Friedbert Meurer: Und jetzt, heute oder heute Abend, gehen Regierung und Opposition nach der Sitzung des Bundesrates in die Sommerpause. Vielleicht werden sich dann die Gemüter wieder beruhigen. In den letzten Tagen ging es ja hoch her in der großen Koalition. Die Koalition erhält im Augenblick auch in den Umfragen die schlechtesten Noten offenbar, seitdem es das Bündnis im Bund gibt, also seit acht Monaten. Am Telefon, Manfred Güllner, Leiter des Meinungsforschungsinstitutes Forsa. Guten Tag, Herr Güllner!
Manfred Güllner: Ja, schönen guten Tag!
Meurer: Wie sieht denn in Ihren Untersuchungen die Stimmungslage aus?
Güllner: Also es ist schon richtig, was Sie angesprochen haben, dass die Regierung sehr negativ beurteilt wird. Das sind ja - das muss man sich ja noch mal sich in Erinnerung rufen - beides Wahlverlierer, beide großen Parteien haben ja bei der Wahl im September Verluste hinnehmen müssen. Und wenn man das mal auf alle Wahlberechtigten bezieht, dann haben nur etwas mehr als die Hälfte, nämlich 53 Prozent aller Wahlberechtigten - also nicht aller Wähler, sondern aller Wahlberechtigten - CDU/CSU oder SPD gewählt. Jetzt würden nur etwas mehr als 40 Prozent von allen eine der beiden großen Parteien wählen. Und das heißt, dass dieser Vertrauensverlust, der ja schon längere Zeit eingetreten war, aber auch nach Bildung der großen Koalition sich fortgesetzt hat. Und, wie gesagt, noch nicht mal die Hälfte aller Wahlberechtigten würde den beiden so genannten großen Parteien ihre Stimme geben.
Meurer: Also mit der Zustimmung für die großen Parteien geht es kontinuierlich bergab. Und sollten wir also die Gesundheitsreform in dem Zusammenhang nicht überbewerten?
Güllner: Das ist natürlich ein weiteres Mosaiksteinchen. Na ja, man müsste besser sagen ein weiterer Mosaikstein. Denn die Bürger sind ziemlich enttäuscht darüber, was sie jetzt im Augenblick darüber wissen. Sie sehen den Sinn nach wie vor nicht ein. Sie haben das Gefühl, man greift ihnen nur in die Tasche. Sie sagen auch: Das hält ja ohnehin nicht lange. Über 90 Prozent sagen: Das wird dann doch bald wieder nachgebessert werden müssen. Also hier hat sich der Eindruck festgesetzt, dass diese Reform eigentlich keine Reform ist, sondern dass man nur eine weitere Erhöhung von Abgaben - und dass auch der Stil der Politik, den man ja kritisiert hatte, als noch Rot-Grün regierte und die damalige Regierung mit der Opposition sich verhakelte, dass taktische Kalküle im Vordergrund standen, dass es Blockadehaltungen gab, und jetzt sitzt man da in der großen Koalition und macht eigentlich in dem gleichen Stil weiter. Man führt quasi Tarifverhandlungen, schließt irgendwelche Kompromisse, jeder beharrt auf seinen Standpunkten. Und es ist ein Gezerre, und da sind die Bürger ziemlich enttäuscht darüber.
Meurer: Verteilt sich diese Unzufriedenheit gleichmäßig auf SPD wie auch auf CDU/CSU?
Güllner: Also die Anhänger der - zunächst mal von den Anhängern her gesehen -, die Anhänger der Union waren ja zunächst sehr fröhlich darüber, dass ihre Partei wieder an der zentralen Macht beteiligt ist. Die Anhänger der SPD wollten ja diese Koalition, diese Kanzlerin nicht, deswegen waren die Vorbehalte der SPD-Anhänger gegen diese Koalition schon immer sehr ausgeprägt. Wir können jetzt sehen, dass natürlich die SPD noch stärker von betroffen ist, von der Unzufriedenheit. Wir haben etwa 40 Prozent der SPD-Wähler vom letzten September, die heute sagen: Ich würde diese Partei nicht mehr wählen. Aber auch bei der Union sind es inzwischen über ein Drittel, die sagen: Ne, ich überlege, ob ich die Union jetzt wieder wählen würde, nach den Erfahrungen, die ich in den letzten Monaten mit der großen Koalition gemacht habe.
