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KMK-Präsident will gezieltere Investitionen in die Lehre

Gelder, die die Länder möglicherweise vom Bund als Ausgleichszahlungen für Steuersenkungen erhalten, sollten nach Ansicht des Präsidenten der Kultusministerkonferenz, Henry Tesch, gezielt in die Bildung fließen. Die Kultusminister legten Wert darauf, dass es eine entsprechende Zweckbindung für diese Mittel gebe, sagte der CDU-Politiker.

Henry Tesch im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Schon seit Monaten protestieren Studierende für bessere Studien- und Lernbedingungen in den Universitäten und auch an den Schulen. Im Fokus ist unter anderem die Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge. Die italienische Hochschulstadt Bologna sollte ja mal zu einem Synonym für ein europäisches Studium ohne Grenzen werden. Zehn Jahre nach der Verabredung stehen die Reformen für viele Studierende hier in Deutschland für modularisierte Studieninhalte, Verschulung, Bürokratie. Heute gehen die Proteste in eine neue Runde. Anlass ist die Konferenz der Kultusminister in Bonn.

    Über die Debatte um die Bologna-Reform, unter anderem über die Studierbarkeit von Studiengängen, wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon begrüße ich Henry Tesch (CDU). Der Kultusminister in Mecklenburg-Vorpommern ist derzeit Präsident der Kultusministerkonferenz. Guten Morgen!

    Henry Tesch: Guten Morgen. Ich grüße Sie!

    Schulz: Die Kultusminister wollen den Studierenden jetzt ja entgegenkommen. Ist das ein Schuldeingeständnis?

    Tesch: Ich glaube, niemand hat etwas gegen einen europäischen Hochschulrahmen und -raum. Insofern glaube ich, dass wir im Juni und, wenn man diesen einen Blick mal dahin werfen will, ich ja persönlich auch mit den Studierenden in Berlin gesprochen habe und gesagt, wir nehmen uns dieser Punkte an, und haben ja dann im Oktober in Waren an der Müritz den Fahrplan beschlossen. Was wir jetzt machen ist einfach, Stück für Stück diese Punkte umzusetzen, die ja dann auch genau diese Kritikpunkte treffen.

    Schulz: Jetzt werden seit Monaten schon die Verantwortungen hin- und hergeschoben. Sie sagen jetzt, die Punkte werden umgesetzt. Kommt das dann auch so?

    Tesch: Ich kann die jungen Leute verstehen, ich kann auch Teile der Öffentlichkeit verstehen, dass natürlich gerade bei geteilten Verantwortlichkeiten immer der Eindruck entsteht, als ob der eine es zum anderen schiebt. Ich glaube, da muss auch der eine oder andere mal ehrlich sagen, wofür er eigentlich zuständig ist. Die Kultusminister der Länder sind dafür zuständig, und das machen wir jetzt auch, zu sagen, wie sind die ländergemeinsamen Strukturvorgaben, das heißt, was gilt dann letztendlich in allen Ländern und damit sozusagen auch an den Universitäten und Hochschulen als Rahmen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir gar nicht so weit kommen müssen, aber da wir es ja gemeinsam machen müssen, also mit den Hochschulen, mit den Universitäten und mit den Ländern, werden wir heute in Bonn genau darüber sprechen.

    Schulz: Welche Fehler haben die Länder denn gemacht?

    Tesch: Man hätte vielleicht – und wie gesagt, ich war vor zehn Jahren auch nicht dabei und ich finde, es ist auch vieles sehr erfolgreich gelaufen -, die Evaluierung zwischendrin hätte eigentlich schon zeigen müssen, dass die Punkte von Stoffdichte, Prüfungsdichte, auch die Frage, wie flexibel sind wir in der Frage, wie viel Semester hat ein Bachelor, wie berufsqualifizierend ist ein Bachelor, da hätte man schon hinschauen müssen an der einen oder anderen Stelle, denn es gibt ja auch die gelungenen Beispiele in Deutschland.

