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Kölner Restaurant
Protest mit "Erdogan Burger" und "Böhmermann-Cookie"

"Politisch essen" ist das Motto der Kölner "Urban Burgery". Auf der Karte landete kürzlich ein Erdogan-Burger mit Ziegenkäse - als Hommage an das Schmähgedicht des Satirikers Jan Böhmermann. Die Folge waren massive Drohungen, sodass das Restaurant schloss. Nun hat es wieder geöffnet und die Karte erweitert.

Von Mirjam Kid |
    Ein Burger mit Frikadelle, Rucola, Tomaten, Zwiebeln und einer Scheibe Ziegenkäse liegt neben Pommes Frites auf einem Teller im Kölner Restaurant "Urban Burgery". Im Hintergrund sieht man Salz- und Pfefferstreuer in Form von kleinen Colaflaschen.
    Viel Rummel um eine Scheibe Ziegenkäse: Wegen seines "Erdogan Burger" wurde das Kölner Restaurant "Urban Burgery" bedroht. (Deutschlandradio / Mirjam Kid)
    "So, dann nehmen wir natürlich erst mal ein bisschen leckeren Ziegenkäse."
    Hier brutzelt der Erdogan Burger. Einen ziemlichen Rummel gibt es um eine dicke, fette Scheibe Ziegenkäse. Die ist integraler Bestandteil des hier käuflich zu erwerbenden Erdogan Burgers und eine Anspielung auf ein mittlerweile berühmt gewordenes Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann. In dem Gedicht dichtet Böhmermann dem türkischen Staatspräsidenten eine erotische Liaison mit Ziegen an.
    "So, den Käse den drehen wir jetzt schon mal lecker. Das Fleisch wird gewürzt."
    Um den Käse herum ist die "Urban Burgery". So heißt der Burgerladen im Herzen des Kölner Studierendenviertels. Helles Holz, große Fenster und ein strahlend weißes Eisentor. Es gibt einen kleinen Essbereich, vier Tische, ein paar Stühle, und eine schmale lange Theke.
    Mittagszeit: Es ist voll, proppevoll – aber nicht mit hungrigen Kunden, sondern mit Reportern und Kamerateams:
    "Reuters, ach wie schön, DPA war auch schon da. Gleich ist Stern dran. Stopp mal, wie sitzen die Haare?"
    Auch die internationale Presse ist vertreten – die BBC soll hier gewesen sein.
    "Können Sie mal mit dem Klappern aufhören, bitte! Das macht mich total nervös."
    Kulinarische Protest trotz Drohungen
    Das ist Inhaber Jörg Tiemann. Er kommt nervlich langsam an seine Grenzen: "So, ich muss mich erst mal fassen." Als endlich etwas Ruhe eingekehrt ist, setze ich mich mit ihm an einen langen Holztisch in der Mitte des Ladens. In weißem Hemd und beigem Jackett sitzt er mir gegenüber. Wegen des Erdogan-Burgers und seiner Böhmermann-Hommage wurde er bedroht.
    "Facebook, da gab’s auch konkrete Drohungen. Und das Reale war, dass sich hier vier junge Männer vorm Schaufenster des Ladens aufgestellt haben. Aber da ist dann gar nichts passiert, die haben da ein paar Minuten gestanden. Ich war im Laden in der Zeit und hatte auch ein mulmiges Gefühl, das muss ich ehrlich sagen. Das ist schon eine bedrohliche Situation."

