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Knochenmarkstransplantation bei Rheuma

Rheuma: Unter diesem Oberbegriff werden etwa 200 Krankheiten zusammengefasst. Für die häufigen gibt es bewährte Medikamente. Wenn bei seltenden Formen die schmerzhaften Symptome trotz aller Pillen nicht verschwinden, kann eine Knochenmarkstransplantation helfen.

Von Volkart Wildermuth | 17.09.2013
    Ein schmetterlingsförmiger Hautausschlag, über Nase und Wangen, das kann das erste Anzeichen des Lupus erythematodes sein. Bei dieser Krankheit aus dem rheumatischen Formenkreis attackiert das Immunsystem das Bindegewebe des Körpers. Die roten Entzündungen im Gesicht sind dabei für den Rheumatologen Professor Falk Hiepe von der Berliner Charité eher ein Nebenschauplatz.

    "Was für die Prognose der Erkrankung entscheidend ist, ist die Beteiligung der inneren Organe, vor allen Dingen der Nieren und auch des zentralen Nervensystems. Aber es gibt kein Organsystem, das nicht betroffen sein kann."

    Ursache sind Abwehrzellen, die Antikörper gegen Kollagen produzieren. Sie lassen sich häufig mit Entzündungshemmern oder Immunsuppresiva in Schach halten. Aber bei einem bis fünf Prozent der meist jungen weiblichen Patientinnen wirken die Medikamente nicht. Der Grund sind wahrscheinlich Gedächtniszellen des Immunsystems, die die Entzündung immer wieder aufflackern lassen und so beim Lupus erythematodes für einen chronischen Verlauf sorgen. Haben sich die krankhaften Gedächtniszellen erst einmal gebildet, sind sie in ihrem Rückzugsort, dem gut geschützten Knochenmark, mit den normalen Medikamenten kaum noch zu erreichen. Patientinnen und Ärzten bleibt eine radikale Alternative: die Stammzelltherapie, ein kompletter Neustart für das Immunsystem.

    "Das ist schon eine heroische Therapie."

    Sie verläuft in drei Schritten. Erstens werden blutbildende Stammzellen der Patientinnen gewonnen und eingefroren. Im zweiten Schritt erfolgt eine Hochdosischemotherapie, die mehr oder weniger alle Abwehrzellen und damit auch die Gedächtniszellen abtötet. Schließlich bekommen die Patientinnen als drittes ihre Stammzellen zurück, die dann nach und nach ein neues Immunsystem aufbauen. Diese Phase ist gefährlich.

    "Hauptrisiken sind Infektionen in der Zeit, in den ersten Wochen, Tagen nach der Zerstörung des Immunsystems, da sozusagen kaum Zellen da sind, die vor Infektionen schützen."

    Ist diese Zeit überstanden, können die Patientinnen erst einmal aufatmen, ihr Abwehrsystem gibt Ruhe, greift ihr Bindegewebe nicht länger an. In etwa der Hälfte der Fälle ist diese Heilung von Dauer.

    "Wir haben Erfahrungen jetzt seit 1998. Das heißt, seit 15 Jahren sind Patienten in einer sogenannten Remission und diese Patienten benötigen keine Medikamente mehr, die das Immunsystem unterdrücken."

    Die andere Hälfte der behandelten Patientinnen muss aber nach einiger Zeit wieder Medikamente nehmen. Die Stammzelltherapie ist also kein Allheilmittel. Derzeit versuchen Falk Hiepe und seine Kollegen, verträglichere Alternativen zu entwickeln. So gibt es Krebsmedikamente, die nicht das gesamte Immunsystem, sondern ganz gezielt die Gedächtniszellen angreifen. Diese Wirkstoffe werden jetzt auch beim Lupus erythematodes erprobt.

    "Die Daten sehen erfolgversprechend aus, das sind aber bisher nur wenige Patienten, die so behandelt wurden. Hier bei uns an der Charité, aber auch in Freiburg. Wir können bei Patienten, die auf die üblichen Therapien nicht mehr angesprochen haben, mit Lupus die Krankheitsaktivität deutlich reduzieren."

    Verlässliche Aussagen über Nutzen und Risiken können erst größere Studien liefern. Im Labor von Falk Hiepe ist es im Übrigen schon gelungen, ganz gezielt nur die krankhaften Gedächtniszellen abzutöten. Wenn sich dieses Konzept in etlichen Jahren aus der Petrischale ans Krankenbett übertragen lässt, dann wäre der Neustart fürs Immunsystem sicher auch für andere Krankheiten aus dem rheumatischen Formenkreis eine interessante Therapieoption.