel überhaupt nötig ist, um das Schiff vorwärts zu bringen. Die Koggen sind während der Hanse-Zeit gefahren, so 11. bis 14. Jahrhundert. Dieses Schiff konnte 250 Tonnen befördern. Bringen Sie das Zeug mal mit Ochsenkarren übers Land! Also das ist schon ganz schön, ne."
Peter Samulewitz war Kapitän auf Handelsschiffen und schippert nun auf dem Koggen-Nachbau "Wissemara" mit Gästen raus. Besonders gerne, wenn ein Kreuzfahrtschiff verabschiedet wird. Ja, neuerdings kommen auch Kreuzfahrer nach Wismar. Die Schiffe liegen im Stadthafen gleich neben den historischen Backsteinspeichern.
"Die gehen um 21 Uhr raus. Wir laufen um 19 Uhr aus, segeln ein bisschen draußen und empfangen dann irgendwo das Kreuzfahrtschiff, verabschieden es mit Typhon, Böllerschüssen und so weiter."
Kogge trifft Kreuzfahrer. Zwischen beiden liegen eben mal gute 600 Jahre.
Mit dem Fischer in der Wismarer Bucht
Etwa 20 Kilometer westlich von Wismar liegt das Ostseebad Boltenhagen mit der Weißen Wieck, eine neue Hotel- und Feriensiedlung mit großer Marina. An der Stelle war zur Nazi-Zeit die Luftwaffenerprobungsstelle Tarnewitz. Extra dafür wurde unter Hitler die künstliche Halbinsel angelegt.
"Der Standort hat ihn einfach deshalb interessiert, weil er keine Sperrgebiete einrichten musste, wenn mal Schießübungen waren. Weil wir das zehn Meilen lange Riff nach draußen haben, gibt es keinen Schiffsverkehr."
Uwe Dunkelmann betreibt das Fisch-Restaurant "Kamerun" direkt am Kai. Das hat seinen Namen von den früheren Fischerhütten aus Schilf, die aussahen wie eben in Kamerun, hat wohl mal ein Seemann gesagt. Es gibt frischen Fisch, selbst aus der See geholt. Uwe Dunkelmann ist Fischer aus Leidenschaft.
"Es ist auch immer wieder schön, wenn du morgens raus fährst und es ist alles ruhig, du schmeißt den Kutter an, fährst aufs Wasser. Es ist ja auch immer ein bisschen wie Weihnachten. Bei aller Erfahrung weiß du nie, was hat deine Erfahrung nun gebracht. Kriegst du ein Lächeln aufs Gesicht, weil du an der richtigen Stelle die richtige Idee hattest. Oder manchmal auch, dass es eben nicht so schön ist. Die Jahreszeiten machen es ja auch interessant. Selbst bei Sturm. Viele sagen dann: Du musst doch bekloppt sein, bei dem Wetter rauszufahren. Aber das hat auch seine Reize. Man muss da nicht gegen ankämpfen, sondern sozusagen zur Einheit verschmelzen. Das kann man nicht erlernen, das muss einem gegeben sein."
Er fischt nicht mit Schleppnetz, weil das viel unerwünschten Beifang bringt. Sondern mit Stellnetzen.
"Die Stellnetzfischerei, das ist eine sehr schonende Fischerei, weil ich genau die Art bestimmen kann, welchen Fisch ich fangen will, und die Größe. Ist ein bisschen aufwendiger. Das heißt, immer nachmittags oder in den frühen Abendstunden fahre ich raus, stelle die Netze ins Wasser und warte bis der Fisch rein schwimmt. Und hole die am nächsten Morgen kurz nach Sonnenaufgang wieder auf."
Und wer im Urlaub mal früh aufsteht, kann den Fischer dabei begleiten.
"Nicht zu viele, so vier oder fünf Leute. Die nehme ich mit zum Fischen und zeige, was ist denn der Beruf Fischer überhaupt, erkläre Lebensraum Ostsee. Heute Morgen waren zwei Jungs dabei, ein junger Mann und ein älterer. Die waren begeistert und die kommen heute Abend ins Restaurant und sagen: Ich will meinen gefangenen Fisch haben. Und den kriegen sie dann natürlich auch."
Wer mit dem Boot in der Wismarer Bucht unterwegs ist, kann auch auf Seehunde treffen. Die ruhen gerne, wo das Riff bis zur Wasseroberfläche reicht.
"Dort vorne geradeaus, der Kopf, da ist einer. Seehunde haben wir hier schon seit vielen Jahren und wir haben auch schon viele Junge gesehen. Da ist noch einer, vorne, gerade weggetaucht. Das heißt also, dass sie sich hier wohlfühlen, sie haben Nahrung, das Wasser muss in Ordnung sein, sonst würden sie nicht hierher kommen. Sie sind hier zu Hause, ja."