    Seither hat er polizeilich Anzeige erstattet, der Staatsschutz ist aktiv und er hat Videokameras installiert. In der Türkei haben Journalisten für ihre kritische Berichterstattung über Erdogan mit Repressionen zu rechnen, meint der Burgerbudenbesitzer: "Das ist genau die Einschüchterungspolitik von Erdogan." Und das hat ihn zum kulinarischen Protest motiviert:
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und ZDF-Moderator Jan Böhmermann in verschiedenen Aufnahmen nebeneinander.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Strafanzeige gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann erstattet. (dpa / Robert Ghement)
    "Dann habe ich mit meinem Mann darüber gesprochen – man macht ja nichts, keiner kann was machen, denkt man – und dann haben wir auf einmal gedacht: Wir haben ne Burgerbude, doch, wir können was machen und wir haben was gemacht."
    Einnahmen für "Böhmermann-Cookie" als Spende
    Doch was kann man mit einer Hamburger-Frikadelle und etwas Käse bewirken?
    "Das es mal thematisiert wird, das über Erdogan geredet wird. Und er nicht einfach nur seine Einschüchterungspolitik und seine menschenrechtsfeindliche Politik durchziehen kann. Und weil der Ziegenkäse-Burger zur Schmähung von Herrn Erdogan zwar Aufmerksamkeit erregt, aber letztlich nur ein symbolischer Protest ist, plant Imbiss-Betreiber Tiemann auch schon den nächsten Schritt:
    "Sie haben jetzt auch noch einen Keks. – Genau der Keks liegt mir besonders am Herzen."
    Dieser Keks soll Böhmermann-Cookie heißen. Und die Keks-Einnahmen sollen zu 100 Prozent an die Familien der zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilten Journalisten der türkischen Zeitung Cumhuriyet gehen. Reporter ohne Grenzen hat den Kontakt hergestellt. Das soll aber nicht der letzte Streich gewesen sein. Der nächste Punkt auf dem Menü steht schon fest: Ein AfD-Burger:
    "Der AfD-Burger wird ein ganz klassischer Burger – aber es kommt ein Minarett drauf."
    Die geheime Zutat:
    "Das wird wahrscheinlich eine Stange Spargel oder sowas sein."
    "AfD-Burger" bereits in Planung
    Jörg Tiemann erklärt seinen Zusammenhang zwischen Erdogan und AfD:
    "Beide verfolgen rechtspopulistische, autoritäre Positionen. Und ich glaube, dass beide nicht gut zur Bewahrung von Freiheits- und Bürgerrechten sind. Und deswegen finde ich eigentlich, dass die beiden sehr viel Ähnlichkeit miteinander haben."
    Wie sehr Freiheiten bereits beschnitten sind, hat Tiemann am eigenen Leib erfahren. Drei seiner Mitarbeiter haben seit dem Rummel um den Erdogan-Burger gekündigt. Und zwar aus Angst. Angst vor persönlichen Anfeindungen. Angst, ihre Familien in der Türkei könnten Konsequenzen zu spüren bekommen:
    "Die haben jetzt keinen Job mehr, weil sie Angst vor diesem türkischen Staatsmann haben. Der hat eine unglaubliche Macht, die man sich gar nicht bewusst macht, in diesem Lande auch."
    Und deswegen will Tiemann sich weiter engagieren. Angst vor Konsequenzen hat er nicht:
    "Herr Erdogan zeigt ja offenbar jeden an, der nicht bei drei auf dem Baum ist. Insofern würde ich es gerade für ehrenrührig halten, wenn er uns nicht anzeigen würde."
    Politischer Protest durch Biss in den Burger
    Hinter der Theke wird schon der nächste Burger vorbereitet. Der Chefkoch gibt Anweisung:
    "Äh, Renato, kannst du mal kurz Belegung machen? Für Erdogan."
    30 Kilo Biofleisch landen hier wöchentlich im Namen Erdogans auf dem Teller. Drei von vier verkauften Burgern sind ein Erdogan-Burger. "Ja, ich finde das toll, echt", sagt eine Kundin. Sie ist Türkin und heute mit zwei Freunden hier: "Ich bin aus der Türkei geflohen und etwas gegen Erdogan ist für mich willkommen." Auch sie wollen sich nicht einschüchtern lassen. Für sie ist der Biss in den Burger politischer Protest.
    Eine andere Kundin kommt aus der Nachbarschaft. Sie glaubt, dass die Aktion wichtig ist. Sie sieht sie in einer Linie mit dem satirischen Protest der letzten Monate: "Auch die ganze Aktion, mit Böhmi da und Döpfner auch jetzt – der hat das ja jetzt übergeleitet." Ob die "Urban Burgery" eine ähnliche Wirkung entfalten wird, steht noch nicht fest. Aber zumindest im Moment ist sie in aller Munde.