Simon: Frau Höhn, war das von Anfang an eine unsaubere Geschichte?
Höhn: Auf jeden Fall war von Anfang an klar, dass die Firma Steinmüller genommen werden sollte, denn die Ausschreibung war schon so angelegt, dass an sich nur die Firma Steinmüller den Auftrag bekommen konnte.
Simon: Es geht um den Anlagenbau in der Müllverbrennungsanlage?
Höhn: Es geht um die Müllverbrennungsanlage in Köln.
Simon: Und was macht Sie so sicher, dass das von Anfang an klar war?
Höhn: Es gab ja mehrere Techniken, die dort zum Tragen kommen konnten, und die Ausschreibung ist so gewählt worden, dass die Technik, die die Firma Steinmüller anbot, eben auch entsprechend spezifiziert wurde. Deshalb konnten andere Mitbewerber die Ausschreibungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllen.
Simon: Ihr sage ich mal Gegenspieler in der Geschichte war der damalige Regierungspräsident in Köln, Franz-Josef Antwerpes. Welche Rolle spielt er Ihrer Meinung nach in der Sache?
Höhn: Es ist so, dass natürlich in dem Rahmen des Genehmigungsverfahrens auch ein Befangenheitsantrag gegen Herrn Antwerpes auf dem Tisch lag. Ich bin selber ja erst sehr spät in diesem Prozess Umweltministerin geworden, erst im Juli 1995, als das Genehmigungsverfahren schon weit vorangetrieben war, und dieser Befangenheitsantrag von Herrn Antwerpes bezog sich auf eine Telefonnotiz mit dem Oberstadtdirektor von Köln von 1992, wo Herr Antwerpes diesem nahe legte, die Firma Steinmüller zu nehmen. Er ist ja gleichzeitig Chef dieser Genehmigungsbehörde selber und hat dann in einem Gespräch im Ministerium gesagt, das sei eben keine Weisung an den Oberstadtdirektor gewesen, sondern ein Ratschlag.
Simon: Sie haben in dieser Auseinandersetzung eben mit Antwerpes damals keinerlei Unterstützung von Ihren Regierungskollegen von der SPD bekommen, auch nicht von dem direkten Vorgesetzten, der eine Möglichkeit gehabt hätte, Herrn Antwerpes in irgendeiner Form zu rügen: dem Innenminister. Kommt Ihnen das im Nachhinein nicht etwas merkwürdig vor?
Höhn: Das Innenministerium hat uns bei dieser Befangenheitssache schon unterstützt. Insofern kann man nicht sagen, dass ich keinerlei Unterstützung vom Innenministerium bekommen habe. Aber es ist in der Tat so: mir ist damals politische Einflussnahme vorgeworfen worden, mir ist Nötigung vorgeworfen worden. Das ist im Nachhinein schon ganz spannend, wenn man sich jetzt überlegt, dass dort auf der anderen Seite offensichtlich Geld eine Rolle gespielt hat.
Simon: Und damals haben Sie das für den typischen Zusammenhalt unter Genossen gehalten?
Höhn: Ich möchte keinen Vorwurf an das Innenministerium machen, weil die haben uns bei dem Befangenheitsantrag unterstützt - das muss man so sagen - und auch dafür gesorgt, dass Herr Antwerpes, der sich sonst jeglicher Weisung von mir widersetzt hat, an diesen Punkt eben auch gekommen ist. Aber es geht eigentlich um Aussagen von Politikern im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens, die wirklich sehr, sehr hart gegenüber meiner Person und meinem Handeln waren, weil ich ja gesagt habe, diese Müllverbrennungsanlage brauchen wir nicht. Das sieht man im Nachhinein schon mit ganz anderen Augen.
Simon: Würden Sie anregen, dass dort von Staatsanwaltschaft und Polizei auch noch mal genauer nachgeguckt wird?