Meurer: Und worüber sind die Unionswähler insbesondere unzufrieden? Dass die Reformen nicht tatkräftig genug vorangetrieben werden?
Güllner: Also insgesamt hat man den Eindruck, dass diese Regierung eigentlich weniger geleistet hat, als man es erhofft hat. Die Bürger wissen ja, dass das Land erneuert und modernisiert werden muss, sie wollen ja Reformen in diesem Sinne. Aber sie haben nur das Gefühl, dass man ihnen in die Tasche greift. Die Politik redet ja auch nur noch in fiskalischen Begriffen und nicht mehr über politische Inhalte, nicht mehr über die Ziele, die man erreichen will. Und das irritiert die SPD-Anhänger ohnehin, aber auch zunehmend die Anhänger der Union.
Meurer: Wie steht denn, Herr Güllner, in Ihren Umfragen die Kanzlerin da?
Güllner: Die Kanzlerin steht immer noch relativ gut da. Sie profitiert ja davon, dass die SPD im Augenblick noch keinen richtigen Gegenpol hat. Herr Platzeck hatte zwar viele Sympathien, aber noch keine politischen Konturen. Und auch bei Kurt Beck weiß man noch nicht so recht, ob er sich als Kanzler oder Kanzlerkandidat zunächst mal profilieren kann. Das ist ja die wichtigste Figur, die die SPD stellen muss. Also sie profitiert davon, dass sie quasi eine Alleinstellung hat. Aber auch die Werte für Merkel sind deutlich zurückgegangen - wenn ich etwa an die Kanzlerpräferenz denke, also die Frage, für wen würde man sich als Kanzler entscheiden, sowohl bei Merkel gegen Platzeck, aber auch jetzt Merkel gegen Beck, wie gesagt, sie hat etwa zehn Punkte in den letzten Wochen verloren.
Meurer: Noch kurz: Eigentlich ist die Fußball-Weltmeisterschaft der große Stimmungsaufheller. Wäre ohne die WM die Stimmung noch schlechter?
Güllner: Ich glaube, dass der positive Effekt, der früher mal festzustellen war, von solchen sportlichen Großereignissen auf die Regierenden, dass der diesmal auch ausgeblieben ist. Die Leute unterscheiden zwischen den Spielen, die sie ganz schön fanden, die sie auch fröhlich machten, und der Politik, die sie eher unfröhlich macht.
Meurer: Dankeschön. Das war Manfred Güllner, der Leiter des Meinungsforschungsinstitutes Forsa. Schönen Dank und auf Wiederhören, Herr Güllner.
Güllner: Wiederhören.
Manfred Güllner: Ja, schönen guten Tag!
Meurer: Wie sieht denn in Ihren Untersuchungen die Stimmungslage aus?
Güllner: Also es ist schon richtig, was Sie angesprochen haben, dass die Regierung sehr negativ beurteilt wird. Das sind ja - das muss man sich ja noch mal sich in Erinnerung rufen - beides Wahlverlierer, beide großen Parteien haben ja bei der Wahl im September Verluste hinnehmen müssen. Und wenn man das mal auf alle Wahlberechtigten bezieht, dann haben nur etwas mehr als die Hälfte, nämlich 53 Prozent aller Wahlberechtigten - also nicht aller Wähler, sondern aller Wahlberechtigten - CDU/CSU oder SPD gewählt. Jetzt würden nur etwas mehr als 40 Prozent von allen eine der beiden großen Parteien wählen. Und das heißt, dass dieser Vertrauensverlust, der ja schon längere Zeit eingetreten war, aber auch nach Bildung der großen Koalition sich fortgesetzt hat. Und, wie gesagt, noch nicht mal die Hälfte aller Wahlberechtigten würde den beiden so genannten großen Parteien ihre Stimme geben.
Meurer: Also mit der Zustimmung für die großen Parteien geht es kontinuierlich bergab. Und sollten wir also die Gesundheitsreform in dem Zusammenhang nicht überbewerten?