Uwe-Johnson-Museum im Getreidespeicher
Von Boltenhagen kann man landeinwärts wandern nach Klütz oder mit dem Fahrrad eine saftige Endmoräne hochkeuchen. Es sind nur fünf Kilometer. Das Städtchen Klütz mit gerade mal 3.000 Einwohnern leistet sich - in Zeiten, wo anderswo Kultur abgeschafft wird - das Literaturhaus Uwe Johnson. Ein großer historischer Getreidespeicher ist Bibliothek, Uwe-Johnson-Museum und Veranstaltungsort. Angelika Palm aus dem Stadtrat:
"Wir sind eigentlich begeistert, dass wir so ein altes Gemäuer wieder mit sinnvollen Inhalten füllen konnten, und dass wir Gastgeber sind für viele Literaturinteressierte. Und sind auch stolz darauf, dass letztlich Uwe Johnson diese Brücke geschlagen hat zwischen New York und Klütz mit dem Synonym Jerichow."
Der 1934 in Pommern geborene Schriftsteller Uwe Johnson lebte in Mecklenburg und New York. Sein Hauptwerk "Jahrestage" pendelt zwischen New York und dem fiktiven Jerichow in West-Mecklenburg. So kommen immer wieder Gäste aus der Ferne ins kleine Klütz, auf Spuren von Uwe Johnson und der "Jahrestage". Franziska Scharsich ist Leiterin des Uwe-Johnson-Museums.
"Man ist so angesprochen von dieser mecklenburgischen Welt, die Uwe Johnson skizziert. Es ist ja sehr liebevoll beschrieben, sei es die plattdeutsche Sprache, sei es die Landschaft, die Uwe Johnson sehr geliebt hat. Das hat er literarisch eben auch verewigt. Und das regt dann doch viele Leser an, eben mal nach Mecklenburg zu fahren, sich nicht nur diese Alleen anzusehen, sondern auch zu schauen, wie sieht Güstrow heute aus, es spielt ja Barlach auch in den Werken eine große Rolle. Und wo könnte denn dieses Jerichow liegen? Zwischen Lübeck und Wismar gelegen, etwas landeinwärts, nicht direkt an der Ostsee."
So beschreibt er die Lage. Und das passt eigentlich nur auf Klütz. Im Museum gibt es nichts, was Uwe Johnson in den Händen hatte, dafür kann der Gast alles anfassen, blättern, kurbeln.
"Es ist so gemacht, dann man eine Hauptinformation erhält und wenn man Lust hat, neugierig geworden ist und die Zeit hat, weiterlesen kann. Dass man nicht gleich abgeschreckt wird."
Und man kann Uwe Johnson hören.
"Malchow. Im Herzogtum Schwerin. Gestiftet von Herrn Nicolaus III. im Jahre 1235. Gelegen auf einer Insel im eigenen See, zählt 457 Wohnhäuser mit 1075 Haushaltungen. Das ist ja nun ein echtes Malchow. Ja. So kommen reale Städte mit fiktiven Orten zusammen in den 'Jahrestagen'. Und das macht es spannend. Es ging ihm auch nicht darum, 1:1 die Geschichte in einer realen Stadt zu erzählen. Es ist im übertragenen Sinne zu verstehen, dass er sagte: Er will damit ein Modell von Welt entwerfen und daran auch die Geschichte erzählen, am Beispiel einer typischen mecklenburgischen Familie."
Das größte Barockschloss in Mecklenburg-Vorpommern
Vom Uwe-Johnson-Haus mitten in Klütz sind es nur wenige Schritte bis zum Schloss Bothmer am Stadtrand, dem größten Barockschloss des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
"Die Klützer haben ganz vielfältige Beziehungen zum Schloss, weil jeder seine eigenen Erfahrungen gemacht hat. Egal, ob früher die älteren im Schloss gearbeitet haben, ob sie zu Zeiten des Grafen dort waren, ob sie als es Typhus-Krankenhaus war dort gearbeitet haben, ob sie im Pflegeheim Angehörige hatten… Oder ob sie im Schlosspark mit ihren Kindern spazieren waren, die Klützer früher ihre Parkfeste dort feiern konnten. Und dann letztlich nach der Wende am Anfang das Schleswig-Holstein-Musikfestival und jetzt die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Ich denke, die Klützer sind stolz auf ihr Schloss."
Und nun, da es nach langem Dämmerschlaf wieder strahlt, erst recht. Vor 25 Jahren waren Schloss und Park für jeweils eine DM verkauft worden. Doch aus den grandiosen Plänen des Käufers wurde nichts, das Schloss vergammelte. Das Land Mecklenburg-Vorpommern bekam es, rettete und restaurierte.
