Mittwoch, 15. Mai 2024

Debatte um Eishockey-Investor
Kölner Haie zwischen Moral und finanzieller Abhängigkeit

2010 rettete Frank Gotthardt die Kölner Haie vor dem Ruin. Der Milliardär ist aber auch Gründer des rechtspopulistischen Portals "Nius". Haie-Fan Michael Schulze hat deswegen einen offenen Brief an den Eishockey-Club geschrieben und eine Debatte ausgelöst.

Von Christian von Stülpnagel / Astrid Rawohl im Gespräch mit Michael Schulze | 17.03.2024
Das Logo der Kölner Haie auf den Spielertrikots.
Sportlich ist die Saison für die Kölner Haie nach dem Playoff-Aus gegen Ingolstadt bereits gelaufen. Abseits des Eises geht die Debatte um Gesellschafter Frank Gotthardt und dessen Investitionen in das rechtspopulistische Portal "Nius" weiter. (IMAGO / Maximilian Koch / IMAGO / Maximilian Koch)
"Heute gibt es etwas Wichtigeres als Sport": So beginnt die Konfrontation von Kölner-Haie-Fan Michael Schulze mit seinem Lieblingsverein. In einem offenen Brief fordert er eine Klarstellung zu einem möglichen Verhältnis zwischen dem Eishockey-Verein und dem von Haie-Investor Frank Gotthardt gegründeten Portal "Nius".
Dieses Portal hat Gotthardt im Podcast „Rund ums Eck – der Koblenz Podcast“ so beschrieben: "Ich glaube, dass unsere Medienlandschaft eine Ergänzung im konservativen Bereich braucht. Die Übermacht der Medien, die eher links zu verorten sind, die ist halt sehr groß. Und da muss man einfach etwas tun."
Zum Beispiel „Nius“ gründen. Dafür holt Gotthardt sich den Ex-Chef der Bild-Zeitung an Bord, Julian Reichelt. Das Portal macht mit effekthascherischen Überschriften von sich Reden – und mit sehr konservativen bis rechten Meinungen. "Die neue Mitte ist ja links, insofern müssen wir ja rechts von der Mitte sein", begründet Frank Gotthardt.

Einfluss von Gotthardt auf 'Nius" vorher nicht bekannt

"Mir war natürlich schon seit Langem bewusst, dass es dieses neue Format 'Nius' gibt und es auch erste Hinweise gab, dass Frank Gotthardt da zumindest die Büroräume stellt und irgendwie Gesellschafter des Unternehmens ist", sagte Haie-Fan Schulze, Verfasser des offenen Briefes, im Deutschlandfunk. "Wie sehr Frank Gotthardt aber dann selbst Einfluss genommen hat auf das Ganze, kam erst durch diesen Podcast ein bisschen raus."
Als sich dann nach der Correctiv-Recherche rund um das Potsdamer AfD-Treffen Unternehmen von Gesellschafter Hans-Christian Limmer, der das Treffen organisiert haben soll, getrennt hatten, habe Schulze sich Sorgen gemacht: "Was ist, wenn eine Lanxess Arena sich genötigt sieht, einen Mietvertrag mit einem Unternehmen nicht zu verlängern, wo jemand wie Frank Gotthardt Mehrheitsgesellschafter ist, weil man mit diesem nicht mehr in Verbindung gebracht werden möchte?"
Bei den Haien habe Schulze eine "gewisse Problematik" gesehen, weil "man so einen Mehrheitsgesellschafter nicht ohne weiteres austauschen kann, zumindest nicht gegen seinen Willen."

Thema Gotthardt spielt in der Haie-Fanszene keine Rolle

Aber reichen Gotthardts Aussagen zu "Nius" überhaupt aus, ihn als Investor bei den Kölner Haien untragbar zu machen? Nein, findet Armin Höhner vom Verein Haie Fanprojekt. Er argumentiert, das Thema müsse direkt zwischen Fans und Verein diskutiert werden. Für ihn selbst ist das Portal ein No-Go. Aber in der Fanszene spiele es derzeit keine große Rolle: "Das sind Fans, die gehen in die Halle, um gemeinschaftlich Eishockey zu sehen und weniger, um sich über politische Themen zu unterhalten."
Der Verein positioniere sich immer wieder für Offenheit und Toleranz – und daran ändere auch der Investor Frank Gotthardt nichts: "Das ist sicherlich der größte Geldgeber und Besitzer der Haie, aber der ist für uns auf einem anderen Planeten. Der nimmt uns überhaupt nicht wahr. Uns ist allen klar, wenn ein Frank Gotthardt die Haie aufgibt, wird es schwierig, wie schon mal 2010, als wir keinen Investoren mehr hatten. Dann ist das Eishockey in Köln gefährdet."
Gotthardt, mit Medizin-IT zum Milliardär geworden, kam 2010 zu den Kölner Haien. Damals stand der Verein vor dem Aus, brauchte dringend neue Investoren. Typisch für Eishockey in Deutschland: Ohne einen Mäzen kann hier kaum ein Verein überleben.
Frank Gotthardt (r.) sitzt zusammen mit Unternehmer Ralf Pape in einer Loge bei einem Heimspiel der Kölner Haie.
Frank Gotthardt (r.), hier zusammen mit dem Unternehmer Ralf Pape, ist seit 2010 Gesellschafter bei den Kölner Haien. (imago images / Herbert Bucco / Herbert Bucco via www.imago-images.de)
"Nein, keine Chance", sagt Christopher Huth. Der Sportökonom von der Universität der Bundeswehr in München hat sich lange mit der Vereinsstruktur in der Eishockey Bundesliga beschäftigt. "Es mag ganz vereinzelt Standorte geben, die es vielleicht hinbekommen könnten. Aber insgesamt nicht. Weil TV-Einnahmen fehlen und wir es auf der anderen Seite mit einer sehr kostenintensiven Sportart zu tun haben." Die Eisfläche will gekühlt werden, fast das ganze Jahr über. Dazu kommt in Köln eine hohe Hallenmiete. Laut Medienberichten kostet die Lanxess-Arena rund 40.000 Euro. Pro Heimspiel.