Güllner: Das ist natürlich ein weiteres Mosaiksteinchen. Na ja, man müsste besser sagen ein weiterer Mosaikstein. Denn die Bürger sind ziemlich enttäuscht darüber, was sie jetzt im Augenblick darüber wissen. Sie sehen den Sinn nach wie vor nicht ein. Sie haben das Gefühl, man greift ihnen nur in die Tasche. Sie sagen auch: Das hält ja ohnehin nicht lange. Über 90 Prozent sagen: Das wird dann doch bald wieder nachgebessert werden müssen. Also hier hat sich der Eindruck festgesetzt, dass diese Reform eigentlich keine Reform ist, sondern dass man nur eine weitere Erhöhung von Abgaben - und dass auch der Stil der Politik, den man ja kritisiert hatte, als noch Rot-Grün regierte und die damalige Regierung mit der Opposition sich verhakelte, dass taktische Kalküle im Vordergrund standen, dass es Blockadehaltungen gab, und jetzt sitzt man da in der großen Koalition und macht eigentlich in dem gleichen Stil weiter. Man führt quasi Tarifverhandlungen, schließt irgendwelche Kompromisse, jeder beharrt auf seinen Standpunkten. Und es ist ein Gezerre, und da sind die Bürger ziemlich enttäuscht darüber.
Meurer: Verteilt sich diese Unzufriedenheit gleichmäßig auf SPD wie auch auf CDU/CSU?
Güllner: Also die Anhänger der - zunächst mal von den Anhängern her gesehen -, die Anhänger der Union waren ja zunächst sehr fröhlich darüber, dass ihre Partei wieder an der zentralen Macht beteiligt ist. Die Anhänger der SPD wollten ja diese Koalition, diese Kanzlerin nicht, deswegen waren die Vorbehalte der SPD-Anhänger gegen diese Koalition schon immer sehr ausgeprägt. Wir können jetzt sehen, dass natürlich die SPD noch stärker von betroffen ist, von der Unzufriedenheit. Wir haben etwa 40 Prozent der SPD-Wähler vom letzten September, die heute sagen: Ich würde diese Partei nicht mehr wählen. Aber auch bei der Union sind es inzwischen über ein Drittel, die sagen: Ne, ich überlege, ob ich die Union jetzt wieder wählen würde, nach den Erfahrungen, die ich in den letzten Monaten mit der großen Koalition gemacht habe.
Meurer: Und worüber sind die Unionswähler insbesondere unzufrieden? Dass die Reformen nicht tatkräftig genug vorangetrieben werden?
Güllner: Also insgesamt hat man den Eindruck, dass diese Regierung eigentlich weniger geleistet hat, als man es erhofft hat. Die Bürger wissen ja, dass das Land erneuert und modernisiert werden muss, sie wollen ja Reformen in diesem Sinne. Aber sie haben nur das Gefühl, dass man ihnen in die Tasche greift. Die Politik redet ja auch nur noch in fiskalischen Begriffen und nicht mehr über politische Inhalte, nicht mehr über die Ziele, die man erreichen will. Und das irritiert die SPD-Anhänger ohnehin, aber auch zunehmend die Anhänger der Union.
Meurer: Wie steht denn, Herr Güllner, in Ihren Umfragen die Kanzlerin da?
Güllner: Die Kanzlerin steht immer noch relativ gut da. Sie profitiert ja davon, dass die SPD im Augenblick noch keinen richtigen Gegenpol hat. Herr Platzeck hatte zwar viele Sympathien, aber noch keine politischen Konturen. Und auch bei Kurt Beck weiß man noch nicht so recht, ob er sich als Kanzler oder Kanzlerkandidat zunächst mal profilieren kann. Das ist ja die wichtigste Figur, die die SPD stellen muss. Also sie profitiert davon, dass sie quasi eine Alleinstellung hat. Aber auch die Werte für Merkel sind deutlich zurückgegangen - wenn ich etwa an die Kanzlerpräferenz denke, also die Frage, für wen würde man sich als Kanzler entscheiden, sowohl bei Merkel gegen Platzeck, aber auch jetzt Merkel gegen Beck, wie gesagt, sie hat etwa zehn Punkte in den letzten Wochen verloren.
Meurer: Noch kurz: Eigentlich ist die Fußball-Weltmeisterschaft der große Stimmungsaufheller. Wäre ohne die WM die Stimmung noch schlechter?
Güllner: Ich glaube, dass der positive Effekt, der früher mal festzustellen war, von solchen sportlichen Großereignissen auf die Regierenden, dass der diesmal auch ausgeblieben ist. Die Leute unterscheiden zwischen den Spielen, die sie ganz schön fanden, die sie auch fröhlich machten, und der Politik, die sie eher unfröhlich macht.
Meurer: Dankeschön. Das war Manfred Güllner, der Leiter des Meinungsforschungsinstitutes Forsa. Schönen Dank und auf Wiederhören, Herr Güllner.
Güllner: Wiederhören.