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König Friedrich Wilhelm III.
Vereinigung der Rheinlande mit Preußen

Auf dem Wiener Kongress 1814/15 wurde nach der Niederlage Napoléons die politische Landkarte Europas neu gezeichnet. Um Frankreich unter Kontrolle zu halten, bekam Preußen Territorien im westlichen Teil des alten Deutschen Reiches: die Rheinprovinz und Westfalen. Die rheinischen Musspreußen erwiesen sich im Zuge des Einigungsprozesses als verlässliche Bürger des 1871 gegründeten Deutschen Reiches.

Von Wolfgang Stenke | 05.04.2015
    Das Reiter-Denkmal des Preußen-Königs Friedrich-Wilhelm III. in Köln.
    Das Reiter-Denkmal des Preußen-Königs Friedrich-Wilhelm III. in Köln. (picture alliance / Oliver Berg)
    "Ich trete mit Vertrauen unter euch, gebe euch eurem deutschen Vaterlande, einem alten deutschen Fürstenstamme wieder und nenne euch Preußen."
    So begrüßte Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, am 5. April 1815 in einer Proklamation seine neuen Untertanen im Rheinland. Auf dem Wiener Kongress waren ihm die Herzogtümer Jülich und Berg sowie Kurtrier und Kurköln zugesprochen worden - des Weiteren auch das Herzogtum Westfalen und Teile des Münsterlandes.
    "Als ich dem einmütigen Beschluss der zum Kongress versammelten Mächte meine Zustimmung gab, ließ ich die gefahrvolle Lage dieser Grenzlande des Deutschen Reichs und die schwere Pflicht ihrer Verteidigung nicht unerwogen. (...) Diese deutschen Urländer müssen mit Deutschland vereinigt bleiben; (...) Preußen (...) hat ebenso sehr die Pflicht als den ehrenvollen Anspruch erworben, sie zu beschützen und für sie zu wachen."
    Die Mission Preußens stieß nicht unbedingt auf Gegenliebe
    Knapp vier Wochen vor dieser Proklamation war Napoléon Bonaparte aus der Verbannung geflohen und hatte sich auf den Marsch nach Paris gemacht. Seine Rückkehr auf die politische Bühne brachte Dynamik in die zähen Wiener Verhandlungen über die Neuordnung Europas. Preußen, das sich ursprünglich das ganze Königreich Sachsen einverleiben wollte, gab sich mit dem nördlichen Teil zufrieden. Zur Entschädigung erhielt es unter anderem Territorien am Rhein und in Westfalen. Preußen bekam damit die Aufgabe, die nordöstliche Grenze Frankreichs zu bewachen. Der Historiker Thomas Nipperdey:
    "Die Versetzung Preußens an den Rhein ist eine der fundamentalen Tatsachen der deutschen Geschichte, eine der Grundlagen der Reichsgründung von 1866/1871. Mit der Rheinprovinz war die künstliche Existenz Preußens, die Spaltung in eine Ost- und Westhälfte, neu befestigt und schärfer als je zuvor ausgeprägt. Das wurde zur stärksten Antriebskraft preußischer Machtpolitik; letzten Endes ging es darum, diese Spaltung zu überwinden."
    Die Mission Preußens im Westen stieß dort nicht unbedingt auf Gegenliebe. Von dem Kölner Bankier Abraham Schaaffhausen ist die auf die sprichwörtliche preußische Kargheit zielende Bemerkung überliefert, die Rheinländer hätten in eine arme Familie eingeheiratet.
    Das Rheinland gehörte gut 15 Jahre zum französischen Staatsgebiet und profitierte von dessen revolutionären Veränderungen: Aufhebung der Vorrechte von Adel und Geistlichkeit, Einführung des napoleonischen Rechts und Abschaffung grundherrschaftlicher Privilegien, Befreiung vom Zunftzwang. Das beförderte die Wirtschaft, wenn auch die Steuerlasten des französischen Regimes als drückend empfunden wurden. Doch das Licht der Aufklärung kam eben auch aus dem revolutionären Frankreich, aus dem Napoléon hervorgegangen war.
    Aus Berliner Sicht galt der Rheinländer als "Halbfranzose"
    Das Festhalten an den napoleonischen Errungenschaften irritierte wiederum die Preußen. Aus Berliner Sicht galt der Rheinländer als "Halbfranzose", der regermanisiert werden musste. Im Dienstbericht eines altpreußischen Polizeidirektors hieß es 1816:
    "Außer dem zur Gewohnheit gewordenen Oppositionsgeist sind als Grundlage seines Charakters nicht zu verkennen: große Anlage zur Jovialität, ein Freiheitssinn. Gleichgültigkeit gegen sonst übliche Anstandsformen, starker Hang zum Witz und zum Spott."
    Der Preuße Bismarck empfand den "rheinisch-französischen Liberalismus" zwar als "widerlich", doch das widerspenstige Rheinland erwies sich als Motor des wirtschaftlichen Fortschritts. Die Rheinprovinz blieb ein verlässlicher Bestandteil des Reiches und seiner Vormacht Preußen. Nachdem der Alliierte Kontrollrat Preußen 1947 aufgelöst hatte - es galt als Hort des deutschen Militarismus - machten die britischen Besatzer den nördlichen Teil der Rheinprovinz samt den westfälischen Besitzungen zur Keimzelle eines neuen, eines bundesrepublikanischen Territoriums: Nordrhein-Westfalen. Dort, in diesem "NRW", lag die Bundeshauptstadt Bonn. Auch das ist mittlerweile Geschichte – Berlin wurde wieder Hauptstadt. Vom rheinisch-preußischen Bürgersinn aber kündet noch heute eine Initiative, die Spenden sammelt für die Restaurierung des Reiterstandbildes von Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. auf dem Kölner Heumarkt. So unsichere Kantonisten waren die rheinländischen Musspreußen denn wohl doch nicht.