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Könnte der Zivildienst abgeschafft werden?

Burkhard Birke: Mitgehört hat Thomas Broch. Er ist Sprecher des Deutschen Caritasverbandes. Schönen guten Tag, Herr Broch.

    Thomas Broch: Guten Tag, Herr Birke.

    Birke: Herr Broch, der Caritasverband ist ja nun Nutznießer der Zivildienstregelung. Etwa ein Zehntel aller 30.000 Zivildienstleistenden arbeiten im Rahmen des Caritasverbandes. Wie wären Sie denn von einer Streichung des Zivildienstes betroffen?

    Broch: Es würde mit Sicherheit für viele unserer Einrichtungen eine sehr, sehr schwierige Situation, wobei wir eigentlich schon seit geraumer Zeit immer wieder gesagt haben zum einen, es wäre unklug und unvernünftig, die Personalstrukturen der Einrichtungen allzu sehr von den Zivildienstleistenden abhängig zu machen, also quasi Planstellen mit ihnen zu besetzen, und ich denke, unsere Einrichtungen haben da auch sich im Großen und Ganzen klug verhalten, so dass vielleicht die Einbrüche doch nicht so gravierend wären. Aber alles in allem, das darf man nicht schön reden, wäre natürlich der Verlust dieser jungen Menschen für die Einrichtungen ein großer Einbruch.

    Birke: Wo wäre der Einbruch am größten, Herr Broch?

    Broch: Ja gut, es wurde vorhin bereits gesagt in der Magazinsendung, es handelt sich ja – 50 Prozent der ungefähr 50.000 Zivildienstleistenden sind in der stationären Pflege eingesetzt. Das ist genau natürlich der Bereich, wo jede Hand gebraucht wird und wo jede Person gebraucht wird.

    Birke: Und in diesem Bereich, könnte man denn nicht da über den Ausbau zum Beispiel eines freiwilligen sozialen Jahres, wie es ja auch die Familienministerin Renate Schmidt wohl angeregt hat, Kompensation, Ersatz schaffen?

    Broch: Es gibt viele Überlegungen, die in diese Richtung gehen und jetzt auch durch die Vorstellungen von Frau Schmidt, was diese Frage angeht, bestätigt werden. Der Deutsche Caritasverband hat schon vor einigen Jahren ein gedankliches Modell entwickelt, wie man zum Beispiel bislang bestehende Freiwilligendienste, die gibt es ja, gibt es eine ganze Reihe, für junge Menschen koordinieren könnte zu einem freiwilligen Sozialdienst, der jungen Menschen beiderlei Geschlechts offen stünde, auch ausländischen jungen Menschen. Das sind natürlich Dingen, die lassen sich nicht von heute auf morgen machen, aber da muss man neue Modelle entwickeln, da muss man innovativ sein. Das ist das eine. Und das andere, wir kommen nicht darum herum, in der ganzen Gestaltung unserer Dienste und Einrichtungen sehr viel stärker zu kooperieren überhaupt mit Ehrenamtlichen, mit freiwillig sozial tätigen Menschen. Die Zukunft dieses Bereichs geht in diese Richtung, da ist man ja auch schon seit Jahren dabei, das zu entdecken, neue Wege zu finden, um Menschen zu freiwilligen sozialen Diensten zu gewinnen.

    Birke: Herr Broch, lassen wir einmal die Freiwilligkeit auf der Seite liegen, wie wäre es denn mit einem sozialen Pflichtjahr an Stelle des Zivildienstes?

    Broch: Wir haben uns in der Caritas, als Deutscher Caritasverband, auch unsere Fachverbände, immer gegen ein soziales Pflichtjahr gewandt. Und zwar ganz einfach deshalb, weil soziale Dienste zu einem guten Teil von der persönlichen Motivation, von der persönlichen Einstellung leben, und die kann man nicht verpflichtend machen. Also, wir befürchten, dass die Qualität dieser Dienste darunter erheblich leiden würde, wenn junge Menschen zu so etwas zwangsverpflichtet würden.

    Birke: Lassen Sie uns noch eine andere Option ins Auge fassen und zwar ist ja jetzt mit der Reform auch im Bereich der Arbeitslosenversicherung vorgesehen, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammen zu legen und dann auch die Zumutbarkeitskriterien sind ja eingegrenzt worden, so dass für Langzeitarbeitslose fast jeder Job zumutbar wäre. Wäre es denn zumutbar, solche Personen auch dann statt Zivildienstleistende im Bereich der Caritas in der Pflege einzusetzen?

    Broch: Ich denke, man muss alle diese Möglichkeiten prüfen, und zwar sorgfältig prüfen. Das Argument, was ich zum sozialen Pflichtjahr gesagt habe, gilt natürlich auch für Menschen, die Transferleistungen auf Grund von Arbeitslosigkeit oder anderer unglücklicher Lebensumstände erhalten. Eine solche Situation macht nicht von vorne herein geeignet, einen Pflegedienst, einen sozialen Dienst zu verrichten, weil das eben wie gesagt sehr stark von der Motivation abhängt. Ich will damit selbstverständlich nicht ausschließen, dass bei der betroffenen Personengruppe so und so viele sind, die dafür durchaus in Frage kämen, die das vielleicht auch gerne und gut machen würden. Das ist jetzt noch einmal eine andere Diskussion mit den Zumutbarkeitskriterien. Ich denke, es ist wichtig für Menschen, die Form zu finden, sich in die Gesellschaft einzubringen, die ihnen gemäß ist und wo sie auch etwas ihrer Person entsprechend Gutes und Vernünftiges leisten können. Es muss ja auch sinnvoll sein für die Betroffenen, nicht nur für die Einrichtungen.

    Birke: Das war Thomas Broch, der Sprecher des Deutschen Caritasverbandes zur Frage, inwieweit man dort wohlmöglich auf Zivildienstleistende verzichten kann, wenn der Zivildienst abgeschafft würde. Vielen Dank, auf Wiederhören.

    Broch: Auf Wiederhören.