"Ich beginne so gerne hier an dem Eingang dieser Feston-Allee, denn hier zeigt sich an einem ganz wunderschönen Beispiel, dass das alles auf eine barocke Inszenierung abzielt. Diese Feston-Allee ist ungefähr 270 Meter lang und liegt in einem kleinen Hohlweg. Und jetzt haben wir so eine kleine Kuppe vor uns. Das, was wir von hier aus sehen, ist praktisch ein Sicht-Trichter nur auf den Giebel des Haupthauses hin. Und das ist eine ganz spektakuläre Inszenierung zwischen Architektur und Landschaftsplanung, denn mit jedem Schritt, den Sie jetzt auf das Haus zu gehen, öffnet sich der Blick Stück für Stück mehr. Wenn Sie dann schließlich im Ehrenhof der Anlage stehen, schaffen Sie es nicht mehr, auf einen Blick die gesamten Gebäude zu erfassen. Das ist so beeindruckend und muss natürlich für jemanden vor 300 Jahren noch viel pompöser erschienen sein."
Die aufregende Karriere des Herrn von Bothmer
Einst sollte diese Inszenierung wohl die aus der Residenz Schwerin kommenden Gäste beeindrucken. Heute erlebt man sie nur, wenn man vom seitlich des Schlosses gelegenen Parkplatz nicht gleich zum Schloss, sondern in eben diese Allee geht. Auch die beiden Baumreihen am Hohlweg sind etwas Besonderes. Die Baumkronen erinnern in ihrer Form an Spalierobst oder Weinstöcke. Doch es sind Linden und waren einst kastenförmig geschnitten.
"Die kastenförmig geschnittenen Linden sind irgendwann nicht weiter beschnitten worden, waren in den Stämmen kleine und haben dann plötzlich – weil sie nicht mehr beschnitten wurden - ganz hohe Kronen ausgebildet. Damit wurde die Last der Kronen zu schwer und das hat den Stamm gespalten. So, wie wir das von Weiden kennen. Genau. Sie sehen aus wie Kopfweiden, aber es sind tatsächlich holländische Barocklinden. Das Putzige: Die fassen sich gegenseitig an. Das ist wirklich so. Und das hat zu dem heutigen Namen geführt. Diese Arme, die so ineinandergreifen, sehen aus wie eine Girlande. Der ursprüngliche Begriff für Girlande ist eben Feston. Deshalb sagt man eben auch Feston-Allee. Die sind sogar teilweise richtig ineinander verwachsen. Und es gibt weltweit nichts Vergleichbares."
Wer war nun Johann oder Hans Caspar von Bothmer, dass er sich so einen grandiosen Bau leisten konnte, der auch gut eine Residenz hätte sein können? Geboren Mitte des 17. Jahrhunderts in Niedersachsen, in einer eher bescheidenen Adelsfamilie.
"Hans Caspar von Bothmer beginnt eine Karriere in diplomatischen Diensten seiner Landesherren. Das Fürstenhaus hat einen großen Aufstieg vor sich. Im Jahr 1714 besteigen die Hannoveraner – wohl bekannt – den Thron von England. Und mit dem Aufstieg seines Arbeitgebers vollzieht sich auch sein Karriereanstieg in einem wirklich bewundernswerten Maße."
Er kam nach London, war Diplomat und Chef der Kanzlei, die der englische König, aber immer noch deutscher Kurfürst, eingerichtet hatte, um seine deutschen Angelegenheiten zu verwalten. Das Haus Downing Street Nr. 10, Sitz auch des jetzigen britischen Premierministers, war von Bothmer auf Lebzeiten zugedacht. Hieß damals jedoch nicht Downing Street Nr. 10, sondern Bothmer-House. Und alles, was von Bothmer in der Weltstadt London gefallen hat, ließ er kopieren und in die hinterste Provinz bringen.
"Das war die große weite Welt und das war zu seiner Zeit modern. War das, was ihm gefiel und was er als beeindruckend und prestigefördernd empfunden hat, und das wollte er dann hier umgesetzt haben. Bis dahin, dass er gesagt hat: Ich möchte genau solche Fenster wie im St.-James-Palace am Haupthaus haben. Die hat er dann auch bekommen."
Das aus mehreren Gebäuden bestehende Ensemble mit seinen rot leuchtenden Fassaden vereint in seiner Architektur viele europäische Einflüsse und ist ein einzigartiges Denkmal barocker Baukunst in Norddeutschland. Der Bauherr allerdings ist nie eingezogen in sein prächtiges Schloss, hatte er wohl auch gar nicht vor, vermutet Kuratorin Frederike Drinkuth.
"Denn wer in London lebt, mit Händel verkehrt, in der Downing Street Nr. 10 lebt und auch eine der wichtigsten und einflussreichsten Personen ist, der möchte nicht unbedingt in die ländliche Abgeschiedenheit Nordwest-Mecklenburgs ziehen. Sondern er vererbte das Ganze. Er hatte keinen Sohn, eine Tochter, aber eben keinen Namensträger. Und so vererbte er das Ganze an einen Neffen."