Höhn: Wichtig ist glaube ich, dass wir das alles aufklären. Die Staatsanwaltschaft ist dran. Deshalb ist das auf einem richtigen Weg. Ich glaube auch, dass man sich nicht allein auf die SPD konzentrieren soll, denn es gibt ja auch Zusammenhänge von der CDU mit Trienekens, nicht in dem Sinne, dass irgend etwas bekannt sei über Spenden in der Form, die an die SPD gegangen sind, aber es gibt doch auch bedeutende CDU-Politiker, die eben auch zum Beispiel auf der Gehaltsliste von Trienekens stehen. Von daher glaube ich, dass es ganz wichtig ist, diesen Skandal aufzuklären und daraus Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen, denn wir haben ja auch ganz viele Müllverbrennungsanlagen, die in den nächsten Monaten verkauft werden sollen, so dass man diese Verfahren möglichst transparent macht und dafür sorgt, dass nicht ein solcher Schein auch auf solche Verfahren fällt.
Simon: Noch einmal zurück zu dem, was Sie zu den anderen Parteien sagten. In Anlehnung an Flick, ist in Nordrhein-Westfalen die ganze Landschaft gepflegt worden?
Höhn: Ich habe leider nicht das konkrete Wissen darüber. Sonst wäre ich sicher schon mit diesem Wissen auch vorher in die Öffentlichkeit gegangen. Es ist aber immerhin der zweite große Müllskandal um eine Müllverbrennungsanlage in Nordrhein-Westfalen. Den ersten hatten wir in Hamm. Von daher scheint das keine Methode gewesen zu sein, die nur einmal stattgefunden hat.
Simon: Sie sprachen jetzt die riesigen Summen an, die auch bei der Privatisierung der städtischen Müllbetriebe und Verbrennungsanlagen derzeit überall auf dem Spiel stehen. Was muss sich ändern, damit dort die Dinge sauberer und transparenter ablaufen? Ist das überhaupt möglich?
Höhn: Der erste Punkt ist, dass auf jeden Fall Ausschreibungen so gemacht werden, auch europaweit gemacht werden, dass eine solche Einengung wie damals in Köln nicht stattfinden kann und darf. Der zweite Punkt ist, dass man die Vergabe dieser Müllverbrennungsanlagen oder dieser Großprojekte - es muss sich ja nicht nur um Müllverbrennungsanlagen handeln - dann an die entsprechenden Bieter sehr transparent macht, damit deutlich wird, dass hier wirklich nach objektiven Kriterien ausgewählt worden ist. Wir haben als Umweltministerium darüber hinaus immer dafür gesorgt, dass die Einflussbereiche der Müllentsorger transparent waren, dass das Kartellamt diese Informationen auch bekommen hat. Das Kartellamt ist aufgrund unserer Informationen auch mehrfach eingeschritten oder hat zumindest unsere Informationen dort nutzen können. Insofern muss man auch dort versuchen, eine Pluralität zu wahren, dass nicht ein Anbieter einen Monopolcharakter in Nordrhein-Westfalen oder in Deutschland bekommt.
Simon: Hier in Nordrhein-Westfalen geht es anscheinend ja um ein Duopol: Trienekens und Rethmann?
Höhn: Ja. Es gibt zwei große Firmen, auch Familien, die sich in der Tat dort einen Müllkrieg liefern. Deshalb ist ganz entscheidend, dass wir zum Beispiel auch solche Projekte wie Eco-City versuchen zu stärken, wo mehrere Städte, Kommunen versuchen, die Müllentsorgung in eigener Hand zu behalten und damit eben auch als ein weiterer Pool in der Mülllandschaft dafür sorgen, dass es eben nicht zu diesen Monopolstrukturen oder dergleichen kommt.
Simon: Noch einmal zurück zur Privatisierung der städtischen Müllbetriebe und Verbrennungsanlagen. Wie gesagt, es geht dort um sehr, sehr viel Geld. Bei allem Verständnis für den Wunsch der Kommunen Sie betreffend, die Dinge selber zu entscheiden, sind Ihrer Meinung nach Kommunalpolitiker mit Entscheidungen dieses Kalibers nicht generell überfordert?
Höhn: Das will ich vom Prinzip her nicht sagen. Wir haben ein demokratisches System. Wir haben einen Rat, der gewählt wird von der Bevölkerung, und ich glaube auch, dass wir in den Verwaltungen kompetente Leute haben. Von einer grundsätzlichen Überforderung von Kommunalpolitikern würde ich deshalb nicht sprechen wollen. Entscheidend ist, dass wir die Verfahren transparent machen.
