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König Heinrich VIII.
Der unberechenbare Despot

König Heinrich VIII. hat England auf den Weg der Reformation geführt, aber auch 70.000 Untertanen hinrichten lassen - unter ihnen zwei seiner Ehefrauen. Bereits seine Zeitgenossen gaben ihm den Spitznamen "Englands Nero" - nach dem berüchtigten römischen Kaiser und Christenverfolger. Heute vor 525 Jahren wurde Heinrich VIII. geboren.

Von Winfried Dolderer | 28.06.2016
    Zeitgenössisches Porträt von Heinrich VIII. (1491-1547), der von 1509-1547 König von England war.
    Zeitgenössisches Porträt von Heinrich VIII. (picture-alliance / dpa - Bifab)
    Die Zeitgenossen nahmen das freudige Ereignis kaum zur Kenntnis, das am 28. Juni 1491 aus dem Palast zu Greenwich gemeldet wurde. Königin Elizabeth von York hatte einen gesunden Knaben zur Welt gebracht – den künftigen Monarchen, der in England der Reformation den Weg ebnen sollte, aber auch den sinistren Nachruhm genießt, zwei seiner sechs Gattinnen umgebracht zu haben. Für die Herrscherrolle indes war der kleine Heinrich bei seiner Geburt gar nicht vorgesehen. Erst mit knapp elf Jahren rückte er nach dem Tod des Bruders zum Thronfolger auf, zum Verdruss des Vaters, der dem politischen Talent seines Zweitgeborenen misstraute.
    "Heinrich VII. war fuchsschlau, sehr verschlagen, misstrauisch bis zum Exzess und sah von Anfang an, dass dieser Sohn zwar eine unglaublich charismatische Ausstrahlung hatte und all das, was man sonst von einem Herrscher in dieser Zeit erwartete, also die Prachtliebe, das Repräsentieren und so weiter, aber er sah genau das voraus, dass er wahnsinnig gefährliche Anlagen hatte und eben diese Neigung zur Maßlosigkeit, das hat sich ja dann alles auf recht tragische Weise manifestiert und gezeigt."
    Die Autorin Sabine Appel hat eine Biografie Heinrichs VIII. vorgelegt und schreibt an einem Buch über seine Kontroverse mit Martin Luther. War doch dieser König, der mit 18 den Thron bestieg, ein vielseitiger Monarch. Sportlich und kriegerisch, zugleich hochgebildet und musisch begabt. Als Achtjähriger begann er eine lateinische Korrespondenz mit dem Humanisten Erasmus von Rotterdam. Er komponierte Lieder und Konzerte, las antike Autoren und Kirchenväter im Urtext, verfügte über profunde theologische Kenntnisse. Als 30-Jähriger verfasste er 1521 eine Streitschrift für die katholische Sakramentenlehre gegen Luther.
    "Welche giftige Schlange hatte sich jemals eingeschlichen, die vergleichbar wäre mit dem, der über die babylonische Gefangenschaft der Kirche schrieb? Was für ein höllischer Wolf, der die Herde Christi zu zerstreuen trachtet."
    Der Papst belohnte Heinrich VIII. mit dem Titel "Verteidiger des Glaubens"
    "Dass Luther dann vom Priestertum aller Gläubigen spricht, das hat für ihn natürlich auch ein subversives Element, und von daher mussten alle weltlichen Herrscher auch diese Ketzer fürchten, weil selbstverständlich immer auch der Gedanke dabei war: Na ja, wenn die jetzt die Autorität des römischen Papstes anzweifeln, irgendwann werden sie auch die Autorität der Monarchen anzweifeln, also das hatte immer ein subversives Element."
    Der Papst belohnte Heinrich VIII. mit dem Titel "Verteidiger des Glaubens", den seine Nachfolger bis heute führen. Der Reformator gab sich unbeeindruckt.
    "Also viel Hirns ist in diesem Königskopf nicht."
    Da war es fast ein Unfall der Geschichte, dass ausgerechnet dieser König den Bruch der englischen Kirche mit dem Papst herbeiführte. Nach 16 Jahren Ehe mit Katharina von Aragon hatte sich Heinrich in deren Hofdame Anne Boleyn verguckt. Die aber mochte nicht seine Mätresse, sondern wollte seine Königin werden. Heinrich schrieb schmachtende Liebesbriefe, mühte sich jahrelang um die kirchliche Annullierung seiner Ehe und rief, weil der Papst sich stur stellte, schließlich sich selbst zum Oberhaupt einer englischen Staatskirche aus. War es so?
    "Es ist, glaube ich, zu kurz gesprochen, wenn man sagt: Na ja, der hat sich vom Papst losgesagt, weil er ihm diese Ehescheidung nicht durchgebracht hat. Das ist richtig. Aber das hatte durchaus auch einen theologischen Hintergrund, das hatte starke Gewissenskonflikte zur Grundlage, und er hat sich sein Leben lang gefragt, was er denn tun könne, um ein gottgefälliger König zu sein."
    Warum hatte ihm Gott eine Tochter, aber keinen männlichen Erben geschenkt? Wollte er ihn strafen, weil seine Gemahlin mit seinem verstorbenen Bruder verheiratet gewesen war? War seine Ehe eine Sünde? Gottes Segen, wie er ihn erhoffte, fand Heinrich nicht. Auch Anne Boleyn gebar eine Tochter und bestieg nach drei Jahren das Schafott. Ihre Nachfolgerin brachte endlich einen Sohn zur Welt, starb aber im Kindbett. Die Kräfte seines Landes hatte Heinrich in kostspieligen und nutzlosen Feldzügen in Frankreich verschlissen. Mit den Jahren wurde er zum verbitterten, unberechenbaren Despoten. Der Humanist Thomas More, der Heinrichs Thronbesteigung bejubelt hatte, machte sich keine Illusionen mehr.
    "Wenn mein Kopf ihm ein Schloss in Frankreich einbrächte, wäre ich ihn los".
    Als Gegner der Kirchenreform Heinrichs verlor More, wie viele Anhänger des alten Glaubens, 1535 seinen Kopf. Zugleich ließ der König weiterhin Protestanten als Ketzer verbrennen.
    "Das ist schon ein gewaltiger Weg und auch eine Persönlichkeitsveränderung. Ich denke, dass das am Ende auch pathologische Züge bei ihm hatte."
    Als er im Januar 1547 starb, waren 70.000 Hinrichtungen die blutige Bilanz seiner Herrschaft.