Mit der Auflage, dass der große Landbesitz nie geteilt werden darf und immer an einen männlichen Nachfolger vererbt werden muss, damit der Name erhalten bleibt. So hat er sich selbst ein Denkmal gesetzt, das nun eines der größten Museen des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist. Mit Restaurant, Café, Shop in den Seitenflügeln, mit öffentlichem Park und Konzerten im Saal. Doch von der früheren Einrichtung ist außer der originalgetreu barock restaurierten Wand- und Deckengestaltung im Haupthaus nichts geblieben. Deshalb ist es eine moderne Ausstellung über das Schloss an sich und den Grafen.
"Dieses wirklich aufregende und spannende Leben des Hans Caspar von Bothmer und das Verständnis dann dafür, warum er sich dieses große Haus hier mitten im Klützer Winkel an der Ostsee hat bauen lassen."
Der Klützer Winkel
Der Klützer Winkel westlich von Wismar ist ein eher unbekannter - eben - Winkel. Boltenhagen an der Küste, wenige Kilometer landeinwärts das Städtchen Klütz, ringsum sanft gewellte Felder, ab und zu Wald.
"Es ist einfach unheimlich lieblich, von der Landschaft her. Sie sehen, das ist so ein bisschen hügelig, und das hat ja was ganz charmantes, weil sich dann in den Tälern was versteckt. Früher war das alles bewaldet, das wurde dann gerodet. Es sind aber immer noch kleine Waldstücke zu sehen. Das macht diese Landschaft auch so charmant."
Gertrud Cordes hat das Gutshaus ihres Großvaters zum idyllischen Hotel gemacht, vom Schloss Bothmer nur ein paar Schritte entfernt. Ein schlichter hanseatischer Backsteinbau, geschmückt mit einem Barock-Portal und geschwungener Freitreppe, knapp 100 Jahre alt.
"Mein Urgroßvater war Architekt, der hat das so gestaltet. Sie sehen das Portal hier vorne, das hat er in Hamburg ersteigert und hat dann das Gutshaus drum herum gebaut. Er hat es gebaut für seinen jüngsten Sohn, der war Landwirt und hat hier mit 160 ha Landwirtschaft betrieben."
Im Klützer Winkel fallen die vielen Gutshäuser auf. Die Dörfer sind klein, doch in fast jedem findet sich ein altes Herrenhaus, ein Schlösschen.
"Ich sage Ihnen das: Wir haben sehr fruchtbare Böden, man sagt sogar, mit die fruchtbarsten in Mecklenburg-Vorpommern. Dadurch haben sich natürlich sehr schnell Güter hier angesiedelt. So ein Gutshaus hatte dann eben so seine 100 bis 200 Hektar um das Haus, die bewirtschaftet wurden. Heutzutage hat man 1.000 oder 3.000 ha mit den großen Maschinen, aber damals waren 160 ha schon sehr viel. Deswegen ist es so engmaschig auch gestrickt mit den Gutshäusern."
Auf die reichen Ernten geht auch die Schmalspurbahn Lütt Kaffeebrenner zurück. 1905 wurde eine große Bahn als Friedrich-Franz-Eisenbahn gebaut zwischen Klütz und Grevesmühlen. Genannt Kaffeebrenner. 90 Jahre später stillgelegt, Schienen abgebaut. Seit Kurzem nun betreibt eine private Stiftung auf einem Teil der Strecke eine Kleinbahn, Lütt Kaffeebrenner. Eva Eckert:
"Die Bahn wurde damals gebaut, um Getreide von Klütz nach Grevesmühlen zu bringen. In Grevesmühlen stand die Malzfabrik. Dort wurde der bekannte Malzkaffee hergestellt. Von diesem Geruch wahrscheinlich, so nimmt man an, kam der Name Kaffeebrenner. Jetzt ist eine Schmalspur da und jetzt heißt er Lütt Kaffeebrenner, wir wollen den Namen ja beibehalten. Im Volksmund ist er so und dann bleibt er auch so."
Eine kleine Diesellok fährt mit historischen Wagen von Klütz raus in die Natur, zuckelt durch hügelige Rapsfelder. Rehe stieben davon. Schloss Bothmer blitzt zwischen den Bäumen. Der alte Bahnhof strahlt wie neu und Eisenbahn-Freaks kommen nach Klütz wegen einer speziellen Drehscheibe zum Umsetzen der Lok, die per Hand gekurbelt wurde.
Die Hansestadt Wismar, die kennt man. Und den Klützer Winkel nun - dank des Schlosses Bothmer - so langsam dann auch.
Offenlegung: Die Reportage wurde durch den Verband Mecklenburgischer Ostseebäder mit zwei Hotelübernachtungen unterstützt.