Samstag, 20. April 2024

Archiv

König Salman in Ägypten
Gemeinsamer Kurs der ungleichen Partner

Mit milliardenschweren Wirtschaftsabkommen wollen König Salman von Saudi-Arabien und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi die strategischen Beziehungen beider Länder weiter ausbauen. Dazu gehört auch die Rückgabe von zwei Inseln an Saudi-Arabien. Das sorgt in Ägypten für Protest.

Von Björn Blaschke | 16.04.2016
    Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi (L) verabschiedet den saudischen König Salman bin Abdulaziz (R) nach seinem Besuch in Kairo.
    Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi (L) verabschiedet den saudischen König Salman bin Abdulaziz (R) nach seinem Besuch in Kairo. (dpa/picture alliance/Egyptian Presidency)
    König Salman, im eigenen Reich ein Monarch mit absoluten Befugnissen, hielt vor dem Ägyptischen Parlament eine Rede. Anschließend wurde er von ägyptischen Parlamentariern, gewählten Volksvertretern, mit Lobpreisungen und Gedichten bedacht…
    "Salman, Ihr seid herzlich Willkommen, Eure freiwillige Mühe ist oft zu loben. Salman, Ihr seid in unserem Hause und hier im Kreise Eurer Familie Willkommen. Und die Güte ist Von Euren Gnaden. Salman, Ihr bleibt als Beschützer und Verteidiger des Arabertums, Eure guten Taten sind unvergesslich, sie tragen Euch in die Höhe wie eine flatternde bis zum Himmel ragende Fahne!"
    Hohe Finanzhilfen für Ägypten
    "Die guten Taten", von denen der Autor dieser Verse spricht, damit sind wohl die Finanzhilfen gemeint: Beispiellos hoch, aber anders als früher längst nicht mehr alles geschenkt sondern auf Ertrag ausgerichtet. Während des fünftägigen Ägypten-Besuches von König Salman wurden ein gutes Dutzend Abkommen geschlossen: Zum Beispiel saudische Öllieferungen an Ägypten zu Vorzugspreisen. Oder: ein milliardenschwerer Investitionsfonds mit einem Kapital von gut vierzehn Milliarden Euro. Das wurde nach der Unterzeichnung des entsprechenden Abkommens in Gegenwart von König Salman und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi verkündet. Hassan Naffaa, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Kairo, sagt dazu:
    "Die Wirtschaftssituation in Ägypten ist sehr kritisch und es herrscht gerade eine gefährliche politische Polarisierung. Da das herrschende Regime in Ägypten unbedingt finanzielle Unterstützung braucht, wird es mit jedem Staat Geschäfte machen, der ihm dabei hilft, die Wirtschaftskrise zu überstehen. Saudi-Arabien war einer der wenigen Staaten, die Ägypten Geld für die Zentralbank gegeben haben."
    Nach 2013, nachdem der islamistische Präsident Mohammed Mursi infolge von Massenprotesten abgesetzt wurde und Abdel Fattah al-Sisi an die Macht kam. Damals sprang Saudi-Arabien Sisi gerne bei. Denn: Das Königshaus in Riyad war dankbar für die Absetzung des Islamisten Mursi, weil es der Muslim-Bruderschaft, aus der Mursi hervorging, misstraut. Das ist nunmehr fast drei Jahre her. Heute steht Saudi-Arabien Ägypten auch noch aus anderen Gründen zur Seite – so Politikwissenschaftler Naffa:
    "Ich glaube, dass es sowohl auf saudischer, als auch auf ägyptischer und regionaler Ebene einige Gründe für eine Annährung und für eine gemeinsame Vision gibt, denn man muss den Ereignissen in der Region und den Sicherheitsfragen, die Ägypten und Saudi-Arabien betreffen, begegnen."
    Rettung der arabischen Ordnung
    Der wachsende Einfluss Irans ist ein Thema. In Teheran sieht Saudi-Arabien seinen größten Konkurrenten, zumal Irans Einfluss in den zurückliegenden Jahren immer stärker geworden ist: In Libanon oder in Syrien, im Irak oder im Jemen.
    "König Salman will mit seinem Besuch in Ägypten unterstreichen, dass es wirklich strategische Beziehungen zwischen beiden Ländern gibt - zu Gunsten des gesamtarabischen Systems. Denn die Gefahren, die Ägypten, Saudi Arabien und dem Rest der Region drohen, können nicht von einem einzelnen Staat bewältigt werden. Die arabische Ordnung ist zusammengebrochen; da wäre es falsch, innerhalb der Region zu konkurrieren!"
    Die zusammengebrochene arabische Ordnung - damit meint Naffa den drohenden Zerfall von Staaten. Und Naffaa meint das gleichzeitige Erstarken des selbst ernannten "Islamischen Staates", kurz IS. Der stellt – mit seiner militanten, kruden religiös-politischen Ideologie – alle nahöstlichen Gesellschaften vor eine Herausforderung. Ägypten hat reagiert: Die wohl wichtigste sunnitische Lehranstalt in der islamischen Welt überhaupt, die Azhar-Universität, ist in Kairo; ihr Vorsitzender predigt verstärkt einen moderaten Islam. In Saudi-Arabien dagegen ist der Wahabismus Staatsreligion. Das heißt, dass Auslegung und Anwendung islamischer Gesetze in Saudi-Arabien kaum anders sind als im Herrschaftsgebiet des IS. Mörder werden enthauptet, Dieben die Hände abgehackt. Daher sieht Hassan Naffaa ein wichtiges Signal darin, dass König Salman, der weltliche Kopf des Wahabismus, den Scheikh ul-Azhar getroffen hat; den Vorsitzenden der islamischen Schule in Kairo:
    "Manche sagen, dass Saudi Arabien endlich die Gefahr des religiösen Extremismus und der Wahabitischen Ideologie erkennt. Deshalb kann die Azhar helfen, eine gemäßigte Schule zu schaffen, die den Islam als Religion von der Politik trennt, anderes als das, was die Muslim-Brüder und die fundamentalistischen Bewegungen wie al-Qaida und IS als Modelle des politischen Islam präsentiert haben. Wir brauchen jedenfalls ganz sicher eine religiöse Reform sowohl in Ägypten bei den Muslim-Brüdern, als auch in Saudi Arabien bei den Wahabiten."
    Nationale Interessen im Vordergrund
    Doch so sehr es große gemeinsame Interessen geben mag, zwischen Saudi-Arabien und Ägypten, aber auch darüber hinaus in der gesamten arabischen Welt… so sehr scheiden sich die Geister bereits im Kleineren: In Punkto Syrien beispielsweise: Das Königshaus in Riyad arbeitet auf ein Syrien hin, an dessen Spitze auf keinen Fall mehr Präsident Bashar al-Assad stehen soll. Ägyptens Führung ist da längst nicht so eindeutig. Daher befürwortet Politikwissenschaftler Hassan Naffaa die weitere ägyptisch-saudische Annährung zwar grundsätzlich, aber er hegt gleichzeitig Zweifel daran, dass die arabischen Staatschefs tatsächlich ihre jeweiligen nationalen Interessen dem großen Ganzen unterordnen werden:
    "Leider haben wir uns in der arabischen Welt daran gewöhnen müssen, dass die Regime in der Region nur Eigeninteressen haben, die sie als Mittel nutzen, um ihre jeweilige Macht zu sichern. Sie interessieren sich dabei aber nicht für die großen strategischen Fragen."