"Nius"-Marketing bei den Kölner Haien?

In seinem offenen Brief äußerte Fan Michael Schulze auch die Sorge, Gotthardt könnte die Haie auch als Marketing-Plattform für ""Nius" benutzen. "Wir sehen in der Arena in Mittelkreis das Logo der 'Compugroup', das von Frank Gotthardt gegründete Softwareunternehmen. Da könnten sich ja Synergien ergeben für Herrn Gotthardt", sagte er. Die Haie haben in dieser Saison einen Zuschauer-Europarekord aufgestellt. Dazu kommen die TV-Übertragungen. "Die Reichweite könnte schon für Frank Gotthardt auch verlockend sein".
Diese Sorge entkräfteten die Haie-Verantwortlichen jedoch in einer Antwort auf den offenen Brief: "Es wird keine Marketingmaßnahmen von 'Nius' bei den Kölner Haien geben“, stellte der Verein klar.
Und auch sonst distanziert sich der Verein von dem Portal – ohne es explizit zu nennen: "Wir sind tolerant gegenüber verschiedenen Lebensentwürfen und Perspektiven, weswegen wir uns klar davon distanzieren, zu pauschalisieren und zu 'framen' – wir wollen Austausch ermöglichen."

Haie lassen Fragen offen

Dennoch seien noch Fragen offen, sagte Schulze im Dlf. "Da bin ich aber auch nicht davon ausgegangen, dass man mir die beantwortet, weil man sich dann natürlich sehr schnell auf dünnes Eis begibt. Wenn man sich von einem Gesellschafter distanziert, dann kann man auch um seinen persönlichen Beruf in Form eines Geschäftsführers Sorge haben, weil ein Gesellschafter kann einen Geschäftsführer jederzeit abberufen. also die Loyalitätsfrage."
Darüber hinaus haben die Haie in ihrer Antwort auf die von ihnen vertretenen Werte hingewiesen und auch explizit darauf hingewiesen, dass diese Wertvorstellung auch von Frank Gotthardt mitgetragen werde. Schulze hält das jedoch nicht für glaubwürdig: "Wenn man sich den Podcast anhört und auch hört, wie Frank Gotthardt offen darüber spricht, wie sehr er hinter 'Nius' steht und wie sehr er dieses ganze Konzept auch weiter voranbringen möchte, dann passen diese Werte nicht zusammen."

Schulz stellt Dauerkarten-Verlängerung in Frage

Schulze selber überlege jetzt, ob er seine Dauerkarte für die kommende Saison verlängert. "Das kommt auch ein bisschen darauf an, wie sich jetzt 'Nius' und Frank Gotthardt weiterentwickeln. Da ist vielleicht ab einem gewissen Punkt die Liebe zum Eishockey nicht mehr ganz so groß wie die Liebe zu den eigenen Werten."
Jetzt geht Schulze aber erst einmal davon aus, dass das Thema nach dem Playoff-Aus der Kölner Haie versanden wird. "Was auch in Ordnung ist", sagte er.
Er persönlich könne sich jedoch noch einen Austausch zwischen Gotthardt und den Fans der Kölner Haie vorstellen. "Ich weiß aber nicht, wie zielführend das Ganze sein kann", sagte er. "Letztendlich ist es eine Frage, was Frank Gotthardt wichtiger ist, sollte es denn irgendwann eskalieren. Ist ihm die Liebe zum Eishockey und zu den Kölner Haien wichtig, da in seinen politischen Aktivitäten vielleicht einen Schritt zurückzumachen? Oder ist seine politische Aktivität ihm wichtiger und er nimmt es in Kauf, da auch Grenzen zu überschreiten mit Julian Reichelt, die dann auch negativ auf die Haie zurückführen können?"