    Schulz: Wenn ich jetzt die Debatte verfolge, künftig soll die Studierbarkeit als Kriterium für die Zulassung von Bachelor-Studiengängen eingeführt werden – die Studierbarkeit. Wieso müssen Studierende eigentlich monatelang dafür demonstrieren, dass die Kultusminister sich um die Studierbarkeit sorgen?

    Tesch: Ich finde, das ist nicht so ein langer Zeitraum, wenn ich das noch mal sagen darf. Im Juni haben wir das auf die Agenda gesetzt und insofern ja schon im Oktober beschlossen, und jetzt muss man einfach genau hinschauen. Es ist ja nicht so banal, wie man das dann verkürzt an der einen oder anderen Stelle auch vorträgt. Das muss jetzt umgesetzt werden und das Umsetzen heißt, wir haben ja auch im Interesse der Studierenden nicht nur heute, sondern auch in der Folge sicherzustellen, dass die Länder hier sozusagen in den ländergemeinsamen Strukturvorgaben das haben, und das sind schon umstrittene Punkte. Wenn man sagt, die Kultusminister sind dafür – wir werden sehen, wie heute der Beschluss ausfällt -, pro Modul eine Prüfung, dann ist es ja nicht so, dass dann alle zufrieden sind. Da wird es auch wieder Stimmen geben.

    Schulz: Aber dass die Kultusminister zu lange die Hände in den Schoß gelegt haben, das stimmt dann schon?

    Tesch: Vielleicht hätten sie eher hinschauen sollen, vielleicht hätte man an der einen oder anderen Stelle mit den Universitäten und Hochschulen dort in einem Boot sitzen sollen. Aber man darf ja auch nicht verkennen: Wir haben ja auch den einen oder anderen in Deutschland, der sich nun auch nicht gerade überschlagen hat, um diese Reform umzusetzen.

    Schulz: Wir sprechen jetzt ja schon längere Zeit, schon mehrere Monate über die Verbesserung von Strukturen. Was spricht denn dafür, dass sich jetzt wirklich was ändert?

    Tesch: Es ist so – und das ist in der öffentlichen Debatte vielleicht nicht gewollt, oder ist untergegangen -, ich sage noch einmal: Die 11 Punkte von Waren sind der Fahrplan und ich treffe viele, die die noch gar nicht sich angeschaut haben, diese Punkte. Das sollte man einfach mal tun. Jetzt geht es Schritt für Schritt genau darum, das zu tun, und damit es sozusagen vergleichbar wird, damit die Mobilität möglich ist, damit die Anerkennung, all diese Punkte, die ja im Fokus stehen, hier umgesetzt werden können, müssen als Einstieg hier sich die Länder gemeinsam Strukturvorgaben vornehmen, und das ist genau das, was heute jetzt als nächster Schritt hier in Bonn beraten werden soll.

    Schulz: Sie sprechen über Strukturvorgaben. Fakt ist, dass zu diesen Strukturvorgaben natürlich auch die finanziellen Vorgaben gehören, und da hat Bundespräsident Horst Köhler ja in der vergangenen Woche von einer chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen gesprochen. Warum ist den Ländern eigentlich die Bildung nicht mehr wert?

    Tesch: Das ist ein Punkt, der ist natürlich etwas, was ich ganz persönlich sage, der mich auch traurig macht, denn wenn ich mein eigenes Land nehme: Wir gehen bis an die Grenzen dessen, was ein Haushalt verkraften kann. Andere Länder tun Ähnliches. Mit den drei Hochschulpakten, die ja schon beschlossen sind, gehen 18 Milliarden in das System. Der Kritikpunkt, der sich jetzt äußert, ist ja nicht, dass die Länder oder der Bund nicht wollen. Wir können ja nicht wollen, dass wir noch mehr Schulden haben, denn das würde sich ja gegen die junge Generation richten, sondern wir müssen jetzt schauen, dass die Dinge, die ja auch seitens des Bundes angekündigt worden sind, vielleicht dann doch zielgerichteter auch in der Lehre ankommen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Kritikpunkt, dass wir an vielen Stellen Geld bewegt haben, aber die Studierenden fordern auch, wie ich finde, zurecht, es müssen auch dann Veränderungen in der Lehre erfolgen.