Simon: Das heißt auch nicht, dass Sie dafür sind, die Schranken, die mit dem Beschleunigungsgesetz von 1992 abgebaut worden sind, wo vorher doch sehr viel mehr Zuständigkeiten etwa auch des Umweltministeriums bestanden, wieder einzuziehen?
Höhn: Das ist ein anderer Punkt. Bei den Beschleunigungsgesetzen ist es in der Tat so geschehen, aber bundesweit, dass zum Beispiel bei solchen Müllverbrennungsanlagen bei der Genehmigung der Bedarf überhaupt nicht mehr überprüft wird. Das heißt es wird nur noch überprüft, ob die Grenzwerte des Bundesemissionsschutzgesetzes eingehalten werden. Das ist in der Tat glaube ich eine erhebliche Schwächung, denn in Köln ging es ja um die Frage, wird diese Anlage überhaupt gebraucht. Die umliegenden Städte haben Köln 100 Millionen geboten, wenn die ihre Anlage nicht bauen und ihren Müll in deren Anlagen verbrennen, weil wir überall schon Überkapazitäten hatten. Das war auch meine Argumentation gegen diese Anlage. Das ist natürlich eine absolute Schwächung, wenn man diese Bedarfsfrage überhaupt nicht mehr im Genehmigungsverfahren klären kann.
Simon: Das heißt also doch: die Kommunen sollten etwas abgeben von ihrer Macht in diesen Fragen?
Höhn: Am Ende haben die Kommunen die Entscheidung darüber, wem sie diesen Auftrag geben. Das ist so, das sollte auch so bleiben. Aber welche Fragen geklärt werden müssen auch im Genehmigungsverfahren, das ist eine andere Sache und da bin ich sehr dafür, dass man auch zu alten Strukturen zurückkommt und zum Beispiel bei so etwas wie einer Müllverbrennungsanlage wieder auch den Bedarf prüft.
Simon: Was soll eigentlich der Untersuchungsausschuss, den jetzt auch die Grünen fordern, bringen?
Höhn: Aus meiner Sicht muss in welcher Form auch immer aufgeklärt werden. Ob der Untersuchungsausschuss dort das geeignete Mittel ist, das muss man prüfen. Immerhin braucht man dafür 25 Prozent der Parlamentarier, und die haben die Grünen nicht. Aus meiner Sicht ist aber ganz entscheidend, dass wir zu einer Aufklärung kommen und dass wir dort die Grundlagen bilden, ein solches Vertrauen, was hier ja massiv zerstört worden ist, wieder aufzubauen.
Simon: Glauben Sie eigentlich Franz Müntefering, dem damaligen zuständigen SPD-Vorsitzenden in Nordrhein-Westfalen, wenn er gestern sagte, er habe von all dem nichts gewusst?
Höhn: Ich finde erst einmal gut, dass Franz Müntefering sich gestern dort eingeschaltet hat, dass er gestern auch nach Köln gefahren ist. Ich muss jetzt erst mal sagen, ich habe keinen Anlas, daran zu zweifeln, dass seine Aussage falsch ist. Aus meiner Sicht ist jedoch ganz wichtig, dass alles heraus kommt und wir Klarheit darüber bekommen, was damals passiert ist.
Simon: Kollegen von uns, die sich besonders in die Recherche hineingestürzt haben, haben gesagt, dass das ein Fall mit Ausmaßen wie damals bei Flick werden könnte. Teilen Sie diese Einschätzung?
Höhn: Es gibt in der Tat ich sage mal Überlegungen, dass das über Köln hinausgehen kann und doch eine enorme Dimension erreichen kann.
Simon: Also eine richtig große Struktur?
Höhn: Das ist schon möglich oder zumindest ist es nicht auszuschließen.
Simon: Herzlichen Dank! - Das war die Umweltministerin in Nordrhein-Westfalen, Bärbel Höhn.
Link: Interview als RealAudio