    Schulz: Wir haben ja gerade über das Pinkwart-Papier gesprochen, das geplant ist oder angedacht. Vier Milliarden, ist das realistisch?

    Tesch: Wir müssen ja auch noch mal sagen, wir haben eigentlich hier ja auch einen gewissen Stufenplan. Die Ministerpräsidenten treffen sich mit der Bundeskanzlerin, wir haben das Zehn-Prozent-Ziel, was niemand aus den Augen verliert, und es ist dann die Frage, was können Bund und Länder gemeinsam machen. Der Vorschlag ist ja eigentlich noch nicht konkretisiert, der ist nur im Raum. Ich glaube nicht, dass die Kultusminister der Länder sich gegen Verbesserungen in der Lehre stemmen. Nur die Kultusministerkonferenz ist nicht die Finanzministerkonferenz.

    Schulz: Herr Tesch, wenn die Probleme jetzt alle erkannt sind, wann sind sie denn dann beseitigt?

    Tesch: Ich bin sehr froh darüber, dass wir von Waren ausgehend jetzt hier einen Punkt nach dem anderen uns vornehmen. Realistischerweise muss man ja auch sagen, das ändert man nicht mit einem Semester. Ich höre da ja auch die eine oder andere Forderung und bekomme die E-Mails und bin mit den Studierenden im Gespräch. Aber wir wollen ja auch mit dem Februar die Fachtagung haben und im April ist ja der Bologna-Gipfel angekündigt, auch von der Bundesbildungsministerin. Das sind alles schon Schritte, die Umsetzung sehen wollen. Insofern sehen Sie da auch den Fahrplan, wo dann auch umgesetzt sein soll.

    Schulz: Und für die kommende Woche ist auch ein Bildungsgipfel geplant. Wann würden Sie da von einem Erfolg sprechen?

    Tesch: Sie meinen das Gespräch der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten?

    Schulz: Genau.

    Tesch: Da sind ja mehrere Themen auf der Tagesordnung, aber ich gehe mal davon aus, dass ein Jahr zuvor dort 17 Unterschriften unter einem Papier stehen, und davon müssen wir als Kultusminister der Länder ausgehen. Also dieser Fahrplan muss eingehalten werden.

    Schulz: Und um Geld geht es nicht?

    Tesch: Das ist ja das Geld, der Fahrplan. Das ist ja das Ziel, dass die zehn Prozent dort aufwachsend am Bruttoinlandsprodukt beschlossen worden sind, und das muss nachgeprüft werden und da darf niemand fackeln.

    Schulz: Und der Deal, der jetzt im Gespräch ist, Konjunkturpaket gegen Bildungsgelder für die Länder, für wie realistisch halten Sie das?

    Tesch: Da haben sich ja auch einzelne Ländervertreter schon geäußert. Das was die Kultusminister in der Mehrheit eint, so wie ich die Diskussion wahrgenommen habe, ist der Punkt: Wenn es mehr Geld geben soll, dann wollen wir – und das haben Sie angedeutet mit Ihrer Frage – schon die Zweckbindung für Bildung haben. Dann, sage ich, muss es auch so sein, dass neben anderen Dingen, die dort mit dem Geld zu lösen sind, auch dieses Geld in der Lehre ankommt.

    Schulz: In den "Informationen am Morgen" heute Henry Tesch von der CDU, der Präsident der Kultusministerkonferenz. Danke schön!

    Tesch: Bitte schön! Schönen Gruß.